# taz.de -- Propalästinensische Gruppen in Hamburg: Protestcamp vor Uni | |
> Propalästinensische Gruppen haben ein Protestcamp in Uni-Nähe | |
> organisiert. Die Stimmung vor Ort ist friedlich, aber das Misstrauen ist | |
> groß. | |
Bild: Nach Vorbild der US-Unis: das spontane Pro-Palästina-Protestcamp an der … | |
HAMBURG taz | „Nieder mit sozialdemokratischen Parteien, den Dienern des | |
Imperialismus“, steht auf dem ersten Banner, das einem entgegenweht, wenn | |
man sich dem Protestcamp für Palästina in der Nähe der Universität Hamburg | |
nähert. Dahinter steht nur ein Zelt auf der Großen Moorweide am Dammtor, | |
weitere hatten die Behörden den Protestierenden für diese Fläche untersagt. | |
Um das Zelt herum sitzen etwa dreißig junge Menschen auf Picknickdecken. | |
Die Stimmung ist friedlich, aus einer Box ertönt laute Musik. | |
Vier propalästinensische Gruppen hatten am Montagabend über Social Media zu | |
dem Camp aufgerufen: Thawra, „Students for Palestine Hamburg“, „Palästina | |
Spricht Hamburg“ und die Palästina-Allianz Hamburg. | |
Thawra, arabisch für Revolution, ist eine klassisch antiimperialistische | |
Gruppe, die seit Anfang des Jahres in Hamburg aktiv ist und ihre Arbeit auf | |
Palästina-Solidarität konzentriert. Eine ihrer ersten größeren Kundgebungen | |
unter dem Motto „Stop the Genocide“ fand ausgerechnet am | |
[1][Holocaust-Gedenktag], dem 27. Januar, statt. | |
Im Februar legte sie sich dann mit weiten Teilen der linken Szene an, als | |
sie auf einer Gedenkkundgebung für die Opfers des rassistischen Attentats | |
in Hanau ein Transparent mit dem Slogan „Rote Flora halts Maul – gegen den | |
antipalästinensischen Konsens“ hochhielten. | |
Auch sonst fiel die Gruppe Thawra dadurch auf, dass sie in den letzten | |
Monaten regelmäßig mit Palästina-Fahnen zu Demonstrationen erschien – auch | |
wenn das nicht zum Thema passte und gegen den Willen der Organisatoren war. | |
Abdel-Karem ist 26 Jahre alt und bei Thawra aktiv. Er hat das Camp | |
mitorganisiert und ist auch der Ansprechpartner gegenüber der Polizei. | |
Seinen Nachnamen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Auf taz-Anfrage | |
äußert sich Abdel-Karem kritisch über die „deutschen Mainstream-Medien“, | |
erklärt sich dann aber doch zu einem Gespräch bereit. | |
Mitreden möchte auch der aus Syrien stammende Ahmed (Name geändert) von | |
„Students for Palestine Hamburg“, der allerdings auf strenge Anonymität | |
besteht. „Ich lebe seit sieben Monaten in Angst vor Repressionen und wir | |
erfahren diese auch jetzt schon“, erklärt er. | |
Das Camp sei eine spontane Entscheidung in Reaktion auf die [2][Evakuierung | |
von Rafah], dem letzten Rückzugsort für Zivilist:innen in Gaza, | |
gewesen, erklären die beiden. „Wir wollen die deutsche Gesellschaft auf das | |
Thema Palästina und das Leid in Gaza aufmerksam machen“, sagt Abdel-Karem. | |
Die Adressaten des Camps seien außerdem die deutsche Politik und die | |
Universität Hamburg, die in den letzten Monaten sehr repressiv gegen | |
propalästinensische Studierende vorgegangen sei und ihnen alle Räume | |
entzogen habe. | |
Das Protestcamp neben der Universität Hamburg erinnert unweigerlich an die | |
Proteste, die in den letzten Wochen [3][an amerikanischen Universitäten | |
stattgefunden haben]. „Ich finde beeindruckend, was dort passiert“, sagt | |
Ahmed dazu. | |
Auf die [4][antisemitischen Ausfälle] bei den amerikanischen Uni-Protesten | |
angesprochen antwortet er, dass die Bewegung in den USA gerade auch von | |
jüdischen Studierenden getragen würde. Ahmeds Organisation „Students for | |
Palestine“ hat sich zuletzt per Instagram mit dem „Verband Jüdischer | |
Studierender Nord“ angelegt und war insbesondere dessen Vorsitzende Rebecca | |
Vaneeva angegangen, nachdem diese sich gegen Antisemitismus auf dem Campus | |
ausgesprochen hatte. | |
## Provokant auf Demos, zugewandt im Gespräch | |
Ahmed erzählt, dass er und seine Mitstreiter:innen auf dem Hamburger | |
Campus schon mehrfach Opfer eines jüdischen Studierenden geworden seien, | |
der sie offensiv auf ihre Kufiya angesprochen und provoziert habe. Das | |
verletze ihn persönlich sehr. „Jegliche Antisemitismus-Vorwürfe lehnen wir | |
kategorisch ab“, sagt Ahmed. Dass vielleicht genau darin ein Problem liegt, | |
können er und Abdel-Karem nicht nachvollziehen. | |
Was auffällt: Es besteht ein starker Widerspruch zwischen dem aggressiven | |
und provokanten Auftreten von Thawra und „Students for Palestine“ im | |
Internet und auf Demonstrationen und dem zugewandten und ruhigen Auftreten | |
Abdel-Karems und Ahmeds im persönlichen Gespräch. Darauf angesprochen, | |
wiegeln die beiden ab. „Wir treten nicht provozierend auf“, sagt | |
Abdel-Karem. „Wir wenden uns lediglich gegen die herrschenden Narrative und | |
werden in einer Gesellschaft, die von den Mainstream-Medien | |
gleichgeschaltet wird, so wahrgenommen.“ | |
## Feindbild SPD | |
Und das Banner, auf dem die Sozialdemokratie als Diener des Imperialismus | |
bezeichnet wird? „Das ist eine klare Ansage gegen die SPD!“, sagt | |
Abdel-Karem. „Die gesamte Ideologie der Sozialdemokraten dient dem | |
Imperialismus, sie haben die Gewerkschaften und Arbeiter verraten.“ | |
Im Rahmen des Camps werden auch Spenden gesammelt. Diese gehen jedoch nicht | |
an die Menschen in Palästina. „Wir haben als Organisation keine anderen | |
finanziellen Mittel als Spenden“, erklärt Abdel-Karem. „Wir brauchen Geld | |
für rechtliche Angelegenheiten und auch dieses Camp kostet ja Geld“, sagt | |
er. Die Spenden gingen an Thawra. Was die Gruppe sich von ihrem Protest für | |
die Menschen in Palästina verspricht, bleibt unklar. | |
Am Mittwoch werde das Camp umziehen, kündigen die Organisator:innen | |
an, weil sie an der Moorweide kein richtiges Camp mit einzelnen Zelten | |
errichten dürften. Der neue Ort ist noch nicht bekannt. | |
8 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Holocaust-Gedenktag/!t5022467 | |
[2] /Rafah-zur-Evakuierung-aufgerufen/!6006053 | |
[3] /Proteste-gegen-Gaza-Krieg-an-US-Unis/!6005863 | |
[4] /Judenhass-in-der-Universitaet/!6004718 | |
## AUTOREN | |
Marta Ahmedov | |
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