# taz.de -- Anarchistische Mai-Demo in Hamburg: Schwarzer Block wird bunt | |
> Die Anarchist*innen rufen dazu auf, am 1. Mai nicht als Black Block | |
> zu demonstrieren, sondern bunt. Und es ist richtig, das Dogma | |
> aufzubrechen. | |
Bild: Die Anarchist*innen in Hamburg sollen dieses Jahr ihre Hasskappe aus dem … | |
HAMBURG taz | Ist das schon eine Revolution? Die Hamburger | |
Anarchist*innen rufen für den 1. Mai dazu auf, den schwarzen | |
Kapuzenpullover im Schrank zu lassen. Und die schwarze Hassi und die | |
schwarze Hose auch. Ja, soll man denn nackt kommen? Nein, von den Hippies | |
sind die Anarchos immer noch meilenweit entfernt. Aber sie wollen ihrer | |
Mai-Demonstration in diesem Jahr einen anderen Ausdruck geben: bunt und | |
vielfältig. Dazu rief die Gruppe „Schwarz-roter 1.Mai“ über ihre | |
Social-Media-Kanäle auf. | |
Seit fünf Jahren melden die Anarchist*innen vom „Schwarz-roten 1. Mai“ | |
in Hamburg regelmäßig eine eigene Demo zum Tag der Arbeit an. [1][Uniform: | |
immer schwarz.] Auch auf der bunteren [2][Demonstration des Bündnisses für | |
Umverteilung „Wer hat der gibt“] haben die Anarchist*innen in den | |
vergangenen Jahren einen eigenen Block organisiert, auch hier bestand die | |
ganze Varietät des Dresscodes höchstens aus verschiedenen Schwarz-Nuancen. | |
Wenn hier und dort mal ein rotes Tuch und zwei weißen Streifen auf dem | |
Turnschuh zu sehen waren, war das auch schon der Gipfel der Farbpracht. | |
Jetzt möchten die Anarchist*innen mal etwas anderes ausprobieren, | |
[3][schreiben sie auf dem Kurznachrichtendienst X]. „Wir wollen den Versuch | |
wagen, Anarchismus in seiner Vielfältigkeit und Inklusivität zugänglicher | |
für breite Teile der Bevölkerungsteile zu machen.“ | |
Da man Seite an Seite mit allen Unterdrückten kämpfen wolle, wolle man | |
dieses Jahr mehr Anschlussmöglichkeiten nach außen bieten. Konfrontative | |
Situationen, laute Geräusche und Sichteinschränkungen schreckten vor allem | |
marginalisierte Personen oft ab. „Uns ist klar, dass volle Barrierearmut | |
nicht erreicht werden kann, aber wenn wir dem ein Stück näher kommen | |
können, wollen wir es doch versuchen“, schreibt der „Schwarz-rote 1. Mai�… | |
Zwar gebe es durchaus gute Gründe für das uniforme Auftreten in schwarz. | |
Der Schutz der Identität vor Polizeikameras oder politischen Feinden seien | |
valide Argumente, die in der Vergangenheit dazu geführt hatten, dass man | |
sich für diese Demo-Taktik entschieden habe. Aber Anarchismus sei mehr als | |
nur der Black Block. Man wolle kreativen Ideen in diesem Jahr mehr Raum | |
geben und alternative Gesellschaftsentwürfe für ein solidarisches | |
Miteinander auf die Straße tragen. | |
## Der bunte Ausdruck als Schutz | |
Und es gibt noch einen Grund für den neuen Dresscode: Was ursprünglich als | |
Schutz vor Repression fungieren sollte, hat sich unter der Hamburger | |
Polizei in das genaue Gegenteil verkehrt. Der Black Block provoziert, und | |
das soll er natürlich und darf er auch, aber die Polizei nutzt das, um | |
Linke zu schikanieren und mit Gewalt auf sie loszugehen. Am vergangenen 1. | |
Mai war ein Teilnehmer der Anarcho-Demo am U-Bahnhof Schlump von einem | |
Polizisten [4][so schwer verletzt worden, dass er ein Schädelhirntrauma | |
erlitt.] | |
Das ist ein scheiß Grund, aber ein nachvollziehbarer. Natürlich darf die | |
Polizei nicht unter fadenscheinigen Vorwänden auf Linke einprügeln oder | |
sich vom geschlossenen Auftreten provozieren lassen. Aber es ist | |
verständlich, dass Linke keine Lust mehr haben, ihre Gesundheit aufs Spiel | |
zu setzen, wenn sie demonstrieren gehen. | |
Die Erkenntnis, dass der schwarze Block ausschließend auf Papierlose, | |
traumatisierte oder körperliche Eingeschränkte Menschen wirken kann, ist | |
richtig. Er ist deshalb ja meistens auch nur eine Demonstrationstaktik | |
unter vielen. Allerdings eine ziemlich männlich-weiß dominierte, die | |
körperliche Fitness voraussetzt. | |
## Grundfarbe wird immer noch schwarz sein | |
Es ist richtig, das Dogma aufzubrechen und zu hinterfragen. Ob die | |
Anarchist*innen damit gleich die Herzen der Bevölkerung gewinnen | |
können, zeigt sich dann wohl im nächsten Schritt, vielleicht auch im | |
übernächsten. | |
Zunächst muss sich erstmal zeigen, wie viele dem Aufruf folgen und wirklich | |
farbenfroh [5][auf der Demo] erscheinen. Schließlich hat man ja auch keine | |
unbegrenzte Farbauswahl im Kleiderschrank. Aber auf einige lilafarbene und | |
Leoparden-Print-Leggings wird man sich schon einstellen müssen, auch der | |
eine oder andere dunkelgrüner Kapuzenpulli wird wohl zu sehen sein. Dass | |
die Grundfarbe immer noch schwarz sein wird, wird dann gar nicht so | |
auffallen. Gut so, schließlich ist schwarz auch nur eine Farbe von bunt. | |
30 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /G20-Proteste-in-Hamburg-vor-Gericht/!6001554 | |
[2] https://werhatdergibt.org/ | |
[3] https://twitter.com/AnarchyInHH/status/1782815784068157706 | |
[4] /Polizeigewalt-in-Hamburg/!5932791 | |
[5] https://sr1m.blackblogs.org/ | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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