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# taz.de -- Nordirland vor Neuwahl: Generationswechsel bei Sinn Féin
> Nach dem Rücktritt des stellvertretenden Ersten Ministers Martin
> McGuinness beginnt eine neue Ära. Er verkörperte den Friedensprozess.
Bild: Ende einer Ära: Martin McGuinness
Dublin taz Sinn Féin hat am vergangenen Wochenende mit einer Konferenz zur
irischen Vereinigung den nordirischen Wahlkampf eröffnet. Nachdem der
stellvertretende Erste Minister Martin McGuinness von Sinn Féin vor zwei
Wochen zurückgetreten war und aufgrund des komplizierten nordirischen
Systems damit auch die Regierung zu Fall brachte, wird das
Regionalparlament am Donnerstag aufgelöst. Am 2. März wird dann neu
gewählt.
McGuinness war wegen „Verschwendung öffentlicher Gelder, Fehlverhaltens und
Korruption“ des Koalitionspartners, der Democratic Unionist Party (DUP),
zurückgetreten.
Premierministerin Arlene Foster hatte nämlich 2012, als sie noch
Unternehmensministerin war, ein Programm eingeleitet, mit dem Unternehmen
und Bauern animiert werden sollen, ihre Heizung auf erneuerbare Energien
umzustellen. Seitdem erhalten sie für jedes Pfund, das sie ausgeben, einen
Zuschuss in Höhe von 1,60 Pfund.
Es war wie eine Lizenz zum Gelddrucken, die am Ende der Laufzeit von 20
Jahren eine halbe Milliarde Pfund Steuergelder verschlungen haben wird.
Wirtschaftsminister Simon Hamilton von der DUP will am Mittwoch darlegen,
ob und wie man die Kosten eindämmen kann.
## Kein Versteckspiel
Finanzminister Máirtín Ó Muilleoir von Sinn Féin wird am Dienstag eine
Untersuchung einberufen, die aufklären soll, wer von dem Programm
profitiert. „Mein Ziel ist es, eine Untersuchung im öffentlichen Interesse
einzuberufen, die kein Versteckspiel zulässt“, sagte Ó Muilleoir.
McGuinness’ Rücktritt hängt wohl auch mit seinem schlechten
Gesundheitszustand zusammen. Er soll unter einer seltenen Herzkrankheit
leiden.
Sein Rücktritt hat Lobeshymnen in den verschiedenen politischen Lagern
ausgelöst. Der nordirische Friedensprozess wäre ohne ihn nicht möglich
gewesen. McGuinness und DUP-Gründer Ian Paisley, die zutiefst verfeindet
waren und nach Abschluss der Verhandlungen 2007 gemeinsam eine Regierung
führen mussten, wurden zum Symbol des nordirischen Friedensprozesses, weil
man sie danach oft fröhlich kichernd zusammensitzen sah.
Als Kommandant der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) in Derry Anfang der
siebziger Jahre hatte McGuinness bei der Basis genügend Pluspunkte
gesammelt, so dass ihm die notwendigen Kompromisse mit den
protestantisch-unionistischen Parteien nicht als Verrat ausgelegt wurden.
## Viele Kompromisse
Und es gab viele Kompromisse – der wichtigste war die offizielle
Anerkennung, dass ein vereinigtes Irland nur mit Zustimmung des
protestantischen Bevölkerungsteils möglich sei.
Die irische Vereinigung war auch das Thema einer Sinn-Féin-Konferenz am
Wochenende. Es war das erste Mal seit Jahrzehnten, dass McGuinness einer
solchen Konferenz ferngeblieben ist. Parteipräsident Gerry Adams las zur
Eröffnung eine Erklärung von ihm vor. Es täte ihm leid, dieses Ereignis
verpassen zu müssen, aber er sei im Geiste dabei: „Ich habe mein ganzes
Leben für ein vereinigtes Irland gekämpft, und ich habe nicht vor, in
absehbarer Zeit damit aufzuhören“, heißt es darin.
Seine Nachfolgerin wird Michelle O’Neill, die von Adams vorgeschlagen
worden ist. Sie ist vor zwei Wochen 40 Jahre alt geworden. 2005 hatte sie
nach dem Tod ihres Vaters bei der Nachwahl dessen Sitz als
Bezirksverordnete in Dungannon gewonnen, zwei Jahre zog sie ins Belfaster
Regionalparlament ein.
2011 wurde sie Landwirtschaftsministerin, seit dem vergangenen Jahr ist sie
Gesundheitsministerin. Ihre erste Amtshandlung war es, das Blutspendeverbot
für Schwule aufzuheben, das von ihren DUP-Vorgängern regelmäßig erneuert
worden war.
Die Amtsübergabe an O’Neill ist der erste Schritt eines Generationswechsels
bei Sinn Féin. Adams wird in absehbarer Zeit ebenfalls zurücktreten, auch
ihm dürfte dann wohl eine Frau nachfolgen: die stellvertretende
Parteichefin Mary Lou McDonald. Adams sagte auf der Konferenz am
Wochenende, die Gleichberechtigung sei unabdingbare Voraussetzung für ein
vereinigtes Irland.
23 Jan 2017
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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Irland
Schwerpunkt Abtreibung
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Reiseland Großbritannien
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