| # taz.de -- Kommentar Zukunft der SPD: Selber Schulz? | |
| > Neue Umfragen lassen die SPD hoffen. Der Blick auf vergangene Wahlen | |
| > zeigt aber: Vor Übermut wie Ausschließeritis sollte sie sich hüten. | |
| Bild: Wo geht es lang für Deutschlands älteste demokratische Partei? | |
| Der Jubel in der Partei ist groß: Am Sonntag wird der SPD-Vorstand Martin | |
| Schulz offiziell zum neuen sozialdemokratischen Glücksbringer küren. Der | |
| bisherige Europapolitiker, so wunderbar unbelastet vom trüben | |
| großkoalitionären Alltagsgeschäft, soll die Partei wieder in lichte Höhen | |
| führen. | |
| Das Lebensschicksal „der hart arbeitenden Menschen in diesem Land, die sich | |
| an die Regeln halten“, will er zum Leitmotiv der SPD machen. Damit | |
| adaptiert Schulz eine zentrale Parole aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf | |
| Bill Clintons von 1992: „I want a country where people who work hard and | |
| play by the rules are rewarded, not punished.“ Ob Schulz damit ebenso | |
| erfolgreich sein kann? | |
| Der designierte SPD-Kanzlerkanidat postuliert, seine Partei wolle wieder | |
| „stärkste Kraft“ werden und „das Land führen“. Euphorisch feiern die | |
| GenossInnen ihn dafür. Die Aufbruchstimmung ist keine gespielte. Doch die | |
| SPD sollte sich nicht [1][von den hochfliegenden Startumfragen] blenden | |
| lassen. Die hatten auch schon andere, die dann am Wahltag unsanft landeten. | |
| Nur wenn sich in den kommenden Monaten tatsächlich der Abstand zur derzeit | |
| noch weit vorn liegenden Union signifikant verringert, erhält sich die | |
| mobilisierende Wirkung solcher Großmäuligkeit. Sobald die Werte stagnieren, | |
| wirkt ein solcher Anspruch schnell nur noch lächerlich. | |
| ## Ein alter Fehler | |
| Auch seine Vorgänger als SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier und | |
| Peer Steinbrück hatten sich 2009 und 2013 siegesgewiss gegeben – nur nahm | |
| es ihnen niemand ab. Durch die kategorische Ablehnung einer Koalition mit | |
| der Linkspartei erschien ihr vermeintliches Ringen um die Kanzlerschaft | |
| völlig unrealistisch. | |
| Ein alter Fehler: Schon 1987 hatte sich Johannes Rau selbst zum | |
| aussichtslosen Zählkandidaten degradiert, als er ein Bündnis mit den Grünen | |
| definitiv ausschloss und die aberwitzige Behauptung aufstellte, die SPD | |
| könne die Rückkehr an die Macht „aus eigener Kraft“ schaffen. Helmut Kohl | |
| konnte sich die Hände reiben, später dann Angela Merkel. | |
| Von solch demobilisierender Ausschließeritis hat sich die SPD inzwischen | |
| immerhin verabschiedet. Stattdessen will Schulz nun [2][„in welcher | |
| Konstellation auch immer“] Kanzler werden. Seine Chancen werden sich | |
| allerdings nur erhöhen, wenn es ihm gelingt, keinen Zweifel aufkommen zu | |
| lassen, dass die SPD nicht letztlich doch nur wieder in der Großen | |
| Koalition mit einer Unionskanzlerin landet. Das wird schwer angesichts des | |
| großen Vorsprungs der Union vor der SPD und der schlechten Umfragewerte für | |
| Rot-Rot-Grün. | |
| ## Sozialer, aber nicht gerechter | |
| Schulz hat angekündigt, dass er neben der Bekämpfung des europaweit | |
| erstarkenden Rechtspopulismus die soziale Gerechtigkeit zu seinem | |
| Schwerpunkt im Wahlkampf machen will. Das liegt ganz auf der Linie des | |
| Noch-Parteichefs Sigmar Gabriel. Der gravierende Unterschied ist, dass | |
| Schulz nicht durch die schwarz-rote Regierungsarbeit kontaminiert ist. Er | |
| kann die alten sozialdemokratischen Werte glaubhafter propagieren als ein | |
| SPD-Minister, dessen kapitalfreundliche Praxis die hehren Ansprüche doch | |
| allzu oft demontierte. | |
| Die Glaubwürdigkeit wird entscheidend sein für Schulz’ Erfolg. Ihr Fehlen | |
| insbesondere in der Frage der sozialen Gerechtigkeit ist seit der Agenda | |
| 2010 der zentrale Malus der SPD. Anders als nach der ersten Großen | |
| Koalition Merkels fällt diesmal die Bilanz für die SPD zwar nicht völlig | |
| verheerend aus. Das Beispiel Mindestlohn zeigt: In den vergangenen Jahren | |
| ist das Land tatsächlich etwas sozialer geworden – aber nicht gerechter. Im | |
| Gegenteil: Die Kluft zwischen Arm und Reich ist trotz guter Konjunktur | |
| gewachsen. | |
| Wer das ändern will, muss Vorschläge für eine Umverteilung | |
| gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten machen. Schöne | |
| Allgemeinplätze fürs sozialdemokratische Poesiealbum reichen nicht. Ob | |
| Schulz dazu den Mut hat? Und falls ja: Werden ihm die WählerInnen glauben, | |
| dass er es ernst meint? | |
| 29 Jan 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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