| # taz.de -- Abgesagter Festakt an der Leuphana: Keine Häppchen mit der AfD | |
| > Die Einladung von zwei AfD-Abgeordneten zur Semesterabschlussfeier der | |
| > Leuphana-Universität sorgt für Protest. Nun hat die Uni das Fest | |
| > abgesagt. | |
| Bild: Feiert sich in diesem Jahr nicht selbst: Die Leuphana Universität in Lü… | |
| Hannover taz | Eigentlich sollte der „dies academicus“ an der Leuphana | |
| Universität in Lüneburg dazu dienen, sich ein bisschen selbst zu feiern. | |
| Zum Ende des akademischen Jahres werden herausragende Leistungen, | |
| bahnbrechende Forschungen, ehrenamtliche Verdienste für die | |
| Universitätsgemeinschaft im feierlichen Rahmen gewürdigt, anschließend gibt | |
| es ein Sommerfest. Doch nicht in diesem Jahr. | |
| Wenige Tage vor der Veranstaltung sagte die Universität ab – aus | |
| „Sicherheitsbedenken“, [1][wie die Landeszeitung zuerst | |
| berichtete.]Angekündigt und ordnungsgemäß angemeldet war zu diesem | |
| Zeitpunkt eine Demonstration vor dem Hauptgebäude, zu der ein freies | |
| Bündnis von Studierenden der Universität aufgerufen hatte. Sie wollten | |
| keine AfD-Vertreter auf ihrem Campus haben und hatten dies in den Tagen | |
| zuvor auch schon in einem offenen Brief an die Universitätsleitung sehr | |
| deutlich gemacht. | |
| Warum diese zwei AfD-Vertreter überhaupt eingeladen wurden, nötigte der | |
| Universität lange gewundene Erklärungen ab. Die Landeszeitung zitiert aus | |
| einem Schreiben des Universitätspräsidenten Sascha Spoun an | |
| Universitätsmitarbeiter: Wie alle niedersächsischen Universitäten sei man | |
| nun einmal dem niedersächsischen Landtag zur Rechenschaft verpflichtet. | |
| Deshalb werden traditionell die Mitglieder des Ausschusses für Wissenschaft | |
| und Kultur eingeladen. Den Vorsitz dieses Ausschusses hat derzeit nun | |
| ausgerechnet [2][die AfD-Abgeordnete Jessica Schülke aus Wunstorf] inne. | |
| Noch schwerer zu erklären ist, warum man dann auch noch den | |
| AfD-[3][Bundestagsabgeordneten Frank Rinck eingeladen hat.] Der Landwirt | |
| sitzt im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und hat mit | |
| Wissenschaftspolitik eigentlich nichts am Hut. Hier habe es keine | |
| Notwendigkeit gegeben, die sich aus dem Amt oder der Zuständigkeit ergibt, | |
| räumt der Uni-Präsident ein. | |
| Sein Name geriet wohl auf die Liste, weil es üblich ist, die | |
| niedersächsischen Bundestagsabgeordneten – unabhängig von der | |
| Parteizugehörigkeit – einzuladen. So richtig aufgefallen ist das aber auch | |
| erst, als die Zusagen der beiden AfD-Politiker hereinflatterten. | |
| ## Die tatsächliche Gefährdungslage bleibt nebulös | |
| Diese Einladungspraxis will man nun insgesamt überdenken, auch vor dem | |
| Hintergrund, dass die AfD ja bundesweit als rechtsextremer Verdachtsfall | |
| eingestuft sei und damit der Haltung der Leuphana-Universität grundsätzlich | |
| entgegen stehe, erklärt die Uni-Leitung. | |
| Nicht beantwortet wird damit allerdings die Frage, ob die Absage nicht | |
| vielleicht überzogen war. In den ersten Berichten war nebulös von | |
| „universitätsexternen Akteuren“ und „potentiell gewaltbereiten politisch… | |
| Interessengruppen“ die Rede, weshalb es dann schnell so aussah, als wäre | |
| die Angst vor Ausschreitungen ausschlaggebend gewesen. | |
| Das deckt sich allerdings nicht ganz mit den Auskünften und Einschätzungen | |
| der Polizei als Versammlungsbehörde und der Stadt Lüneburg. Man sei | |
| grundsätzlich auf alle möglichen Einsatzszenarien vorbereitet gewesen, | |
| erklärt ein Polizeisprecher. Die Absage sei allein Sache der Universität, | |
| die Polizei habe lediglich eine beratende Funktion gehabt. | |
| Auch bei der Stadt Lüneburg sagt man: Grundsätzlich ist es natürlich | |
| denkbar, angezeigte Versammlungen mit Beschränkungen zu versehen – also zum | |
| Beispiel den Versammlungsort so zu legen, dass es nicht zu unmittelbaren | |
| Konfrontationen kommt. | |
| Das setzt aber immer eine entsprechende Gefährdungsanalyse voraus und muss | |
| sehr sorgfältig erwogen werden – schließlich ist die Versammlungsfreiheit | |
| ein hohes Gut und nicht hinreichend begründete Einschränkungen werden von | |
| Verwaltungsgerichten gerne mal wieder einkassiert. | |
| Zu so einer vertieften rechtlichen Prüfung sei es in diesem konkreten Fall | |
| aber gar nicht gekommen, weil die Versammlungsanmeldung schon am Samstag | |
| zurückgezogen worden sei, sagt die Pressesprecherin der Stadt, Ann-Kristin | |
| Jenckel. | |
| ## In Göttingen musste CDU-Abgeordnete Protesten weichen | |
| Möglicherweise ging es der Universität also weniger um eine konkrete | |
| Gefährdung als darum, sich selbst und den zu Ehrenden hässliche Szenen zu | |
| ersparen. Vor allem, wenn sich die Proteste auf Personen beziehen, deren | |
| Einladung einem eher unterlaufen ist, als dass man sie unbedingt und aus | |
| voller Überzeugung hätte dabei haben wollen. | |
| Die Studierenden, aber auch andere Gruppen an der Universität, hätten mit | |
| ihrem offenen Brief sehr deutlich gemacht, dass sie mit der AfD-Teilnahme | |
| ein Problem haben, erläutert Uni-Pressesprecher Henning Zühlsdorff. | |
| Die Absage sei jetzt vor allem erfolgt, damit die Universitätsgemeinschaft | |
| die Möglichkeit bekommt, die Situation zu bewerten und eine gemeinsame | |
| Position für das weitere Vorgehen zu erarbeiten. Die Ehrungen und | |
| Auszeichnungen wolle man dann bald nachholen. | |
| In der Öffentlichkeit schlägt der Fall aber natürlich auch deshalb so hohe | |
| Wellen, weil es gerade erst einen [4][ähnlichen Vorfall an der Universität | |
| Göttingen] gegeben hat. Dort war die CDU-Bundestagsabgeordnete Mareike Wulf | |
| von mehr als 150 wütenden Protestierenden davon abgehalten worden, auf | |
| Einladung des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) einen | |
| Vortrag über das geplante Selbstbestimmungsgesetz zu halten. | |
| ## Heftige politische Debatten – aber keine Anzeigen | |
| [5][Wulfs Positionen werden von vielen,] darunter auch die Grüne Jugend, | |
| als queer- und transfeindlich betrachtet. Die Protestierenden waren in | |
| Göttingen so laut und aggressiv, dass Wulf ihren Vortrag abbrach und sich | |
| von der Polizei aus dem Hörsaal eskortieren ließ. Das sorgte sowohl im | |
| Bundestag als auch im niedersächsischen Landtag für erregte Debatten darum, | |
| wie sich die Meinungsfreiheit an Universitäten sicherstellen ließe. | |
| Rechtliche Konsequenzen für die Protestierenden gab es allerdings vorläufig | |
| keine, wie bei einer Anhörung im Innenausschuss des niedersächsischen | |
| Landtages deutlich wurde. Nach Angaben der Polizei gab es keine Anzeigen, | |
| weil es weder körperliche Angriffe gab, noch eine Stürmung des Hörsaals, | |
| die unter Umständen als Hausfriedensbruch hätte gewertet werden können. | |
| 2 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.landeszeitung.de/lokales/lueneburg-lk/leuphana-lueneburger-uni-… | |
| [2] /AfD-im-niedersaechsichen-Landtag/!5972698 | |
| [3] /AfD-Landesparteitag-in-Niedersachsen/!6003142 | |
| [4] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/W… | |
| [5] /Selbstbestimmungsgesetz-im-Bundestag/!5973044 | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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