| # taz.de -- Schwerverletzter in Hamburg: Blauer Block eskaliert 1. Mai-Demos | |
| > Der Tag der Arbeit endete in Hamburg mit einem Schwerverletzten. Die | |
| > Organisatoren der Demos kritisieren die Taktik der Polizei. | |
| Bild: Die Polizei lässt die anarchistische Mai-Demo in Hamburg nicht los laufen | |
| Hamburg taz | Es hätte ein erfolgreicher Tag sein können: Weit mehr | |
| Menschen als erwartet [1][gingen am 1. Mai in Hamburg auf die Straße, um zu | |
| demonstrieren]. 3.000 Menschen zogen mit dem Umverteilungsbündnis „Wer hat | |
| der gibt“ durch Pöseldorf, 1.000 Menschen kamen zur anarchistischen Demo im | |
| Norden Hamburgs und rund 3.000 versammelten sich mit dem Roten Aufbau am | |
| Hauptbahnhof. Was aber rückblickend auf den 1. Mai auch bleibt, ist der | |
| Eindruck von Schikane, Willkür und Repression. | |
| Ein Polizist verletzte einen Demonstranten so schwer, dass dieser die Nacht | |
| im Krankenhaus verbringen musste. Die „Wer hat der gibt“-Demo stand eine | |
| Stunde lang still, weil die Polizei sich an der schwarzen Farbe der | |
| Corona-Schutzmasken störte. Die anarchistische Demo durfte gar nicht erst | |
| loslaufen. | |
| „Das war einfach nur miese Schikane von Seiten der Polizei“, sagt Kim | |
| Behrens (Name geändert), Sprecher des anarchistischen Bündnisses | |
| „Schwarz-roter 1. Mai“. Als sich die Demo zum Loslaufen bereit gemacht | |
| hätte, habe der Einsatzleiter der Polizei im Salamitaktik-Stil immer neue | |
| Einwände vorgebracht. | |
| Erst seien die Teilnehmer*innen im Frontblock zu vermummt gewesen. | |
| Daraufhin hätten sie ihre Sonnenbrillen abgenommen. Dann habe sich die | |
| Polizei an zwei Transparenten gestört, auf denen jeweils ein brennendes | |
| Polizeiauto abgebildet war – nach Ansicht der Polizei eine Aufforderung zu | |
| einer Straftat. | |
| ## Transparente abgehängt, doch das reichte nicht | |
| Nach längeren Verhandlungen zwischen dem Einsatzleiter und den | |
| Demo-Anwält*innen, die mit der Kunstfreiheit argumentierten, hängten die | |
| Demonstrant*innen die Transparente schließlich ab. Als die Demo endlich | |
| loslaufen wollte, sei den Polizisten ein weiteres Transparent aufgefallen – | |
| die Anarchos rollten es ein. | |
| Die ganze Zeit seien die Teilnehmer*innen geduldig geblieben, obwohl | |
| sie zu diesem Zeitpunkt schon seit etwa einer Stunde nicht vom Fleck | |
| gekommen seien, sagt Behrens. Als nächstes habe der Einsatzleiter ein | |
| weiteres Transparent kritisiert – „Bullenschweine Mörder Lügner“ habe | |
| darauf gestanden. Auch das hätten die Teilnehmer*innen entfernt, obwohl | |
| ihnen nicht klar gewesen sei, welche Straftat das darstellen solle. | |
| Daraufhin sei der Einsatzleiter der Polizei einfach verschwunden. Ein | |
| anderer Polizist habe eine Weile später ausgerichtet, jetzt gäbe es wieder | |
| ein Problem mit der Vermummung. Entnervt habe die Demoleitung entschieden, | |
| die Demo in eine stationäre Kundgebung umzuwandeln. Schließlich hatte sich | |
| der Start zu diesem Zeitpunkt schon um knapp zwei Stunden verzögert. „Es | |
| war denen egal, ob wir die Auflagen erfüllen“, sagt Behrens. „Die Polizei | |
| hätte sich immer weitere Punkte ausgedacht. Die wollten uns nicht laufen | |
| lassen.“ Es sei frustrierend und mache ihn ratlos, dass die Polizei sich | |
| einfach über die Versammlungsfreiheit hinwegsetzen könne. | |
| Anstatt die Anarchist*innen dann wenigstens ihre Kundgebung halten zu | |
| lassen, hätten Polizist*innen den vorderen Teil der Demo gekesselt und | |
| die Teilnehmer*innen schließlich in Kleingruppen in die U-Bahn | |
| gelassen, in der sie selbst mit fuhr. Bis zur Station Schlump durfte | |
| niemand aussteigen, das bestätigen auch eine andere | |
| Versammlungsteilnehmerin und ein Fotojournalist, der ebenfalls in der | |
| U-Bahn war, gegenüber der taz. | |
| ## Polizist warf Demonstranten auf den Hinterkopf | |
| Am Schlump leitete die Polizei die Protestierenden aus der Bahn heraus, | |
| hielt sie jedoch im Gebäude gekesselt. Als einige Teilnehmer*innen | |
| durch die Polizeikette rannten und die Polizist*innen hinterher, kam es | |
| zu der schweren Verletzung: Auf einem [2][im Internet veröffentlichten | |
| Video] sieht man, wie ein Polizist auf einen Demonstranten zustürmt, der | |
| ihm gerade den Rücken zuwendet. Der Polizist schmeißt sich gegen ihn und | |
| wirft ihn um, der Demonstrant knallt mit dem Hinterkopf auf den Asphalt und | |
| krampft. Schwer verletzt kommt der Demonstrant ins Krankenhaus, erst am | |
| Dienstagvormittag wird er entlassen. | |
| Der Polizeisprecher Florian Abbenseth gab lediglich an, dass das Dezernat | |
| für Interne Ermittlungen der Polizei informiert worden sei. Zu allen | |
| anderen Fragen könne man einen Tag nach dem Einsatz noch nichts sagen, da | |
| noch nicht alle internen Berichte dazu vorlägen. Das werde frühestens zwei | |
| Tage nach dem 1. Mai der Fall sein, so Abbenseth. | |
| Auch „Wer hat der gibt“ kritisiert den Polizeieinsatz. „Es ist eine | |
| Frechheit, eine angemeldete Demonstration mit so einem Großaufgebot zu | |
| begleiten“, sagt die Sprecherin Carlotta Schmidt. Wenn Wasserwerfer, | |
| Räumpanzer und Einsatzwagen das Viertel vollparken und eine Hundertschaft | |
| an der Spitze der Demo laufe, führe das zu einer Stigmatisierung sozialer | |
| Proteste. | |
| Der Gipfel sei gewesen, die Demo eine Stunde lang aufzuhalten, weil sich | |
| Teilnehmer*innen des Jugendblocks erst mit Sonnenbrillen und Schals | |
| vermummt hatten, nach Verhandlungen zwischen Polizei und Anwält*innen | |
| dann stattdessen Coronamasken aufgesetzt hatten. | |
| Die Polizei wertete die Masken als Vermummung, weil die Maskenpflicht zum | |
| Infektionsschutz ja aufgehoben sei und die Masken darüber hinaus noch | |
| schwarz waren. „Das ist so gaga“, sagt Schmidt. „[3][Gesundheitsschutz ist | |
| ein Recht], das die Polizei nicht nach Lust und Laune für ungültig erklären | |
| kann.“ Insgesamt bleibe der Eindruck: „Die einzigen, die Bock auf Krawall | |
| hatten, waren die Boys und Girls in blau.“ Es stelle sich die Frage, warum | |
| man Proteste mühsam organisiere und korrekt anmelde, damit die Polizei sie | |
| dann je nach Laune schikanieren könne. | |
| 2 May 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Mai-Protest-im-Hamburger-Villenviertel/!5928470 | |
| [2] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Mai-Demos-Demonstrant-in-Hamburg-sch… | |
| [3] /Bilanzen-der-Coronapandemie/!5909502 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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