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# taz.de -- Die Polizei und ihr Image: Wir sind hier nicht bei Paw Patrol
> Die Hamburger Polizei hält Gangsta-Rap für schuld am schlechten Image der
> Polizei unter migrantischen Jugendlichen. Ihr eigenes Verhalten nicht.
Bild: Rassismus als lästiges Imageproblem? Streifenwagen der Polizei Hamburg
Höchstwahrscheinlich bin ich nicht die einzige Person, die seit Silvester
den Kopf in den Sand steckt. Mit größter Mühe versuche ich mich aus der
extrem willkürlichen Debatte über migrantische Krawallmacher rauszuhalten,
meine Zeit und Energie nicht an diese Schleife von aufgewärmten
Integrationsimperativen aus den Neunziger- und Nullerjahren zu vergeuden.
Aber ja, hier bin ich zwei Wochen später und laufe an einem Wahlplakat der
Berliner CDU vorbei, auf dem steht: [1][„Was Kriminelle bald häufiger
hören: Haftbefehl.“]
Man könnte meinen, es sei ein Fortschritt, dass dort nur „Kriminelle“ statt
„Ausländer“ steht, aber im Grunde muss es das gar nicht, denn zusammen mit
den Parolen, die seit Wochen nicht nur, aber besonders aus der CDU dringen,
und der Referenz an den Offenbacher Rapper Haftbefehl, funktioniert die
Botschaft auch so. Quasi das „Ausländer raus“ der bürgerlichen Mitte. Ein
Stück weit will man sich dann doch von Rechtsaußen abgrenzen können.
Den Vogel komplett abgeschossen hat dagegen die Gewerkschaft der Polizei in
Hamburg mit ihrem Positionspapier. Darin geht es um die Angriffe auf
Polizei- und Rettungskräfte an Silvester, an denen neueren Zahlen zufolge
zwar doch nicht mehrheitlich migrantische Jugendliche beteiligt gewesen
sind, wie anfangs behauptet wurde, doch Zahlen sind diesem Positionspapier
eher unwichtig. Lieber zieht die Gewerkschaft darin einen direkten
Zusammenhang zwischen dem Musikgenre Gangsta-Rap und der vermeintlichen
Gewaltbereitschaft unter dessen Zielpublikum, ein Vorwurf, der so alt ist,
wie das Genre selbst, und der nicht nur seltsam aus der Zeit, sondern auch
vom Himmel gefallen scheint, wo es doch eigentlich um ein Böllerverbot
gehen könnte, wie es so gut wie in jedem Land auf dieser Welt existiert.
## Keine Ahnung, was man saufen muss
Punkt eins in besagtem Positionspapier behauptet sogar allen Ernstes, die
von „bestimmten politischen Kreisen und Politikern“ formulierten
Rassismusvorwüfe gegen die Polizei hätten dem Ansehen der Institution
geschadet. Das Feindbild Polizei verfestige sich bei Jugendlichen, nicht
etwa, weil Racial Profiling und Polizeigewalt institutionelle Probleme
sind, die die Polizei seit Jahren uneinsichtig und aggressiv von sich
weist. Sondern weil dieser Umstand öffentlich thematisiert wird. Zugespitzt
formuliert: Das Problem ist laut Gewerkschaft nicht, dass schwarze Menschen
in Polizeigewahrsam sterben. Sondern dass Black Lives Matter darauf
aufmerksam macht und dem Image der Polizei schadet. Keine Ahnung, was man
saufen muss, damit einem diese Argumentation als spruch- und druckreif
erscheint. Und das ausgerechnet in einer Woche, in der erneut ein schwarzer
Mann in Polizeigewahrsam, diesmal in Braunschweig, unter ominösen Umständen
starb.
Allein die Vorstellung, Rassismus sei nicht mehr als ein lästiges
Imageproblem, lässt tief ins Selbstverständnis der Polizei blicken. Als
seien rechtsextreme Netzwerke innerhalb der Institution, die in den
vergangenen Jahren ans Licht gekommen sind, nicht Grund genug, zumindest
misstrauisch zu sein – was einen Angriff gegen Rettungskräfte nicht
rechtfertigen soll. Doch die Positionen von CDU und der Polizei sind wenig
interessiert daran, die „Ereignisse“ von Silvester wirklich aufzuklären,
sondern stellen eher ein gesellschaftliches Klima her, in dem
integrationsverweigernde Teens zum Buhmann und Gangsta-Rapper zu deren
falschen Vorbildern erklärt werden.
Als wären sie sehnsüchtig danach, wieder der Held sein zu wollen, für den
man sich zeitlebens gehalten hat. Es mögen zwar viele Hunde unterwegs sein,
aber wir sind hier trotzdem nicht bei „Paw Patrol“, der Zeichentrickserie
mit den süßen Polizeitierchen, die die Welt retten. Vielleicht sollten
Christdemokraten und Sicherheitsbehörden ja mal die eigenen Vorbilder und
Versäumnisse auf den Prüfstand stellen.
13 Jan 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Fatma Aydemir
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