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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Cousinen des Kellners
> Irish Pubs bilden eine sehr eigene Welt. In denen man die merkwürdigsten
> Momente erleben und den seltsamsten Schnurren lauschen kann.
Ich bin kein großer Freund des Dunkelbieres, und irischer Folk ist für mich
eher ein Holzweg der Musikgeschichte. Deshalb verkehre ich nur selten in
Irish Pubs. Obwohl ich dort einige der merkwürdigsten Momente erlebt habe,
denn in den whiskeyvernebelten Flunkerbuden wird einem gern das Blaue oder
besser Grüne vom Himmel erzählt.
Einmal saß ich irgendwo im Westen Irlands an der Theke zwischen mehreren
Männern, die auf einen Bildschirm starrten, wo in einer Fernsehserie
mehrere Männer an einer Theke saßen und auf einen Bildschirm starrten . . .
– so müssen sich russische Matrjoschka-Puppen fühlen, wenn aus ihrem
Innersten ihre Wiedergänger zum Vorschein kommen.
Ein Pub-Besuch gehört zum absoluten Muss jeder Irland-Reise, und so war es
umso erschreckender, als ich im vorigen Jahr bei meinem bisher letzten
Abstecher auf die Grüne Insel am Tag des Rückflugs feststellen musste, dass
ich aus Termingründen kein einziges Pint in einem Pub zu mir genommen
hatte. Das musste dringend nachgeholt werden!
Eine Gelegenheit ergab sich im Berliner Süden, wo ich seit Jahren an einem
Irish Pub vorbeikam, den ich bislang ignoriert hatte – das Celtic Cottage.
Auf der einladenden Terrasse konnte ich bald seltsame Vorgänge beobachten.
Dauernd kamen neue Frauen herein, begrüßten und umarmten innig den
freundlichen Kellner. Nach der fünften jungen Dame begann ich zu zählen und
kam auf sage und schreibe siebzehn, die alle demselben Ritual folgten und
den mit dem milden Charme eines sanften Bären ausgestatteten blonden
Knuddelmann an sich drückten.
Ich bestellte den Whiskey der Woche und fragte ihn, ob er Geburtstag habe
und das Weibsvolk ihn deshalb umturtele. „Nein, das sind alles meine
Cousinen“, lächelte der Kosebär versonnen und erinnerte schon sehr an einen
Berliner Iren, den ich sofort kontaktierte. Unser Irland-Korrespondent
kannte schließlich jeden Irish Pub zwischen Peking und New York. Mal
lauschen, was Ralf Sotscheck über das Celtic Cottage in Berlin-Steglitz
gehört hatte. Aber was heißt hier „gehört“? Das Lokal hatte ihm einmal
gehört!
Das jedenfalls behauptete der kugelige Korrespondent am Telefon. Ende der
achtziger Jahre sei der verwinkelte Laden noch ein Puff gewesen. An den
Wänden hätten abwaschbare Alufolien geklebt, und in jedem Raum habe ein
Waschbecken auf Schwanzhöhe gehangen. Ihm aber sei der Vorbesitzer zu
windig erschienen, weshalb er gleich wieder aus dem Vertrag ausgestiegen
sei, obwohl er bei den Renovierungsarbeiten bereits sämtliche Folien
abgekratzt hätte. Sonst wäre er wohl noch heute Besitzer dieser Pinte.
Mag man diese Schnurre glauben? Oder ist sie ein typisches Produkt irischer
Fantasterei? Und was hat es mit den geheimnisvollen Cousinen des Kellners
auf sich? Gibt es eine Art sexuellen Geist, der seit den Zeiten des
Alupuffs im Celtic Cottage sein Unwesen treibt? Fragen über Fragen, die der
Antworten harren. Demnächst im Irish Pub meines Vertrauens.
20 Jan 2017
## AUTOREN
Michael Ringel
## TAGS
Theresa May
Wahrheitklub
Irland
SPD
Lyrik
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