# taz.de -- Israelische Politikerin zu Hamas: „Wir fühlen uns verraten“ | |
> Die Oppositionspolitikerin Shelly Tal Meron kritisiert das Schweigen der | |
> Weltgemeinschaft. Frauenrechtsorganisationen hätten die sexualisierte | |
> Gewalt der Hamas nicht ausdrücklich verurteilt. | |
Bild: Proteste von Angehörigen für die Freilassung der Hamas-Geiseln in Tel A… | |
taz: Frau Meron, am vergangenen Wochenende haben Familien der noch | |
[1][verbliebenen israelischen Geiseln] in Tel Aviv ihre Verzweiflung zum | |
Ausdruck gebracht. In bewegenden Reden zeigten sie ihre Frustration mit der | |
Regierung. Haben Sie noch Vertrauen in diese? | |
Shelly Tal Meron: 134 Menschen befinden sich noch immer unter schrecklichen | |
Bedingungen in Gaza. Ihnen läuft die Zeit davon. Das Hauptziel des Staates | |
Israel sollte also darin bestehen, die Geiseln zurückzubringen. Ich bin | |
Teil der Opposition, natürlich übe ich Kritik an der Regierung. Wir haben | |
dem Premierminister Benjamin Netanjahu schon vor Wochen ein Sicherheitsnetz | |
für ein Abkommen zur Geiselbefreiung versprochen. | |
Das bedeutet? | |
Wir verstehen, dass der Premierminister unter großem Druck steht. Es ist | |
nicht leicht, mit einer Terrororganisation wie der Hamas zu verhandeln. | |
Deshalb haben wir angeboten, die Regierung vorerst zu unterstützen, damit | |
die Geiseln nach Hause gebracht werden können. | |
Teile der israelischen Gesellschaft [2][wollen Neuwahlen.] Unterstützen Sie | |
diese Forderung? | |
Nach dem, was am 7. Oktober passiert ist, hat das Volk unseres | |
demokratischen Landes das Recht zu entscheiden, wer das Land in Zukunft | |
führen soll. Ich persönlich ziehe einen Regierungswechsel ohne Wahlen vor. | |
Das heißt, eine breite Regierung mit Parteien, die jetzt nicht in der | |
Regierung sind. Und einen neuen Premierminister. Wenn das nicht möglich | |
ist, dann sollte es Wahlen geben – aber erst nach Kriegsende. Ich glaube, | |
dass wir mit einer besseren Regierung beginnen können, das israelische Volk | |
zu heilen. | |
Haben Sie das Gefühl, dass innenpolitische Debatten der Freilassung der | |
Geiseln im Weg stehen? | |
Leider ja. Der Premierminister will Premierminister bleiben. Er wird alles | |
in seiner Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass das israelische Volk | |
ihn und seine Regierung ablöst. Deshalb hält er auch an Extremisten in | |
seiner Regierung fest. Er weiß, dass er sie braucht, um an der Macht zu | |
bleiben. | |
US-Au ßenminister Antony Blinken und auch die deutsche Außenministerin | |
Annalena Baerbock kritisieren den Kurs der israelischen Regierung in Gaza | |
scharf. Sie weisen auf die humanitäre Situation der P alä stinenser hin. | |
Wie denken Sie dar über? | |
Krieg ist hässlich und furchtbar. Niemand will, dass Zivilisten verletzt | |
werden. Dieser Krieg wurde uns am 7. Oktober aufgezwungen. Die Hamas-Führer | |
haben immer wieder betont, dass sie den Staat Israel zerstören wollen und | |
einen Angriff wie am 7. Oktober wiederholen werden. Der Staat Israel muss | |
seine Bevölkerung und Grenzen schützen. Wir haben ein Recht zu existieren. | |
[3][Untersuchungen] und [4][journalistische Recherchen] legen nahe, dass | |
die Hamas bei ihren Angriffen gegen die israelische Zivilbevölkerung | |
systematisch Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt eingesetzt hat. Steht die | |
Weltgemeinschaft heute an der Seite der Opfer dieser Verbrechen? | |
Nicht ausreichend. Wir, israelische Frauen, fühlen uns verraten. Ich bin | |
Vorsitzende der Lobby für die Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer | |
Gewalt vom 7. Oktober. Wir wissen von Frauen, die vor ihren Männern | |
gefoltert, vergewaltigt und verbrannt wurden. Von Frauen, denen Körperteile | |
abgeschnitten wurden. Geiseln, die aus der Gefangenschaft zurückgekehrt | |
sind, erzählen uns von Terroristen, die Mädchen in Puppenkleider steckten | |
und zu sexuellen Handlungen zwangen. Und aktuell bereiten wir uns auf | |
Frauen vor, die schwanger aus der Gefangenschaft zurückkehren könnten. Wir | |
haben erwartet, dass Frauenorganisationen nach solchen Berichten ihre | |
Stimme erheben. Aber alle waren still. Ich habe Briefe an UN Women und | |
andere Frauenrechtsorganisationen geschrieben. Sie haben nicht geantwortet. | |
Wir leben im Jahr 2024. Frauen sollte geglaubt werden. | |
Warum ist es Organisationen wie UN Women so schwergefallen zuzugeben, dass | |
solche Taten von der Hamas begangen wurden? | |
Das hat sicherlich mit Antisemitismus zu tun, weil es eben nicht | |
irgendwelche, sondern israelische Frauen sind. Vielleicht denken sie auch, | |
sie müssten die geschlechtsspezifische Gewalt vom 7. Oktober mit dem | |
vergleichen, was palästinensische Frauen in Gaza erleben. Ich habe | |
Mitgefühl für jede Frau auf der Welt. Und ich möchte nicht, dass Zivilisten | |
verletzt werden, insbesondere Frauen und Kinder. Anders als die Hamas es in | |
Israel getan hat, würde unsere Armee niemals gezielt Frauen in Gaza | |
angreifen. Das ist der Unterschied. | |
Ein Sprecher der Hamas leugnet die Taten sexueller Gewalt. Was befürchten | |
Sie? | |
Die Hamas ist eine Terrororganisation, sie betreibt Propaganda. Wir sollten | |
ihnen nichts glauben. Wir haben Beweise: Aussagen von Überlebenden, | |
Videoaufnahmen, die kaum zu ertragen sind, Verhöre von Terroristen. Meine | |
Befürchtung ist, dass andere Terrororganisationen von den Taten am 7. | |
Oktober inspiriert werden könnten. Wir müssen den Terror der Hamas deshalb | |
stoppen. Sexuelle Gewalt als Kriegswaffe einzusetzen ist ein | |
Kriegsverbrechen. Das verstößt gegen die Genfer Konvention. Ich kämpfe | |
dafür, dass die Verantwortlichen gefasst und vor ein internationales | |
Gericht gestellt werden. | |
21 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Befreiung-von-israelischen-Geiseln/!5988884 | |
[2] /Ex-Botschafter-in-Deutschland/!5987256 | |
[3] https://www.haaretz.com/israel-news/2024-02-21/ty-article/.premium/hamas-se… | |
[4] https://www.nytimes.com/2023/12/28/world/middleeast/oct-7-attacks-hamas-isr… | |
## AUTOREN | |
Erica Zingher | |
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