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# taz.de -- Nahost-Konflikt in der linken Szene: Kampf um die Rote Flora
> Palästina-Aktivist*innen haben kurzzeitig die Rote Flora in Hamburg
> besetzt. Sie werfen dem Zentrum Rassismus vor und drohen mit Übernahme.
Bild: Symbolische Besetzung der Roten Flora im Hamburger Schanzenviertel durch …
Hamburg taz | Dienstagnachmittag, 25 Grad, kein Wölkchen trübt das sonnige
Latte-macchiato-Trinken im Hamburger Schanzenviertel. Doch plötzlich
stürmen 30 vermummte Aktivist*innen auf die Rote Flora zu. „Free, free
Palestine“ und „Viva, viva, viva Palästina!“, rufen sie. Während sie si…
mit Transparenten vor der Roten Flora aufstellen, betreten rund 20 Personen
den Balkon des linken Zentrums und entrollen eine riesige Palästina-Flagge
sowie ein Transparent.
„Good night white Flora“ steht darauf – ein impliziter Nazi-Vorwurf gegen
das linke Zentrum in Anlehnung an den antifaschistischen Slogan „Good night
white Pride“, der sich gegen Rassist*innen richtet. Die meisten der
Aktivist*innen tragen Kufija, Coronamaske und Sonnenbrille, einige
haben Kapuzen oder Hijabs auf. Sie klatschen und skandieren. Nach weniger
als fünf Minuten ist die Aktion vorbei und die Aktivist*innen sind
verschwunden.
In der Hamburger linken Szene wird die Auseinandersetzung um linken
Antisemitismus vehement geführt. Auf dem Tiefpunkt lieferten sich
antiimperialistische und [1][antideutsche Gruppen] 2008 gewalttätige
Auseinandersetzungen. In den vergangenen zehn Jahren hatte sich die Szene
aber wieder angenähert.
Damit scheint es jetzt vorbei zu sein: „Ihr habt uns seit über 20 Jahren
den Mund verboten!“, werfen die Aktivist*innen der Roten Flora in einer
Pressemitteilung vor. Wer mit „uns“ gemeint ist: „Antiimperialistische
Linke, Palästinenser, kritische Juden, linke Israelis, Muslime“. Weiter
schreiben sie: „Ihr habt gegen uns gehetzt. Eure Veranstaltungskalender
sind gesäubert von palästinensischen, arabischen und jüdischen Stimmen, die
nicht eurem philoantisemitischen (sic!) Weltbild entsprechen.“
## „Juden“ mit „Palästinenser“ überschrieben
Auf welche „Hetze“ sich die Palästina-Aktivist*innen, die sich in der
Pressemitteilung „Rote Flora 4 Palastine“ nennen, beziehen, lassen sie im
Unklaren. Für Rückfragen der taz sind sie nicht zu erreichen.
Wahrscheinlich ist, dass sie sich auf Wandbilder und eine Girlande
beziehen, die in den vergangenen Monaten am linken Zentrum aufgehängt
worden waren. Im Oktober, kurz nach dem Angriff der Hamas auf Israel,
spannten die Rotflorist*innen eine Girlande mit den Worten „Free the
World from Hamas“ über ihren Balkon. Auf ihre Plakatwand schrieben sie
„Killing Jews is not fighting for freedom. Wir sind solidarisch mit allen
Jüdinnen und Juden weltweit“.
Unbekannte übermalten die Worte „Jews“, „Jüdinnen und Juden“ und schr…
dazu „Und Palästinenser*innen“. Ebenfalls Unbekannte sprühten „Disarm
Israel“ auf die zweite Plakatwand der Roten Flora. Die
palästinasolidarische Gruppe [2][„Thawra“, die auch das Palästina-Camp an
der Hamburger Universität organisiert], teilte ein Video davon. Am 1. Mai
lief „Thawra“ mit einem Transparent mit der Aufschrift “‚Rote‘ Flora …
halt’s Maul“ beim Tag der Arbeiter*innen auf.
Die Kurzbesetzung des seit 1989 besetzten linken Zentrums soll laut „Rote
Flora 4 Palastine“ der Anfang einer feindlichen Übernahme gewesen sein.
„Dies ist der erste Schritt von mehreren, die dazu führen werden, dass
antiimperialistische, migrantische und palästinensische Linke den Ton in
diesem Haus angeben werden“, sagt eine mit Kufija vermummte und verpixelte
Person in einem Livestream von der Kurzbesetzung.
Den Stream verbreitete der Account „redstreamnet“, der auch auf Youtube
Videos über mehr oder weniger „revolutionäre“ Bewegungen verbreitet und
kein Problem damit hat, der islamistischen Huthi-Miliz und der
islamistisch-schiitischen Hisbollah eine Bühne zu bieten. Ebenfalls
beteiligt an dem Stream war der Account „Salah_Said90“, [3][der auch
Hamas-Propaganda teilt]. Der Instagram-Account der linken Zeitung Junge
Welt repostete das Video.
Die vermummte Person beendet den Stream mit den Worten: „Wir begrüßen die
internationale Bewegung der Universitätsbesetzungen und schlagen für
Deutschland eine Erweiterung der Besetzungen vor.“ Der Schluss, dass die
Besetzung aus dem Palästina-Camp an der Uni geplant worden war, liegt also
nahe – auch wegen der Aktionen von „Thawra“ gegen die Rote Flora in den
vergangenen Wochen.
Auf Nachfrage der taz solidarisierte sich „Thawra“ zwar mit der Aktion,
behauptete aber, nicht selbst daran beteiligt gewesen zu sein, da man
derzeit alle Kapazitäten auf das Uni-Camp konzentriere. Was genau an dem
Camp so viel Arbeit mache, dass eine fünfminütige Aktion nicht möglich
wäre, sagten sie nicht.
Mehrere [4][in der Roten Flora aktive Gruppen] sowie das Flora-Plenum
wollten sich auf taz-Anfrage am Mittwoch nicht äußern. Ein Aktivist aus dem
Flora-Umfeld wies aber darauf hin, dass der Vorwurf einer antideutschen
Vorherrschaft in der Flora Quatsch sei. Erst kürzlich hatte das
Flora-Plenum eine geplante Veranstaltung mit dem Referenten Oliver
Vrankovic zum Thema „Israel seit dem 7. Oktober“ kurzfristig abgesagt. Der
Grund: Vrankovic hatte auf seinem Account kriegsverherrlichende
Israel-Propaganda geteilt.
Die „Hamburger Initiative gegen Antisemitismus“ kritisierte daraufhin die
Rote Flora: Sie habe mit der Absage eine israelische,
antisemitismuskritische Stimme zum Schweigen bringen wollen.
15 May 2024
## LINKS
[1] /Nahostdebatte-in-Deutschland/!5971549
[2] /Propalaestinensische-Gruppen-in-Hamburg/!6006138
[3] /Palaestina-Kongress-in-Berlin/!5997635
[4] https://www.rote-flora.de/
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Rote Flora
Hamburg
Linke Szene
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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