# taz.de -- Schwarzer Block wird bunt: Bruch mit der Tradition | |
> In Hamburg will die radikale Linke nur noch als Schwarzer Block | |
> auftreten, „wenn es nötig ist“. Doch wann wäre das? | |
Bild: Ja wo ist er denn, der Schwarze Block? „Revolutionäre 1. Mai-Demo“ i… | |
Der Schwarze Block ist tot. Lang lebe der Schwarze Block! Die | |
Demonstrationstaktik, dass alle Teilnehmer*innen schwarz vermummt | |
kommen, ist nicht komplett abgeschrieben. Aber ihre unhinterfragte | |
Kontinuität ist gebrochen. Das hat sich am 1. Mai in mehreren Städten | |
gezeigt. | |
In Hamburg hatte die anarchistische Gruppe Schwarz-Roter 1. Mai einige | |
Tage vor dem Tag der Arbeiter*innen dazu aufgerufen, entgegen ihrer | |
Tradition nicht in Schwarz zu erscheinen. Was kurz wie ein Scherz klang, | |
war gut durchdacht und begründet. Die Black-Block-Taktik wirke | |
abschreckend und sei alles andere als barrierearm, [1][schrieben die | |
Anarchist*innen auf ihren Social-Media-Kanälen]. Marginalisierte Personen | |
wie Papierlose, aber auch Familien mit kleinen Kindern oder ältere Menschen | |
fühlten sich nicht wohl, wenn man aufgrund von hochgezogenen Transparenten | |
nicht gut sehen könne, es unerwartet knalle und rauche und die Situation | |
sich jederzeit dynamisch und bedrohlich gestalten könne. | |
All das gehört zu einem Schwarzen Block ebenso dazu wie dunkle Schals und | |
Kapuzenpullover. Aber: „Anarchismus ist mehr als der Schwarze Block“, | |
schreibt der Schwarz-Rote 1. Mai. [2][Und so kam es auch]: Der einzige | |
Schwarze Block war am Mittwochmittag der, der vor der Demo herlief: die | |
Polizei. | |
Die Linksradikalen in Hamburg sind nicht die Einzigen, die sich | |
entsprechende Gedanken machen. Auch Dresdener Anarchist*innen hatten dazu | |
aufgerufen, sich nicht zu vermummen. | |
Die Antifagruppe namens Winsen Luhe Against Nazis hatte schon im | |
vergangenen Jahr einen Text veröffentlicht, der dafür wirbt, Schwarz nur | |
dann zu tragen, wenn es nötig sei. Auch die Offene Anarchistische | |
Vernetzung Leipzig griff das auf. | |
## Unnötige Repression | |
Die Linken nennen noch einen Grund für die Entscheidung: Der Black Block | |
werde inflationär genutzt. Man vermittle damit eine Militanz, die man oft | |
nicht durchsetzen könne, und setze Menschen unnötiger Repression aus. Der | |
Dresscode ergebe auf einer angemeldeten Demo keinen Sinn. „[3][Trage | |
Schwarz wenn nötig]“, sei die Devise. | |
Aber wann ist der Schwarze Block nötig? Wenn etwa die | |
G20-Staatschef*innen samt Autokraten wie Recep Tayyip Erdoğan und | |
Kriegstreibern wie Wladimir Putin in die Stadt kommen und dann die | |
Versammlungsfreiheit mittels einer riesigen Demoverbotszone außer Kraft | |
gesetzt wird, wie es 2017 in Hamburg geschah – das war so ein Szenario. | |
Die Antwort der linken Szene in Richtung der politisch Verantwortlichen war | |
da durchaus folgerichtig: „Wenn ihr denkt, ihr könnt hier machen, was ihr | |
wollt, machen wir auch, was wir wollen.“ Sprich: Wir stören Abläufe, | |
stiften Chaos und machen Sachen kaputt. Das vermittelt man nicht mit einer | |
bunten Latschdemo. | |
## Die Formel: „Militanz ohne Militanz“ | |
Der Hamburger Staatsanwaltschaft würde es gefallen, alle in Kollektivhaft | |
zu nehmen, die sich am Schwarzen Bock beteiligt haben. [4][Genau das | |
passiert gerade beim G20-Rondenbarg-Verfahren vor dem Hamburger | |
Landgericht]. Eine entscheidende Frage dort ist: War die Demo ein Schwarzer | |
Block? Wenn ja, sieht es schlecht aus für die Angeklagten. Denn dann sei | |
das Ziel Chaos und Zerstörung gewesen, also Landfriedensbruch, argumentiert | |
die Staatsanwaltschaft. | |
Doch der als Sachverständige geladene Protestforscher Sebastian Haunss wies | |
darauf hin, dass man es sich so leicht nicht machen dürfe. Zum Schwarzen | |
Block gehöre es, Militanz anzudrohen, was oft nicht eingelöst werde. | |
„Militanz ohne Militanz“ sei die Formel. | |
Für die Militanten, die Friedlichen und die manchmal Militanten bleibt | |
festzuhalten, dass es schlau ist, sich nicht immer so zu verhalten, wie es | |
erwartet wird. Wer kräftemäßig unterlegen ist, sollte unberechenbar sein. | |
3 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/AnarchyInHH/status/1782815784068157706 | |
[2] /Tag-der-Arbeiterinnen-in-Hamburg/!6008151 | |
[3] https://offeneanarchistischevernetzungleipzig.blackblogs.org/2024/02/13/tra… | |
[4] /G20-Proteste-in-Hamburg-vor-Gericht/!6001554 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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