# taz.de -- Die Wahrheit: Dem Würselen völlig verfallen | |
> Eine parteiliche Suchtgeschichte: die verheerenden Drogenabhängigkeiten | |
> der SPD-Vorsitzenden und die menschlichen wie politischen Folgen. | |
Bild: Ein ganz normaler Rauschabend in einem SPD-Ortsverein | |
Zwischen Willy Brandt und Martin Schulz als Parteivorsitzende der SPD | |
liegen exakt dreißig Jahre. Der eine war klassischer, der andere ist | |
trockener Alkoholiker. Auch der neue Spitzenmann hat lange Jahre mit der | |
Flasche am Hals verbracht, sie dann aber endgültig fallenlassen. Noch jeder | |
der Sozen-Granden musste sich mit einer Privatdroge von den Untiefen seines | |
Vereins ablenken. Offenbar reicht die Droge Macht nicht aus, um die brutale | |
Plage von Partei auszuhalten – wie ein Blick in die moderne Suchtgeschichte | |
der sozialdemokratischen Parteichefs zeigt. | |
Willy Brandt wurde nicht umsonst „Cognac-Willy“ genannt. Sein Motto „Wand… | |
durch Annäherung“ setzte er konsequent um, indem er mit der Flasche unterm | |
Arm den russischen Bären heimsuchte und niedertrank, der verblüfft ob der | |
Trinkfestigkeit des westdeutschen Kanzlers alle politischen Viere von sich | |
streckte. | |
Helmut Schmidt war zwar nie Parteiführer, aber extremer Kettenraucher. Im | |
Bonner Kanzlerbungalow mussten eigens Nebelhörner installiert werden, um | |
den Hamburger Hauptmann der Reserve wiederzufinden, wenn er im heißen | |
Herbst eine seiner berüchtigten Nebelkerzen gezündet hatte. | |
Brandts Nachfolger Hans-Jochen Vogel war aktensüchtig, sein Kampfname | |
„Aktenfresser“. Zum Leidwesen seiner Frau nahm der Münchner die prall | |
gefüllten grauen Ordner sogar nachts mit ins Bett und verlustierte sich an | |
ihnen. | |
Björn Engholm gilt noch immer als größte Pfeife der SPD. Der Kieler zog | |
täglich eine Dosis Barscheleien durch, um sich „ein Stück weit“ als „ich | |
sag mal“ Schöngeist mit hohem Laberfaktor präsentieren zu können. | |
Der Wuppertaler Betbruder Johannes Rau war spielsüchtig und kloppte bis zum | |
Umfallen Skat mit seiner zweiten Persönlichkeit, die er nicht abspaltete, | |
sondern durch exzessives Reizen mit sich selbst versöhnte. | |
Der Pfälzer Rudolf Scharping litt an Fallsucht und stürzte ständig in | |
gräfliche Swimmingpools oder vom Rennrad, sodass ihm schließlich zum | |
eigenen Schutz am Kopf ein Fahrradhelm eingepflanzt werden musste. | |
## Anschaffen auf dem Boulevard | |
Oskar Lafontaine erlitt den härtesten Absturz. Der Saarländer verfiel der | |
Verräteritis und musste nach seinem Parteiaustritt auf dem Boulevard | |
anschaffen gehen, wo er in seiner Bild-Kolumne auf „Fremdarbeiter“ schoss. | |
Heute verdingt er sich im Lager rotlackierter Dunkeldeutscher als | |
Wagenknecht. | |
Der Sauerländer Franz Müntefering war einer Nachwuchsgenossin so hörig, | |
dass er gleich zweimal SPD-Chef wurde, um seine Abhängigkeit von dem jungen | |
Parteigemüse ausleben zu können. | |
Der Brandenburger Matthias Platzeck litt als erster Dunkeldeutscher an der | |
Spitze der SPD an massiver Blasssucht und gilt auch wegen der kürzesten | |
Amtszeit als unscheinbarster Vorsitzender aller Zeiten. | |
Der Rheinländer-Pfälzer Kurt Beck kam aus einem Weinland. Mehr muss man | |
nicht sagen. Die sauren Trauben seiner Amtszeit hingen ganz tief. | |
Dem Harzer Käse Sigmar Gabriel wurde das Essen schon früh in die Wiege | |
gelegt. Als Parteichef platzte der Dicke schließlich aus allen Nähten, | |
obwohl ihm vorsorglich der halbe Magen entfernt worden war. Es nützte | |
nichts, der Knall war von Goslar bis Brüssel zu hören. | |
## Das volkstümlich Übliche | |
Auf diese Tradition sollte sich der Mann aus Würselen besinnen und sich | |
wenigstens eine Sucht als Ablenkung zulegen. Allerdings sollte Martin | |
Schulz nicht das volkstümlich Übliche wählen: keine Drogen oder Schokolade, | |
kein Tabak oder Sex, auch Spiel-, Kauf- oder Fernsehseriensucht sind nicht | |
zu empfehlen. | |
Gibt es eigentlich schon das „Würselen“ als Tätigkeit? Je öfter man das | |
putzige Wort ausspricht, desto süchtiger wird man danach. Wir jedenfalls | |
sind dem Würselen längst völlig verfallen. | |
27 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Michael Ringel | |
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