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# taz.de -- Nachruf Rose Dugdale: Die IRA-Queen
> Rose Dugdales schillernder Lebensweg führte sie aus der englischen
> Oberschicht in den irischen Untergrund. Nun ist sie mit 83 Jahren
> gestorben.
Bild: Undatierte Aufnahme der jungen Rose Dugdale
Dublin taz | Sie war lange nicht mehr in unserer Stammkneipe in der
Dubliner Innenstadt gewesen, es ging ihr schon seit Jahren sehr schlecht.
Am Montag ist Rose Dugdale im Alter von 83 Jahren in einem von katholischen
Nonnen betriebenen Pflegeheim gestorben. Wir werden ihre Geschichten und
ihren Humor vermissen.
Ihr Lebenslauf klingt wie das Drehbuch für einen Spielfilm. Und an diesem
Freitag kommt [1][der Film „Baltimore“], in dem Imogen Poots die Rolle von
Dugdale spielt, in die Kinos. Es geht darin vor allem um den Überfall auf
das Russborough House in der Grafschaft Wicklow südlich von Dublin im Jahr
1974.
Dabei stahl eine Einheit der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) unter
Führung von Dugdale 19 Meisterwerke von Goya, Velázquez, Vermeer, Rubens
und anderen aus dem Besitz von [2][Alfred Beit], einem ehemaligen
südafrikanischen Bergbau-Erben. Damit wollte die IRA die Überstellung von
vier hungerstreikenden IRA-Gefangenen aus England nach Nordirland
erpressen. Es war einer der größten Kunstraube der Geschichte.
Kurz zuvor hatte Dugdale den ersten Hubschrauberanschlag der IRA auf ein
nordirisches Polizeirevier verübt. Sie hatte sich als Journalistin
ausgegeben und den Hubschrauber gemietet. Mit ihrem Komplizen Eddie
Gallagher zwang sie den Piloten, mit Sprengstoff gefüllte Milchkannen
einzusammeln, die dann auf das Polizeirevier abgeworfen wurden. Sie
explodierten aber nicht.
Dugdale wurde gefasst und wegen des Anschlags und des Kunstraubs zu neun
Jahren Gefängnis verurteilt. Im Gefängnis von Limerick brachte sie ihren
Sohn Ruairí zur Welt. Gallagher, Ruairís Vater, entführte den
niederländischen Industriellen [3][Tiede Herrema] und forderte Dugdales
Freilassung. Die Polizei kam ihm jedoch auf die Spur. Nach einer 18-tägigen
Belagerung des Verstecks gab Gallagher auf und wurde zu 20 Jahren Haft
verurteilt. Dugdale wurde 1980 freigelassen und zog nach Dublin.
## Knicks vor der Königin
Ihre Eltern hatten ursprünglich einen anderen Lebensweg für Dugdale
vorgesehen. Sie war gar keine Irin, sondern wurde auf dem 600 Hektar großen
Anwesen ihrer Familie in Devon geboren. Ihr Vater war Oberstleutnant Eric
Dugdale, ein erfolgreicher Lloyds-Versicherer. Ihre Mutter Carol stammte
aus einer wohlhabenden Familie aus Gloucestershire und war einst mit dem
Bruder des Faschistenführers Oswald Mosley verheiratet, ließ sich aber
wegen dessen Frauengeschichten scheiden.
1958 wurde Rose Dugdale, wie damals für junge Mädchen in der britischen
Oberschicht üblich, der Queen als „Debütantin“ vorgestellt. Danach
studierte sie in Oxford, wurde Wirtschaftsberaterin der Regierung für
Entwicklungsländer und promovierte am Londoner Bedford College in London,
wo sie Wirtschaft lehrte.
1971 verließ sie die akademische Welt und verschenkte ihr geerbtes Vermögen
an die Armen. Nach dem „Bloody Sunday“ im Januar 1972, als britische
Fallschirmjäger im nordirischen Derry 14 Bürgerrechtsdemonstranten
ermordeten, begann ihr Weg in die Illegalität. Sie besuchte ein
Ausbildungslager der IRA und beschaffte Waffen für die Organisation.
Ihr Leben war voriges Jahr Gegenstand einer Fernsehdokumentation mit dem
Titel „Die Erbin und der Raub“. Der Überfall auf das Russborough House 1974
war aber nicht Dugdales erster Kunstraub. Ein Jahr zuvor war sie mit
professionellen Einbrechern in das Haus ihrer Eltern eingebrochen und hatte
Bilder und Antiquitäten im Wert von 80.000 Pfund erbeutet, um Geld für
revolutionäre Zwecke zu sammeln.
Sie wurde dafür zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Der
Richter hielt es für unwahrscheinlich, dass sie erneut straffällig würde.
Welch ein Irrtum.
20 Mar 2024
## LINKS
[1] https://www.filmstarts.de/kritiken/319673.html
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Beit
[3] https://simple.wikipedia.org/wiki/Tiede_Herrema
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Nordirland
Irland
IRA
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