# taz.de -- Regierungskrise in Irland: Ein Stück wie aus dem Tollhaus | |
> Die eigene Partei hat Irlands Premier Kenny zum Abschuss freigegeben. Er | |
> stolperte über eine Polizeiaffäre um einen Whistleblower. | |
Bild: Wenn Kenny stürzt, sind Neuwahlen wohl unausweichlich | |
Dublin taz | Irlands Parlament hat der Minderheitsregierung von Premier | |
Enda Kenny am Mittwochabend mit 57 zu 52 Stimmen das Vertrauen | |
ausgesprochen. Seine eigene Partei Fine Gael sprach Kenny hingegen das | |
Misstrauen aus: Falls er nicht freiwillig ein Datum für seinen Rücktritt | |
festlege, werde man nächste Woche Wahlen für die Parteiführung anberaumen. | |
Vor seinem Sturz darf er wohl noch zum irischen Nationalfeiertag, dem St. | |
Patrick’s Day am 17. März, zu Donald Trump nach Washington reisen. | |
Kenny ist die Affäre um einen Whistleblower in der irischen Polizei zum | |
Verhängnis geworden. Polizei-Sergeant Maurice McCabe hatte 2012 enthüllt, | |
dass Prominente von Strafpunkten in der Verkehrssünderkartei verschont | |
blieben. Eine interne Untersuchung ergab, dass „möglicherweise die Regeln | |
in Bezug auf Strafpunkte verletzt worden“ seien. Ein Straftatbestand liege | |
aber nicht vor. | |
Kurz darauf wurde McCabe des Kindesmissbrauchs beschuldigt. Die für den | |
Schutz von Kindern zuständige Behörde eröffnete eine Untersuchung, musste | |
aber später einräumen, dass sie einer Verleumdungskampagne aufgesessen war. | |
Dennoch wurde das Verfahren erst im vergangenen Juni eingestellt. | |
Die Regierung behauptete, weder von der Verleumdungskampagne noch von den | |
Behördenfehlern gewusst zu haben. Er habe erst aus dem Fernsehen davon | |
erfahren, sagte Kenny, verstrickte sich jedoch in Widersprüche: So gab er | |
an, dass er danach mit der für Kinder zuständigen Ministerin Katherine | |
Zappone über McCabe beraten habe, doch ein solches Treffen gab es nie. | |
Für die Gruppe der parteilosen Abgeordneten, die Kennys | |
Minderheitsregierung bisher gestützt hat, war der Bogen damit überspannt. | |
Zwar stimmten sie am Mittwoch für die Regierung, verlangten aber eine | |
internationale Aufsicht für die Polizei. Es gibt bereits drei Gremien, die | |
die Polizeiarbeit überwachen, aber die McCabe-Affäre haben sie nicht | |
verhindert. | |
## Ein Tribunal, um Zeit zu gewinnen | |
Der in die Enge getriebene Kenny leitete ein Tribunal ein, was irische | |
Regierungen stets tun, um Zeit zu gewinnen. Diese Tribunale dauern in der | |
Regel fünf bis zehn Jahre und kosten zwischen 50 und 160 Millionen Euro | |
Steuergelder. Die Ergebnisse haben keinerlei rechtliche Auswirkungen, | |
bestraft wurde noch nie jemand. | |
Wenn Kenny stürzt, sind Neuwahlen wohl unausweichlich. Dann gibt es auch | |
einen Regierungswechsel. Fianna Fáil, die Oppositionspartei, die Fine | |
Gaels Minderheitsregierung bisher duldete, hat bei Umfragen 8 Prozent | |
Vorsprung. Der Zeitpunkt für eine Regierungskrise ist denkbar ungünstig, | |
verhandelt man doch derzeit mit London, um die Folgen des Brexit für Irland | |
abzumildern und die Schließung der inneririschen Grenze zu verhindern. | |
Ein Machtwechsel würde freilich nichts ändern: Beide Parteien gehören dem | |
konservativen Lager an, ihre Politik unterscheidet sich nur in Nuancen. | |
Dass zwei identische Parteien existieren, hat historische Gründe: Die einen | |
kämpften im Bürgerkrieg vor hundert Jahren für den Friedensvertrag mit | |
Großbritannien, der die Teilung der Insel besiegelte, die anderen kämpften | |
dagegen. | |
16 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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