# taz.de -- Nachruf auf Martin McGuinness: Ein Mann mit vielen Gaben | |
> Martin McGuinness, Exstabschef der IRA, Architekt des Friedensabkommens | |
> und Vize-Premier Nordirlands, ist im Alter von 66 Jahren gestorben. | |
Bild: Die legendären IRA- und Sinn-Fein-Führer Gerry Adams und Martin McGuinn… | |
DUBLIN taz | Martin McGuinness stand fast zehn Jahre lang an der Spitze der | |
nordirischen Regierung, die ohne sein Zutun nie zustande gekommen wäre. Der | |
irische Premierminister Enda Kenny sagte am Dienstag: „Man wird sich an | |
Martin für seine bemerkenswerte politische Reise erinnern. Er kam nicht nur | |
zu der Überzeugung, dass der Frieden Vorrang habe, er arbeitete auch | |
unermüdlich für dieses Ziel.“ | |
Bemerkenswert war die Reise tatsächlich. James Martin Pacelli McGuinness, | |
wie er mit vollem Namen heißt, wurde 1950 in der zweitgrößten nordirischen | |
Stadt Derry geboren. Er war zeit seines Lebens sehr religiös, er trug stets | |
die katholische Skapuliermedaille und gehörte den „Pioneers“ an, einer | |
katholischen Abstinenzlerbewegung. | |
Im Alter von 20 Jahren trat McGuinness in die IRA ein und stieg schon bald | |
zum stellvertretenden Kommandanten auf. Er gehörte der Delegation an, die | |
1972 in London einen Waffenstillstand mit der britischen Regierung | |
aushandelte. | |
Der Waffenstillstand war nicht von langer Dauer. Ein Jahr später wurde | |
McGuinness in der Republik Irland mit 113 Kilogramm Sprengstoff und 5.000 | |
Schuss Munition im Auto verhaftet. Er musste sechs Monate absitzen. 1977 | |
wurde McGuinness IRA-Kommandant in Nordirland, während Gerry Adams, heute | |
Präsident von Sinn Féin, Stabschef wurde. Als der ein Jahr später | |
interniert wurde, übernahm McGuinness den Posten. | |
1979 sprengte die IRA am Strand von Sligo in der Republik Irland Lord Louis | |
Mountbatten, Mitglied der englischen Königsfamilie, in die Luft. Wenige | |
Stunden später starben 18 britische Fallschirmjäger bei einem | |
IRA-Bombenanschlag in Warrenpoint. McGuinness' Ruf als Militärstratege war | |
gefestigt. | |
## Man nannte sie die „Kicherbrüder“ | |
Das war die Voraussetzung für den Friedensprozess. Adams und McGuinness | |
agierten als Doppelspitze. Während Adams der Basis seine Zugeständnisse an | |
die britische Regierung verkaufen musste, übernahm McGuinness die Aufgabe, | |
die militanten Zweifler zu beruhigen. „Der Krieg gegen die britische | |
Herrschaft muss fortgesetzt werden, bis die Freiheit erreicht ist“, betonte | |
er immer wieder. | |
Doch da verhandelte Sinn Féin längst. Heimlich blieben die Gespräche mit | |
der irischen Regierung allerdings nicht lange. Als McGuinness sich ins | |
Dubliner Außenministerium schleichen wollte, fuhr gerade ein offener | |
Touristenbus vorbei. Der Fahrer rief über Lautsprecher: „Und hier sehen sie | |
Martin McGuinness, den Chefverhandler von Sinn Féin, der gerade das | |
Außenministerium betritt.“ | |
Nach mehreren Rückschlägen einigte man sich 2007 auf eine | |
Mehrparteienregierung für Nordirland. Der Presbyterianerpfarrer Ian Paisley | |
wurde Premierminister, McGuinness sein Stellvertreter. Nichts symbolisierte | |
die veränderte Atmosphäre in Nordirland mehr als die Fotos von Paisley und | |
McGuinness, wie sie bei der Einweihung der Filiale eines schwedischen | |
Möbelhauses in Belfast scherzend auf einem Sofa saßen. Man nannte sie die | |
„Kicherbrüder“. | |
2011 wollte McGuinness Präsident der Republik Irland werden. Unter anderem | |
unterstützten ihn dabei die Schauspielerin Anjelica Houston sowie Colm | |
Meaney, der Chief O'Brien in der Serie „Raumschiff Enterprise“. Er unterlag | |
jedoch dem Dichter und Labour-Politiker Michael D. Higgins, der am Dienstag | |
sagte: „Als Präsident Irlands spreche ich meine Anerkennung für seinen | |
immensen Beitrag zum Frieden und zur Aussöhnung in Nordirland aus – ein | |
Beitrag, der zu Recht von allen Seiten anerkannt wird.“ | |
## Nicht nur freundliche Worte | |
Die britische Premierministerin Theresa May sagte, McGuinness habe eine | |
wichtige Rolle dabei gespielt, seine Organisation „von der Gewalt | |
wegzuführen“. Tony Blair, der britischer Premierminister war, als das | |
Belfaster Friedensabkommen am Karfreitag 1998 unterzeichnet wurde, meinte: | |
„Als er sich für den Frieden entschieden hatte, setzte er sich dafür mit | |
ganzem Herzen ein.“ | |
Nicht alle hatten freundliche Worte für den Verstorbenen. Er hoffe, | |
McGuinness werde „in einer besonders heißen und ungemütlichen Ecke der | |
Hölle geparkt“, sagte Norman Tebbit, der Rechtsaußen der Tory-Regierung | |
unter Margaret Thatcher. Sein Zorn ist verständlich: Seine Frau wurde bei | |
einem IRA-Bombenanschlag auf ein Hotel in Brighton schwer verletzt. | |
McGuinness´ letzter politischer Akt war sein Rücktritt im Januar, der auch | |
die Regierung zu Fall brachte. Dennoch fand Premierministerin Arlene Foster | |
versöhnliche Worte. Sie sagte am Dienstag: „Obwohl uns viel trennte, wird | |
sein bedeutender Beitrag zu dem Friedensprozess in die Geschichte | |
eingehen.“ | |
21 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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