| # taz.de -- Protestcamps an Unis: Dialogbereitschaft und Straflust | |
| > Antisemitische Ausfälle lassen sich nicht nur mit Dialog einhegen. Und | |
| > Jugend ist kein Blankoscheck für gefährlichen Quatsch. Unsicherheiten | |
| > bleiben. | |
| Bild: Pro-palästinensische Aktivist:innen in der Humboldt Universität zu Berl… | |
| Wenn es irgendwo in Deutschland heißt, „Antisemitismus hat bei uns keinen | |
| Platz“, dann ist es meistens schon zu spät. Zu spät, da dieser Ausspruch | |
| eine Reaktion auf schon begangene antisemitische Taten ist, sich der | |
| Antisemitismus also schon den Platz genommen hat. | |
| So geschehen an der Universität Bonn. [1][Die Universitätsleitung reagierte | |
| Ende Mai] mit diesem hilflosen Satz auf die Besetzung des Hauptgebäudes | |
| durch die israelfeindliche Gruppe [2][„Students for Palestine“]. Seit | |
| Anfang des Monats hatte die Gruppe auf dem Gelände der Universität ein | |
| Protestcamp errichtet, Mitte dieser Woche [3][eskalierte es dann]. Bei | |
| einem Vortrag des Antisemitismusforschers [4][Lars Rensmann] über die | |
| „Judenfeindschaft heute“ störten Teilnehmer die Veranstaltung. Von der | |
| Aufklärung über Judenhass fühlten sich einige wohl belästigt. Ein Mann rief | |
| „Freiheit für Palästina“, obwohl es in dem Vortrag nicht um das israelisc… | |
| Vorgehen im Gazastreifen ging. Später folgten körperliche Angriffe. Ein | |
| gewaltfreies Umfeld, für das sich die Universitätsleitung versprochen hatte | |
| einzusetzen, gab es also bereits wenige Tage nach dem Statement der | |
| Unileitung nicht mehr. | |
| Tja, wie also umgehen mit den Protestcamps, den Unibesetzungen und | |
| Störaktionen, die, [5][angefangen an den US-amerikanischen Universitäten], | |
| mittlerweile auch hier den Lehrbetrieb lahmlegen, die ein ungestörtes | |
| Campusleben für jüdische Student:innen kaum mehr möglich machen und bei | |
| denen die Gewalt nun [6][ein weiteres Mal eskalierte]? | |
| Die Berliner Humboldt-Universität hatte es mit Dialogbereitschaft versucht. | |
| Die Präsidentin wollte eine Besetzung dulden, obwohl Demonstranten bereits | |
| Hamas-Symbole in die Hochschule gesprüht und den Rahmen einer friedlichen | |
| Aktion damit verlassen hatten. Noch während die Präsidentin mit den | |
| Studenten ins Gespräch ging, konnten sich Gewaltbereite in einem anderen | |
| Stockwerk verschanzen und das Mobiliar zerstören. | |
| ## Erfahrungen aus den 90er Jahren | |
| Allein mit Dialog lässt sich antisemitischer Protest offensichtlich nicht | |
| einhegen. Linke werden das nicht gerne hören: Aber hier braucht es auch | |
| eine autoritäre Reaktion. Wer Auslöschungsfantasien gegenüber Juden und | |
| Israel propagiert, darf dafür nicht noch mit Verständnis und | |
| Gesprächsrunden belohnt werden. Das wissen wir spätestens seit den | |
| 1990er-Jahren und gescheiterter sozialpädagogischer Nachsicht gegenüber | |
| rechtsradikalen Jugendlichen. | |
| Gleichzeitig beobachte ich bei dem ein oder der anderen ein Bedürfnis nach | |
| übermäßiger Bestrafung dieser Student:innen, das den Rahmen einer | |
| notwendigen Reaktion verlässt. Ein unbändiges, autoritäres Strafbedürfnis, | |
| eine Straflust, halte ich für falsch. | |
| Antisemitismus muss hier aber als identitätsstiftendes Merkmal verstanden | |
| werden. Dieses lässt sich nicht allein mit Argumenten auflösen – vor allem | |
| bei harten Ideologen. Ein „ja, aber“ oder ein entschuldigendes „Na ja, ab… | |
| sie sind doch noch jung“ ist hier falsch. | |
| Wenn Studenten ihren Protest also [7][mit Gewaltaufrufen gegen Juden und | |
| Israel schmücken], wenn sie sich in ihren Forderungen mit einer | |
| Terrororganisation gemein machen, dann offenbaren sie ihren eigenen | |
| autoritären Charakter, der für Aufklärung oder Dialog nicht empfänglich | |
| ist. | |
| Warum tun sich viele Linke damit so schwer? Liegt es nur daran, dass sie | |
| Autorität grundsätzlich ablehnen? Nun, ein Grund von vielen ist sicherlich, | |
| dass viele Linke selbst ein Problem mit Antisemitismus haben. Oder haben | |
| Sie die Rechtfertigungen vieler linker Gruppierungen und Einzelpersonen | |
| nach dem Abschlachten israelischer Zivilisten am 7. Oktober durch die Hamas | |
| schon vergessen? Ich nicht. | |
| Wie lautet also das Patentrezept, um die nächste Unibesetzung durch | |
| studentische Hamas-Fanboys und -Fangirls zu verhindern? Ich habe keine | |
| abschließende Antwort. Ich ringe mit mir selbst. | |
| 9 Jun 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.uni-bonn.de/de/neues/stellungnahme-zur-stoerung-des-universitae… | |
| [2] https://www.studentsforpalestine.de/ | |
| [3] https://ga.de/bonn/stadt-bonn/students-for-palestine-uni-bonn-gewalt-bei-an… | |
| [4] /Unser-Israel-11/!5137753 | |
| [5] /Judenhass-in-der-Universitaet/!6004718 | |
| [6] /Antisemitischer-Ueberfall-auf-FU-Student/!5987284 | |
| [7] /Propalaestina-Proteste-an-deutschen-Unis/!6012172 | |
| ## AUTOREN | |
| Erica Zingher | |
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