# taz.de -- Judenhass in der Universität: Auf dem Weg in die Unfreiheit | |
> Studierende an der Columbia-Universität in den USA lassen ihrem Hass auf | |
> Juden freien Lauf. Die Uni schützt eher die Täter als die jüdischen | |
> Studierenden. | |
Bild: Spuren des Protests: Viele jüdische Studierende bleiben mittlerweile dem… | |
Ach, es muss schon schwer sein in diesen Tagen, ein antiisraelischer | |
Demonstrant an einer [1][US-Eliteuniversität] zu sein. Da will man doch nur | |
gegen den Krieg in Gaza, gegen Israel und die Politik von US-Präsident Joe | |
Biden demonstrieren – und, oops, hat man [2][noch ein paar Juden | |
beleidigt], ihnen den Tod gewünscht und sich als Freund der Hamas und | |
anderer Terrorgruppen präsentiert. | |
Als friedlicher Demonstrant kann einem schon mal so etwas [3][wie Folgendes | |
herausrutschen]: „Legt Tel Aviv in Schutt und Asche!“, „Geht zurück nach | |
Polen!“, „Ihr habt keine Kultur; alles, was ihr tut, ist kolonisieren!“, | |
„Al-Qassam [Brigaden], macht uns stolz, schaltet einen weiteren Soldaten | |
aus!“ Oder: „Wir sagen Gerechtigkeit – ihr sagt wie? Brennt Tel Aviv | |
nieder. Los, Hamas, wir lieben dich. Wir befürworten auch deine Raketen.“ | |
Dies sind Sätze, die propalästinensische Studierende und andere | |
Teilnehmende [4][in den vergangenen Tagen] rund um das Protestcamp an der | |
Columbia University in New York laut Berichten von sich gegeben haben. Sie | |
bedrängten „Zionisten“, formten Menschenketten und beschimpften Juden. | |
In den Augen der hasserfüllten Demonstrant:innen und ihrer | |
Unterstützer:innen sind die genannten Ausrufe wie auch die Forderung an | |
die Universität, [5][Firmen zu boykottieren, die aus ihrer Sicht „von der | |
israelischen Apartheid“ profitieren], legitime Israelkritik. Sie fühlen | |
sich ungerecht behandelt, argumentieren mit Meinungsfreiheit. Eine | |
Demokratie müsse so etwas schon aushalten können, oder? Dabei vergessen | |
diese Menschen wie so oft, dass Meinungsfreiheit nicht bedeutet, seine | |
Meinung unwidersprochen kundtun zu können. Meinungsfreiheit gilt auch nicht | |
grenzenlos. Es ist gibt keine Freiheit, andere zu bedrohen. Der Aufruf zu | |
Gewalt und Terror ist nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. | |
## Keine Hemmungen mehr | |
Viele jüdische Studierende bleiben in der Folge dem Campus fern. An der | |
Lehre sollen sie digital teilnehmen, weil sie schließlich bedroht sind. Mal | |
wieder sind es die Juden selbst, die Betroffenen, die gehen müssen. Man | |
lagert sie aus. Oder anders ausgedrückt: Es ist das Einknicken vor der | |
Gewalt, vor dem Antisemitismus der Schreihälse. Täterschutz statt | |
Opferschutz. Wenn es an einer Eliteuniversität weniger gefährlich ist, | |
Judenhass über den Campus zu schreien und Terror zu beklatschen, als | |
erkennbar als Jude auf diesem Campus zu existieren, dann läuft etwas | |
falsch, verschiebt sich eine Grenze. | |
Die Protestierenden empfinden nicht einmal mehr Angst oder Hemmungen, ihre | |
Faszination und Sympathie für Terror zu zeigen. Sie zeigen ihren Judenhass | |
offen. Obsessiv wirken die Protestierenden, wenn sie ihren Hass jüdischen | |
Studierenden entgegenbrüllen. Wahnhaft, wenn sie ihren Jubel der Hamas | |
gegenüber kundtun. Sie schreien ihre Parolen mit einer existenziellen Verve | |
in die Welt, als hinge ihr eigenes Leben daran. Ihren eigenen Hass | |
projizieren sie auf die Figur des Zionisten (gemeint sind Juden), dem sie | |
wiederum selbst Hass gegen Palästinenser vorwerfen. Solche antisemitischen | |
Bezüge finden sich schon bei Voltaire oder Hegel – sie wirken fort. | |
Letzterer überlieferte, dass „im Begriffe der Juden der Hass gegen andere | |
Völker verankert“ sei. | |
Hass ist eine starke Emotion. Gegen sie rational zu argumentieren hat wenig | |
Aussicht auf Erfolg. Denn wie erreicht man jemanden, der nur in seiner | |
subjektiven Realität steckt, in einem Glaubenssystem, in dem Gefühle zum | |
Maßstab und als Fakten umgedeutet werden? | |
Im Geiste des jüdischen Fests Pessach, das gerade gefeiert wird und an den | |
Auszug der Juden aus der ägyptischen Sklaverei erinnert, passiert | |
zynischerweise ein langsamer Exodus. Keiner der Befreiung, sondern einer, | |
der den Juden die Freiheit nimmt: die Freiheit der Unversehrtheit und die | |
Freiheit, ohne Angst studieren zu können. | |
27 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Antisemitismus-an-US-Eliteunis/!5977408 | |
[2] https://www.nytimes.com/2024/04/23/opinion/university-jewish-antisemitism-i… | |
[3] https://www.timesofisrael.com/as-anti-israel-encampment-at-columbia-endures… | |
[4] https://www.jpost.com/diaspora/antisemitism/article-798160 | |
[5] https://www.theguardian.com/us-news/2024/apr/25/divestment-israel-college-p… | |
## AUTOREN | |
Erica Zingher | |
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