# taz.de -- Osteuropa-Expert:innen über Frieden in Ukraine: „Regimewechsel i… | |
> Putin ist ein Gefangener der neoimperialen Idee, sagen Gwendolyn Sasse | |
> und Jörg Baberowski. Ein Streitgespräch über die Einflussmöglichkeiten | |
> des Westens. | |
Bild: Versammelte Osteuropa-Expertise: Gwendolyn Sasse und Jörg Baberowski bei… | |
taz: Frau Sasse, Herr Baberowski, was haben Sie am 24. Februar 2022 | |
gedacht? | |
Gwendolyn Sasse: Ich war über das Ausmaß der Invasion erstaunt. [1][Putin | |
hatte ja am 21. Februar eine Rede gehalten], die klar machte, dass eine | |
Eskalation bevorsteht. Aber Luftangriffe auf Städte in der gesamten Ukraine | |
– das konnte ich mir schwer vorstellen. | |
Jörg Baberowski: Ich war an diesem Tag wie gelähmt. Ich hatte den Angriff | |
für unmöglich gehalten. Putin erschien mir immer als kühler Machttaktiker. | |
Ich hatte mich getäuscht. | |
Viele erwarteten im März 2022, dass Putin die Unterstützung in Russland | |
bald verliert. | |
Baberowski: Ja, auch in dieser Frage habe ich mich getäuscht. Das Regime | |
öffnete die Grenzen, Hunderttausende verließen Russland. Das war ein | |
geschickter Zug, um die Opposition zu schwächen – alle, die nicht | |
einverstanden waren, sind gegangen. | |
Sasse: Es gab Anfang März durchaus beeindruckende Proteste, die radikal | |
niedergeschlagen wurden. Russland ist ein autoritäres System mit einer | |
atomisierten Gesellschaft. Der Wandel wird nicht aus der Mitte der | |
Gesellschaft kommen. Wenn in Russland etwas aufbricht, wird das in den | |
Eliten passieren, im Militär oder im Sicherheitsapparat, dem die | |
Kriegskosten – Menschenleben und wirtschaftliche Probleme – zu hoch | |
erscheinen. | |
Baberowski: Einverstanden. Aber auch von der Elite sollte man sich nicht zu | |
viel erhoffen. Wenn der Krieg verloren geht, wird Putin möglicherweise | |
durch jemanden ersetzt, der noch härter und rücksichtsloser ist als er | |
selbst. Mein Vertrauen darauf, dass liberale Eliten es besser machen | |
werden, ist gering. | |
Sasse: Nicht liberaler, vielleicht sogar noch autoritärer, aber | |
möglicherweise pragmatischer im Kostenkalkül. | |
Welchen Charakter hat dieser Krieg: Ist das ein Konflikt zwischen | |
Demokratie und Diktatur? Oder ein Krieg zwischen zwei oligarchischen | |
Systemen? | |
Sasse: Das ist kein Krieg zwischen zwei oligarchischen Systemen, sondern | |
einer zwischen politischen Ordnungen. Ein wesentlicher Grund für den | |
russischen Angriff ist, dass die Ukraine ein demokratisches oder doch ein | |
sich demokratisierendes System ist. Das bedeutet eine Gefahr für das Regime | |
in Russland. Deshalb hat Putin zu diesem extremen Mittel gegriffen. Dazu | |
gehört die neoimperiale Machtprojektion. Beides ist untrennbar miteinander | |
verbunden. | |
Also Diktatur versus Demokratie, Herr Baberowski? | |
Baberowski: Ich sehe es etwas anders. Dieser Krieg kommt aus dem Gegensatz | |
zwischen Imperium und Nationalstaat. Die Ukraine darf in Putins | |
neoimperialer Perspektive nicht selbstständig sein, weil er sie als Teil | |
des verloren gegangenen Imperiums versteht. Putin ist ein Gefangener dieser | |
Idee, und er glaubte zu Beginn des Kriegs, dass die Ukrainer nur darauf | |
warteten, in das Imperium zurückzukehren. Das ist auch eine Frage der | |
Generation. Putin und seine Gefolgsleute sind Sowjetmenschen, die mit der | |
imperialen Idee aufgewachsen sind. Die meisten prominenten ukrainischen | |
Politiker sind jünger, haben andere Erfahrungen gemacht. | |
Sasse: Ich halte „Diktatur versus Demokratie“ und „Imperium versus | |
Nationalstaat“ nicht für Gegensätze, sondern für zwei Seiten des Gleichen. | |
Die Ukraine hat 1991 die Unabhängigkeit gewählt und sich bewusst vom | |
Imperium entfernt. Russland kann das als Kolonialmacht nicht zulassen. | |
Baberowski: Sergei Witte, Premierminister des Zaren Nikolaus II., schrieb | |
in seinen Erinnerungen: Russlands Dilemma sei, dass es nicht Nation, | |
sondern nur Imperium sein könne. Solange Russland Imperium sei, müsse es | |
Integrationsleistungen erbringen, die seine Kräfte überstiegen. Darin sah | |
Witte die Wurzel der Gewalt. Auch die russländische Föderation der | |
Gegenwart ist ein Imperium, will und kann Nationalstaat nicht sein, weil | |
sich seine politischen Eliten als Nachlassverwalter der Sowjetunion sehen. | |
Russland muss sich vom Imperium verabschieden, so wie die Republiken der | |
ehemaligen Sowjetunion sich von seiner Verteufelung verabschieden müssen. | |
Erst wenn beide Seiten die Geschichte ruhen lassen können, eröffnet sich | |
ein Weg ins Freie. | |
Olexi Danilow, Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats | |
der Ukraine, fordert: „Der wahre Sieg der Ukraine ist der Zerfall | |
Russlands, sein Verschwinden als kohärentes Subjekt der Geschichte und | |
Politik.“ Ist das ein legitimes Kriegsziel? | |
Sasse: Von ukrainischer Seite ist das eine legitime Formulierung. | |
Allerdings ist es kein realistisches Szenario. Russland wird als Akteur | |
nicht von der Landkarte verschwinden. In Mittel- und Osteuropa glauben | |
manche, dass die russländische Föderation in Teile zerbrechen sollte. Aber | |
der Westen teilt dieses Ziel nicht. Russland kann sich verändern, Teile | |
könnten sich abspalten. Aber das kann man von außen nicht beeinflussen. Ein | |
Paradox dieses Krieges ist: Er sollte Russland stärken – und jetzt gerät | |
sogar sein Zerfall in den Bereich des Vorstellbaren. | |
Baberowski: Danilow formuliert ein Maximalziel. Er weiß selbst, dass es | |
unerreichbar ist. Dieser Krieg wird irgendwann zu Ende gehen, und die | |
Gegner von einst werden Nachbarn bleiben. Ein unkontrollierter, gewaltsamer | |
Zerfall Russlands ist nicht im Interesse Europas, auch nicht im Interesse | |
der Ukraine. Ich mag mir nicht ausmalen, was geschehen könnte, wenn | |
Russland zerbräche, Warlords regierten, wenn interethnische Konflikte | |
ausbrächen, Aserbaidschan und Armenien sich wieder in einen blutigen Krieg | |
verwickelten oder Dagestan zerfiele. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass | |
sich Russland von innen verändert. | |
Wie empfinden Sie die deutsche Debatte über den Krieg? | |
Baberowski: Mich verstört das patriotische Geschrei, das Lob des Krieges, | |
das in Deutschland wieder angestimmt wird. Die Wehrdienstverweigerer und | |
Pazifisten von gestern sprechen von Völkern, tapferen Männern, schwenken | |
Fahnen. Ich mag mich an diese Sprache nicht gewöhnen. | |
Sasse: Übertriebenen Patriotismus sehe ich in Deutschland nicht. Westliche | |
Akteure wägen jeden Schritt lange ab. Es kann keine Rede davon sein, dass | |
Regierungen wie im Ersten Weltkrieg wie Schlafwandler in einen Krieg | |
taumeln. Die deutsche Gesellschaft, hat erstaunlich empathisch auf diesen | |
Krieg reagiert. Die Ukraine hat auf der mentalen Landkarte der Deutschen ja | |
zuvor gar nicht existiert. | |
Im Westen denken einige, dass Russland den Krieg verlieren muss, bevor – | |
wie mehrfach in der russischen Geschichte – ein Regime Changefolgen kann. | |
Ist das eine gute Idee? | |
Baberowski:Nicht jeder Regimewechsel bewirkt, was man sich von ihm | |
verspricht. Der Zerfall des Zarenreichs führte in den Bürgerkrieg, dem zehn | |
Millionen Menschen zum Opfer fielen, und er war der Geburtsort der | |
bolschewistischen Diktatur. In den 1990er Jahren gab es zwar Anarchie, | |
Kriminalität und Armut, aber auch den Versuch, den Wandel auf friedliche | |
Weise zu bewältigen; es gab eine mehr oder weniger freie Presse, einen | |
gewaltfreien Kommunikationsprozess zwischen dem Zentrum und der Peripherie. | |
Es kommt darauf an, eine Situation herzustellen, in der sich solcher Wandel | |
friedlich vollziehen kann. | |
Sasse: Es ist falsch, einen Regime Change in Russland jetzt als Kriegsziel | |
zu definieren. Es geht darum, die Ukraine mit westlicher Unterstützung in | |
die Lage zu versetzen, dass sie verhandeln kann. Die Debatte über einen | |
Regimewechsel in Russland lenkt davon nur ab. | |
Was ist das Kriegsziel – die Grenze vom 23. Februar 2022 oder die | |
Rückeroberung der Krim? | |
Baberowski: Die Ukraine will alle Gebiete zurückerobern, die seit 2014 | |
annektiert worden sind. Das ist ein legitimes Kriegsziel. Die | |
[2][Rückeroberung der Krim] aber würde zu ethnischen Säuberungen und | |
bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen. Russland würde es als Angriff auf | |
eigenes Territorium verstehen. Die westlichen Regierungen sollten dieses | |
Ziel nicht unterstützen, sondern Waffenlieferungen mit der Bedingung | |
verknüpfen, von Maximalforderungen abzurücken. | |
Und die Krim verloren geben? | |
Baberowski: Nicht unbedingt. Warum soll im Frieden nicht möglich sein, dass | |
sich die politischen Verhältnisse ändern? Man kann im Frieden vielleicht | |
erreichen, was jetzt nur mit großen Opfern möglich wäre. | |
Sasse: Diese Frage stellt sich momentan doch gar nicht. Wir müssen vielmehr | |
daran erinnern, dass die ukrainische Seite nur Wochen nach dem 24. Februar | |
sehr viel angeboten hat: Neutralität, Rückkehr zu den Grenzen des 23. | |
Februar, die Krim sollte für 15 Jahre bleiben, wie sie ist, um dann erst | |
darüber zu entscheiden. Das hat Moskau vom Tisch gewischt. Ich finde es | |
völlig verständlich, dass weder Selenskyj noch die ukrainische Gesellschaft | |
derzeit territoriale Konzessionen mittragen wollen. | |
Also gibt der Westen Kyjiw freie Hand? | |
Sasse: Die ukrainische Regierung hat die Ansätze zu Verhandlungen mehrfach | |
dynamisch an das Kriegsgeschehen angepasst. Wir wissen nicht, wie der Krieg | |
weitergeht. Jetzt schon zu fixieren, was man der Ukraine alles verbieten | |
will, halte ich für falsch. Worüber man am Ende verhandelt, wird sich | |
vielleicht in den nächsten Monaten zeigen. | |
Baberowski: Wir können diese Frage nicht nur moralisch beantworten, wir | |
müssen mit ihr auch verantwortungsethisch umgehen. Der Krieg sollte so | |
schnell wie möglich enden, Verhandlungen sollten so schnell wie möglich | |
beginnen. Wir müssen uns vergegenwärtigen, was es bedeutet, sollte sich der | |
Krieg noch um zwei oder drei Jahre fortsetzen. Eine ganze Generation von | |
Männern wird auf den Schlachtfeldern zurückbleiben. Der Krieg verändert | |
alle sozialen Beziehungen zwischen Menschen, er verändert das Leben | |
fundamental. Nichts wird mehr sein wie zuvor, Millionen werden | |
traumatisiert sein. Das kann auch nicht im Interesse der Ukraine sein. | |
Sasse: Zur Verantwortungsethik gehört auch: Warum fragen wir immer, was die | |
Ukraine aufgeben muss, welche Territorien sie nicht zurückfordern soll? Ich | |
weiß nicht, wie der Krieg weitergeht, und maße mir nicht an, der Ukraine | |
vorzuschreiben, auf welche Gebiete sie verzichten muss. In all den | |
Manifesten für Frieden findet sich kein Wort dazu, wie man denn Putin dazu | |
bewegt, zu verhandeln. Die Forderungen werden nur an die Ukraine | |
adressiert. Das ist einseitig. | |
Baberowski: Wir adressieren die Seite, auf die wir Einfluss haben. | |
Sasse: Aber zur Verantwortungsethik gehört ein realistisches Bild von den | |
Gebieten, auf die die Ukraine verzichten soll. Auf der Krim herrscht seit | |
2014 ein repressives System, das nicht zu einer Befriedung geführt hat. Das | |
Gleiche gilt für [3][die besetzten Teilen des Donbass und die von Russland | |
2022 okkupierten Gebiete]. Es ist problematisch, diese einfach | |
auszuklammern. | |
Baberowski: Das stelle ich nicht in Abrede. Aber: Wenn der Krieg länger | |
dauert, wenn es in der Ukraine zu Versorgungsengpässen kommt, die Zahl der | |
Toten und Versehrten ins Unermessliche steigt, dann muss man sich fragen: | |
Ist es diesen Preis wert? Kann man diese Opfer verantworten, wenn am Ende | |
niemand siegen wird? Russlands Regime profitiert von diesem Krieg, weil es | |
ihn nutzt, um seine Macht im Inneren auszuweiten. Unter Friedensbedingungen | |
sind vielleicht auch die Möglichkeiten, Widerstand zu leisten, größer als | |
im Krieg. Auch in der Ukraine wird der Moment kommen, an dem sich manche | |
fragen: Lohnt es sich, diesen Krieg um jeden Preis fortzusetzen? | |
Sasse: Das Ziel der westlichen Unterstützung ist es, die Kalkulation der | |
russischen Seite zu beeinflussen. Dieses Frühjahr wird entscheidend werden. | |
Dann gibt es dank westlicher Waffenlieferungen immerhin die Möglichkeit, | |
okkupierte Gebiete zurückzuerobern – und die russische Seite muss | |
reagieren. Die Annahme, dass Russland selbstverständlich über mehr | |
Ressourcen an Menschen und Material verfügt, ist erschüttert. Russland | |
verbraucht schon jetzt enorm viel Ressourcen, hat hohe Kosten und kommt | |
militärisch trotzdem nicht vorwärts. Wir reden nicht über Jahre, sondern | |
über einen absehbaren, planbaren Zeitrahmen. Jetzt all dem vorzugreifen und | |
von außen zu sagen: „Es reicht, jetzt sind die Kosten zu hoch“, erscheint | |
mir willkürlich. | |
Baberowski: Russland hat seine Wirtschaft auf den Krieg ausgerichtet. Sie | |
produziert in großer Zahl Panzer und Raketen, während die Ukraine | |
Schwierigkeiten hat, ihren Nachschub an Munition zu organisieren und die | |
Besatzungen für die Panzer auszubilden, die sie aus dem Westen erhalten | |
hat. Es spricht daher viel für einen langwierigen Zermürbungskrieg. In der | |
russischen Kultur des Krieges werden Strategie und Taktik durch Material | |
und Masse, Rücksichtslosigkeit und Terror kompensiert. Ich fürchte, dass es | |
nun wieder so sein wird. | |
Manche glauben, dass die Ukraine durch den Befreiungskrieg zur Nation wird. | |
Ist das so? | |
Sasse: Nein, ich finde dieses Narrativ problematisch. Die Ukraine war schon | |
vor dem Krieg eine Nation. Es gab zentrale Momente der Nationwerdung wie | |
die Massenmobilisierung durch die Orange Revolution 2004, den Euromaidan | |
2013, den Kampf gegen Korruption und für Rechtsstaatlichkeit. Diese | |
Bewegungen waren nicht nur auf Kyjiw oder die Westukraine beschränkt. Diese | |
Nationwerdung ist von außen übersehen worden. Man hat von außen auch die | |
ethnische, sprachliche, regionale Diversität überschätzt. Die Ukraine | |
konstituiert sich als Staatsnation nicht erst jetzt – aber sie wird durch | |
den Krieg gestärkt. | |
Baberowski: Nationen entstehen nicht in den Schützengräben, sondern in | |
Zeitungsredaktionen. Wer in der Schlacht gewesen ist, findet an den | |
Heldengeschichten gewöhnlich selten Gefallen. | |
Sasse: Ich sehe in der Ukraine keine Heroisierung des Krieges. Die Ukraine | |
ist als Staat und Nation kein Produkt dieses Krieges. Vielmehr leisten nur | |
deshalb so viele militärischen und zivilen Widerstand, weil es die | |
Identifikation der Gesellschaft mit der Nation schon gab. Nur deshalb | |
funktioniert die Mobilisierung im Krieg. Denn es geht um die Existenz der | |
unabhängigen ukrainischen Nation. | |
Baberowski: Einverstanden. Die Einigung der Ukraine hat sich vor dem Krieg | |
ereignet. Aber ich bin dennoch pessimistisch. Denn ein langer Krieg wird | |
die ukrainische Gesellschaft verändern. Die Gewalt des Krieges wird nicht | |
jene treffen, die über ihn schreiben, sondern jene, die ihn erleiden. Ich | |
denke an die Afghanistankämpfer in der Sowjetunion, die mit amputierten | |
Beinen auf Skateboards durch Moskau rollten. Wir vergessen, was der Krieg | |
in den Seelen und Körpern von Menschen anrichtet. | |
Selenskyj hat verkündet, es gebe so gut wie keine Korruption mehr in der | |
Ukraine. Wenn man sich den Bericht des Europäischen Rechnungshofs von 2021 | |
anschaut, ist das eine überraschende Ansage. Sogar im | |
Verteidigungsministerium gab es kürzlich Korruption. | |
Sasse: Selenskyj und sein Apparat haben schnell mit Entlassungen auf die | |
Fälle im Verteidigungsministerium reagiert und so ein starkes Signal | |
gesendet. Nämlich: Das geht nicht, auch nicht, wenn es seine eigenen Leute | |
sind. Dieses schnelle, eindeutige Zeichen war wichtig. | |
Ist das keine zu freundliche Deutung? | |
Sasse: Ich rede Korruption nicht klein. Die gab es, und es wird sie auch | |
beim Wiederaufbau geben. Die EU muss daher Kontrollmechanismen einbauen. | |
Aber ich finde es problematisch, dass in unserem Bild der Ukraine | |
Korruption ein so großes Thema ist – während die vielen | |
zivilgesellschaftlichen Organisationen und das ausgeprägte | |
bürgerschaftliche Engagement darin nicht vorkommen. | |
Baberowski: Die Korruption erscheint nur deshalb als besonders verwerflich, | |
wenn man die Ukraine als demokratischen, europäischen Musterstaat | |
idealisiert. Korruption gibt es auch anderswo. Wir sollten die Ukraine | |
nicht zum Christus der Völker erklären. | |
Sasse: Das tue ich nicht. | |
Baberowski: Natürlich nicht, aber es gibt solche Ansprachen. In Wahrheit | |
geht es in diesem Krieg nicht um Demokratie, nicht um die Verteidigung | |
europäischer Werte, was immer das sein mag, sondern darum, dass die Ukraine | |
ihr Territorium gegen einen Angreifer verteidigt. Je mehr man die Ukraine | |
idealisiert, desto größer werden am Ende die Enttäuschungen sein. Russland | |
wird von einer autoritären Ordnung beherrscht. Und die Ukraine ist eine | |
Demokratie mit vielen Mängeln. Wie könnte es auch anders sein. | |
Sasse: Ja, aber es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen dem | |
russischen und dem ukrainischen System. Russland hat eine atomisierte | |
politische Gesellschaft, die Repressionen ausgesetzt ist. In der Ukraine | |
gibt es gesellschaftliches Engagement für Demokratie und | |
Rechtsstaatlichkeit, das durch die Aussicht auf den EU-Beitritt noch | |
gefördert wird. In der Ukraine ist fast jeder Einzelne am Krieg beteiligt, | |
in Russland versuchen sehr viele wegzuschauen. Größer könnte der Kontrast | |
nicht sein. | |
24 Feb 2023 | |
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