# taz.de -- Personenkontrollen der Bremer Polizei: Stadtweites Quittieren gefor… | |
> Die Bremer Grünen wollen, dass die Polizei bei Personenkontrollen in ganz | |
> Bremen Quittungen ausgibt. Racial-Profiling-Opfer hätten so ein Handhabe. | |
Bild: Waffenkontrolle im Bremer Hauptbahnhof im Jahr 2021: In diesem Fall ist d… | |
HAMBURG taz | Geht es nach den Bremer Grünen, werden Personenkontrollen der | |
Polizei nach der Bürgerschaftswahl in der ganzen Stadt quittiert – und | |
damit transparent gemacht. Die Linke stimmt zu, während die SPD sich | |
skeptisch zeigt. Die rot-grün-rote Landesregierung hatte in ihrem | |
Koalitionsvertrag 2019 festgehalten, dass Personenkontrollen an sogenannten | |
Gefahrenorten nicht mehr anlasslos erfolgen sollen und der Grund der | |
Kontrolle auf Verlangen bescheinigt werden muss. Auch „obligatorische | |
Fortbildungen in interkultureller Kompetenz“ hatten sich die | |
Koalitionär*innen vorgenommen. | |
Besondere Kontrollorte, so die offizielle Bezeichnung für Gefahrenorte in | |
Bremen, dürfen befristet auf maximal neun Monate festgelegt werden. Vor | |
einer Verlängerung muss geprüft werden, ob die Gründe, die zu der | |
Einschätzung geführt haben – also eine erhöhte Anzahl von Straftaten – | |
weiter vorliegen. Derzeit gehören in Bremen der Hauptbahnhof, die | |
Waffenverbotszone in der Bahnhofsvorstadt, das Ostertor- und das | |
Steintor-Viertel und Gröpelingen-Mitte zu den besonderen Kontrollorten. | |
Seit September 2021 ist die Polizei in Bremen verpflichtet, in den | |
genannten Gebieten proaktiv Quittungen für Personenkontrollen anzubieten. | |
In den Quittungen müssen neben einer Vorgangsnummer, dem Datum und dem Ort | |
der Kontrolle auch ein Grund für die Kontrolle und die Dienstnummern der | |
Beamt*innen notiert werden. Damit soll mehr Transparenz geschaffen | |
[1][und Racial Profiling verhindert werden]. | |
Seit dem 1. Juni 2022 ist die Polizei dabei nicht mehr auf Papier und Stift | |
angewiesen, sondern verwendet das eigens zu diesem Zweck entwickelte System | |
„PerKonDo“ – allerdings noch im Testlauf. Die Quittung wird mit Hilfe ein… | |
App erstellt und mit einem mobilen Drucker ausgedruckt. Alternativ kann | |
auch ein QR-Code auf dem Smartphone der Polizist*innen erstellt werden, | |
der von den Kontrollierten gescannt und auf dem eigenen Handy gespeichert | |
werden kann. | |
## Bisher wenige Quittungen angenommen | |
Am Mittwoch hatte die Innenbehörde auf Anfrage der Grünen in der | |
Innendeputation eine Zwischenbilanz gezogen. Die Behörde wertet den | |
Testlauf als „durchweg positiv“ und bezieht sich dabei vor allem auf den | |
„schnellen und arbeitsökonomischen Prozess“ und die intuitiv gestaltete | |
App. Auffällig ist, dass die Quittungen bisher nur von wenigen | |
Kontrollierten angenommen wurden. In den ersten 14 Monaten wurden insgesamt | |
36 Quittungen ausgegeben, davon 23 gedruckte, zwei per QR-Code und elf | |
analoge. | |
Fabian Taute sitzt für die Grünen als Deputierter in der Innendeputation | |
und will auf dem wackeligen Listenplatz 16 im Mai in die Bürgerschaft | |
einziehen. Er fordert, die Regelung mit den Kontrollquittungen auf das | |
ganze Stadtgebiet auszuweiten, seine Partei habe dies bereits als Forderung | |
für das noch nicht veröffentlichte Wahlprogramm beschlossen. | |
Für Taute haben die Quittungen drei Funktionen: [2][Die Polizist*innen | |
seien dazu angehalten zu überlegen, warum sie eigentlich kontrollierten], | |
im Sinne einer bürgernahen Polizei würden sie auch dafür sorgen, dass die | |
Polizei ihre Arbeit besser erklären könne und sie würden Betroffenen von | |
Racial Profiling die Grundlage geben, sich zu beschweren, wenn sie eine | |
große Zahl an Quittungen vorweisen können. Der Grünenpolitiker geht davon | |
aus, dass es Racial Profiling „vereinzelt auch“ in Bremen gibt, und | |
fordert, die vom damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) | |
verhinderte Rassismus-Studie in der Polizei durchzuführen. | |
Für seinen Parteikollegen Mustafa Öztürk, den innenpolitischen Sprecher der | |
Grünen in der Bürgerschaft, geht es auch um Bürger*innenrechte. Er will | |
allen Bürger*innen der Stadt das Recht geben zu fragen: „Warum halten | |
Sie mich denn an?“, auch wenn es sich um eine einfache Fahrradkontrolle | |
handele. | |
Nelson Janßen, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, findet den | |
Vorstoß der Grünen „nachvollziehbar und gut“. „Die niedrige Inanspruchn… | |
der Quittungen stellt das System selber nicht infrage“, sagt Janßen. Es | |
müsse aber überlegt werden, wie die Betroffenen besser über ihre Rechte | |
informiert werden könnten. | |
Der Koalitionspartner SPD sieht die Ausweitung der Kontrollquittungen auf | |
alle Stadtteile „kritisch“, wie ihr innenpolitischer Sprecher Kevin Lenkeit | |
sagte. Für ihn liegt der Sinn der Quittungen vor allem darin, dem „Anschein | |
einer Diskriminierung“ entgegenzuwirken. Bei einfachen Verkehrskontrollen | |
sieht er diese nicht als notwendig an. „Es geht um die rechtliche | |
Absicherung der Polizist*innen; ich bin der festen Überzeugung, dass es | |
kein Racial Profiling bei der Polizei in Bremen und Bremerhaven gibt“, | |
sagte der Sozialdemokrat gegenüber der taz. | |
Mit Verweis auf die notwendigen Investitionen steht auch Innensenator | |
Ulrich Mäurer (SPD) einer Ausweitung des Quittungssystems „skeptisch“ | |
gegenüber. Die Polizei solle davon entlastet werden, „um sich wichtigeren | |
Aufgaben zu widmen“, erklärt Mäurer gegenüber der taz. [3][In einer Sitzung | |
der Innendeputation hatte der Senator laut dem Weser-Kurier „süffisant“ | |
vorgerechnet], dass eine einzelne Quittung angesichts der Gesamtkosten von | |
143.000 Euro etwa 5.700 Euro gekostet habe. | |
Auch Frank Müller, der an der Uni Bremen zur interkulturellen Kompetenz der | |
Bremer Polizei geforscht hat, steht den Quittungen skeptisch gegenüber – | |
allerdings aus einem anderen Grund: „Wenn ich weiß, dass ich eine Quittung | |
ausfüllen muss, dann richte ich mein Verhalten danach aus“, sagt der | |
Ethnologe, der in seiner Forschung auch bei einer Polizeistreife | |
mitgefahren ist. Den Grund für die Kontrolle könne ja niemand überprüfen. | |
„Am Bahnhof kann ich immer sagen, dass da jemand länger gestanden hat“, so | |
der Wissenschaftler | |
In der Vergangenheit hatte es auch in Bremen immer wieder Kritik an der | |
Polizei gegeben. So hatte Anfang 2022 ein Polizist der taz gegenüber anonym | |
gesagt, [4][er schätze, dass 20 bis 30 Prozent seiner Kolleg*innen | |
rassistische Einstellungen hätten und Racial Profiling betreiben würden]. | |
## Auch in Hamburg blockiert die SPD | |
Der Linken-Politiker Deniz Celik sitzt in Hamburg in der Opposition und | |
hört immer wieder Beschwerden über Racial Profiling. Bereits 2020 hatten er | |
und seine Partei die Kontrollquittungen für Hamburg gefordert. Der Antrag | |
war jedoch von der rot-grünen Regierung abgelehnt worden. Celik glaubt, | |
dass die Quittungen präventiv gegen Diskriminierung wirken könnten. Mit der | |
aktuellen Regierung und „vor allem mit der Hamburger SPD“ sei das aber | |
„schwierig umzusetzen“. | |
17 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Strassburger-Urteil-zu-Racial-Profiling/!5889888 | |
[2] /Die-Polizei-und-ihr-Image/!5905401 | |
[3] https://www.weser-kurier.de/bremen/polizeiquittungen-in-bremen-opposition-s… | |
[4] /Vorwuerfe-gegen-Bremer-Polizei/!5825453 | |
## AUTOREN | |
Franziska Betz | |
## TAGS | |
Grüne Bremen | |
Polizei Bremen | |
IG | |
Polizei | |
Bremen | |
Racial Profiling | |
Polizei Hamburg | |
Nancy Faeser | |
Black Lives Matter | |
Hannover | |
Polizei Hamburg | |
Polizei Bremen | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vorwurf des Racial Profiling: Hamburger Polizei crasht den Pudel | |
Die Polizei hielt einen Schwarzen Mitarbeiter des Golden Pudel Clubs für | |
einen Dealer und nahm ihn fest. Zu Unrecht, sagen die Betreiber:innen. | |
Amnesty International rügt Deutschland: Untätig gegen Racial Profiling | |
Diskriminierende Personenkontrollen, harte Versammlungsgesetze: Amnesty | |
kritisiert Deutschland. Die Ampel versucht, dagegenzusteuern. | |
Protest gegen rassistische Gewalt: Parallelen zum Fall George Floyd | |
In Bremen haben Securities der Bahn einen Schwarzen Mann zu Boden gebracht | |
und festgehalten. Ein Bündnis protestiert gegen rassistische Gewalt. | |
Drogen und Obdachlosigkeit in Hannover: Beachfeeling in der Problemzone | |
Hannover versucht das Elend auf den Plätzen hinterm Hauptbahnhof in den | |
Griff zu kriegen – aber das ist zäh. Hängen bleiben am Ende eher die | |
Events. | |
Die Polizei und ihr Image: Wir sind hier nicht bei Paw Patrol | |
Die Hamburger Polizei hält Gangsta-Rap für schuld am schlechten Image der | |
Polizei unter migrantischen Jugendlichen. Ihr eigenes Verhalten nicht. | |
Erinnerung an Bremer Brechmittel-Opfer: Langsam mahlende Gedenk-Mühlen | |
Mit einem Denkmal soll in Bremen an das Brechmittel-Todesopfer Laye Alama | |
Condé erinnert werden. Künstler*innen können nun ihr Interesse bekunden. | |
Vorwürfe gegen Bremer Polizei: „Der Fisch stinkt vom Kopf“ | |
Bremer Polizist:innen werfen ihrer Behörde Rassismus vor. Doch | |
Ermittlungen könnten schwierig werden: Die Angst vor den Kolleg:innen | |
ist groß. |