# taz.de -- Thomas Arslan über „Verbrannte Erde“: „Das Unwirtliche der… | |
> In dem Thriller „Verbrannte Erde“ erzählt Thomas Arslan von der | |
> Berufsethik von Gangstern (Panorama). Der Film spielt in einem | |
> abweisenden Berlin. | |
Bild: Thomas Arslans Blick auf Berlin verändert sich, wenn die Stadt zum Dreho… | |
Der Gangster Trojan kehrt nach zwölf Jahren im Untergrund nach Berlin | |
zurück. Er sucht Arbeit, zu seinen Bedingungen. So erhält er den Auftrag, | |
ein Caspar-David-Friedrich-Gemälde zu rauben. Doch die Geschäfte haben sich | |
auch in seiner Welt verändert. | |
taz: Herr Arslan, mit „Verbrannte Erde“ haben Sie eine Fortsetzung Ihres | |
[1][Thrillers „Im Schatten“ von 2010] gedreht. Warum kommt jetzt eine neue | |
Geschichte über den Berufskriminellen Trojan? | |
Thomas Arslan: Ich hatte wieder Lust, in Berlin zu drehen, „Im Schatten“ | |
war der letzte Film, den ich in Berlin gedreht habe. Das ist immer ein | |
Grund, sich die Stadt noch mal genauer anzugucken, als man es im Alltag | |
macht. Ich lebe ja schon seit 86 hier, aber man guckt eben doch gezielter, | |
wenn man vorhat, dort den Film zu drehen. Ich hatte auch Lust, wieder | |
einmal was mit Mišel Matičević (dem Darsteller von Trojan, A. d. R.) zu | |
machen und mit dieser Figur eine weitere Geschichte zu erzählen, seine | |
Rückkehr nach Berlin. | |
Angekündigt ist „Verbrannte Erde“ als zweiter Teil einer Trilogie. Gibt es | |
Pläne, wann der letzte Film folgt? | |
Der Abstand soll auf jeden Fall nicht so groß werden. Es soll nicht noch | |
einmal 14 Jahre dauern. | |
Während „Im Schatten“ in einigen Szenen ein geschäftiges Berlin zeigt, die | |
Friedrichstraße in Mitte etwa oder das Kottbusser Tor in Kreuzberg, sieht | |
man in „Verbrannte Erde“ viel weniger Menschen in der Stadt jenseits der | |
handelnden Personen. Wie hat sich Berlin für Sie in der Zwischenzeit | |
verändert? | |
Ich finde, dass sich Berlin in den letzten zehn, fünfzehn Jahren drastisch | |
geändert hat, es ist eine wesentlich abweisendere Stadt geworden, die | |
deutlich mehr Leute ausschließt, als es vorher der Fall war. Ich sehe die | |
sehr rapiden forcierten Gentrifizierungsprozesse, wo ganze | |
Stadtbevölkerungsanteile ausgetauscht worden sind in den letzten Jahren, | |
und dadurch, dass hier so viele Eigentumswohnungen gebaut werden, die | |
Mieten kaum noch bezahlbar sind. Das hat sich schon sehr drastisch | |
verschoben, und ich empfinde die Stadt auf dem Weg zu einer immer | |
abweisenderen Metropole, für große Teile der Bevölkerung zumindest. | |
Das schlägt sich auch im Bild nieder. Der Film ist noch stärker an anonymen | |
Orten gedreht. Man sieht sterile Hotelzimmer, verlassene Parkplätze, | |
Parkhäuser oder glatte Funktionsbauten. Man könnte sagen, es sind | |
unheimelige Orte. War das ein weiterer Ausdruck dieser Veränderung? Wird | |
der von Ihnen angesprochene Ausschluss damit architektonisch im Film | |
sichtbar gemacht? | |
Das hat auf jeden Fall eine Rolle gespielt, auch wenn wir das nicht so | |
explizit behandelt wollten. Es sollte nicht als Thema im Vordergrund | |
stehen, aber damit haben wir uns ziemlich viel beschäftigt und es hatte | |
auch Einfluss auf die Wahl der Orte. | |
Während „Im Schatten“ meistens bei Tag gedreht ist, wirkt „Verbrannte Er… | |
wie ein Nachtstück. Die Szenen spielen oft nach Anbruch der Dunkelheit. Ist | |
das eine Hommage an Noir-Klassiker? | |
Ich wollte einen deutlicheren formalen Bezug zum Film noir herstellen. Auf | |
der anderen Seite gab mir das durch diese entleerten nächtlichen Unorte, | |
die es da so zu sehen gibt, Parkplätze, Unterführungen und verlassene | |
Seitenstraßen im Umfeld von Neubauten, auch eine Möglichkeit, dieses | |
Unwirtliche der Stadt, das, wie Sie gerade sagten, Unheimelige zu | |
forcieren. | |
Auffällig ist an beiden Filmen zudem, dass Sie, wie Sie das seinerzeit bei | |
„Im Schatten“ genannt haben, die Innenseite des Verbrechens zeigen. Die | |
Polizei spielte im ersten Teil eine untergeordnete Rolle, jetzt fehlt sie | |
komplett. Die Gangster sind praktisch unter sich bei der Arbeit. Was | |
interessiert Sie an der geschäftlichen Seite das Verbrechens? | |
Es gibt gar nicht so ein allgemeines Interesse. Das geht eher von der Figur | |
des Trojan aus. Das ist eine Figur, die nach Möglichkeit selbstständig | |
arbeiten möchte und auch nicht erklärtermaßen für das organisierte | |
Verbrechen, eben weil das feste Zusammenhänge sind, in denen man mehr oder | |
weniger gefangen ist. Er versucht, eine Existenz nach seinen eigenen Regeln | |
zu führen. Dazu braucht es natürlich Teilzeit-Komplizen, -Komplizinnen. | |
Aber im großen Ganzen ist er jemand, den man gar nicht im klassischen Sinne | |
als Gangster bezeichnen kann, weil er selbstständig wie ein Freelancer | |
arbeitet. Das finde ich primär interessant, eben jemand, der seine Arbeit | |
sehr ernst nimmt, sie auch so professionell wie möglich durchzuführen | |
versucht, womit er dann an seine Grenzen kommt, sobald andere Leute | |
hinzukommen. Andere Personen sind immer potenzielle Faktoren, die man nicht | |
ganz kontrollieren kann. | |
Ansonsten interessiert mich an so einer Figur wie Trojan, wie diese | |
Professionalität genau aussieht, wie er sich vorbereitet, wie so ein Alltag | |
von so jemand aussehen könnte, dieses Leben ohne festen Wohnsitz, dieses | |
Nomadenhafte. Aber auch diese präzisen Handlungsabläufe, die dazugehören | |
und die er sehr ernst nimmt, weil es eine Art Lebensversicherung für ihn | |
ist. | |
Wie haben Sie dazu recherchiert? | |
Mich interessiert das weniger soziologisch, und ich habe jetzt und auch bei | |
„Im Schatten“ nur sehr rudimentäre Recherchen betrieben im Hinblick auf | |
echte Verbrecher. Trojan ist eher eine Kunstfigur. Recherchiert habe ich | |
Details, also was die Widerstände sind, wenn man ein bestimmtes Vorhaben | |
hat, wie in diesem Fall in ein Museum einzusteigen, was da zu beachten ist. | |
Aber ansonsten hat mich an Trojan eher seine Genauigkeit interessiert, und | |
er hat im Rahmen seines Feldes auch noch so einen Rest Moralkodex. | |
Dass die vom Auftraggeber gewünschte Ware ein Gemälde von [2][Caspar David | |
Friedrich] ist, „Frau vor der untergehenden Sonne“, hat etwas von einem | |
Insiderwitz zum Jubiläumsjahr des Malers. | |
Das hat sich so gefügt, davon wussten wir gar nichts, als wir den Film | |
gedreht haben. Das Bild kommt ja aus dem Folkwang Museum in Essen. Wir | |
wollten dort auch drehen, haben aber keine Dreherlaubnis gekriegt. So haben | |
wir uns nach einem anderen Museum umgeschaut, und es ist dann das ehemalige | |
Ethnologische Museum Dahlem geworden. Was ich sehr interessant fand, ist, | |
dass große Teile des Museums gar nicht mehr existieren. Die Exponate | |
wandern alle sukzessive zum Humboldt-Forum. Was es dort noch gibt, das ist | |
im Film kurz zu sehen, ist in Kisten gelagert. Das ist im Grunde kein | |
zugängliches Museum mehr. | |
Was im Alltag noch betrieben wird, das haben wir fast eins zu eins in die | |
Geschichte übernommen, ist, dass das Depot für Gemälde und Objekte, die für | |
große Ausstellungen verliehen werden, als Zwischenlager genutzt wird, weil | |
das ein ziemlich großes Lager ist. Das war ein Glücksfall, dass wir so eine | |
Art von dysfunktionalem Museum hatten, das auch gar nicht mehr nach Museum | |
aussieht in den Innenräumen. Dass es jetzt eine große | |
Caspar-David-Friedrich-Retrospektive in Berlin gibt, hatten wir nicht auf | |
dem Schirm. Aber uns kam es trotzdem drauf an, dass es ein Gemälde eines | |
bekannten Malers ist, mit dem viele etwas anfangen können, und dass es viel | |
wert ist und dass es auch nicht so großformatig ist, dass es unaufwendig zu | |
transportieren ist. Das waren die Kriterien für das Gemälde. Wir haben beim | |
Drehen darauf geachtet, dass wir das Bild nicht als solches zelebrieren, | |
weil ich auch kein besonders leidenschaftliches Verhältnis zu Caspar David | |
Friedrich habe. Da fiel es mir dann auch relativ leicht, die gleiche | |
Perspektive einzunehmen, wie sie die Figuren haben, dass es eben ein Objekt | |
in einem Rahmen ist. Das wird dann natürlich gut behandelt, aber eben nur, | |
weil es in erster Linie ein wertvolles Tauschobjekt ist. | |
20 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
Wolfgang Borrs | |
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