# taz.de -- Nahost-Konflikt in der Linken: Die Front durch Friedrichshain | |
> Der alte Konflikt ist wieder da: Linke attackieren sich gegenseitig für | |
> ihre Haltung zu Nahost – und kaschieren damit nur ihre | |
> Bedeutungslosigkeit. | |
Bild: Streitpunkt Israel, auch für Antifas | |
Es ist das wohl nach außen sichtbarste linksradikale Hausprojekt Berlins: | |
Auf der Fassade des Eckhauses in der Scharnweberstraße 38 in Friedrichshain | |
prangt über vier Etagen das Logo der Antifaschistischen Aktion. Daneben der | |
Schriftzug: „Gegen jeden Antisemitismus. Nie wieder Deutschland.“ Das seit | |
1990 bestehende Projekt, das sich 2020 dergestalt herausputzte, mag Rechten | |
als Provokation erscheinen. Ärger aber hat es nun von linker, zumindest | |
propalästinensischer Seite gekriegt. | |
Vergangene Woche wurde, wie die „Scharni“ selbst mitteilte, zunächst im | |
Hauseingang „gezündelt“, dann seien alle Schlösser verklebt worden. Parol… | |
an der Hauswand deuteten auf die Täter:innen hin: „Viva Rafah“, | |
„Rassistenhaus“ und „Fuck Anti-D“ – gemeint ist die Strömung der | |
israelsolidarischen Antideutschen – soll da gestanden haben. Öffentlich | |
Statements zum Krieg in Gaza oder der Hamas-Attacke auf Israel hatte das | |
Haus bis dato nicht abgegeben. Die Wut der Angreifer:innen scheint | |
demnach einzig durch den Fassadenspruch getriggert. | |
Die Scharni reagierte auf Indymedia: „Wir stehen zu 100% zu dem, was an | |
unserer Fassade steht. Und eigentlich sollte das unter Linken auch | |
unstrittig sein. Wer sich von dem Spruch ‚gegen jeden Antisemitismus‘ | |
derartig angegriffen fühlt, offenbart nur, wie es um den eigenen | |
Antisemitismus bestellt ist.“ Aus dem Schreiben geht weiterhin hervor, dass | |
sich das Haus nicht einhellig auf einer Seite des Konflikts positioniert | |
und innerlinke Grabenkämpfe lieber überwinden würde: Für den | |
90er-Jahre-Fetisch „Anti-D gegen Anti-Imp“ wolle man nicht „herhalten“. | |
Tatsächlich aber ist die alte Spaltungsfrage der Linken mit Wucht | |
zurückgekehrt. Immer häufiger beharken sich die einseitig Solidarischen nun | |
gegenseitig, womöglich weil andere Gegner:innen weniger greifbar sind | |
oder man – insgeheim – um die eigene Bedeutungslosigkeit für den | |
Nahostkonflikt weiß. Da ist die Deutungshoheit innerhalb der Linken eben | |
das Einzige – und Letzte –, was es vermeintlich zu gewinnen gibt. | |
## Vermehrte Angriffe | |
Zur [1][Zielscheibe des Palästina-Aktivismus wurde kürzlich erst die | |
Hamburger Rote Flora], die ebenfalls den Kampf gegen Antisemitismus | |
hochhält. Eine Kurzzeitbesetzung wurde verbunden mit der Drohung einer | |
feindlichen Übernahme des Kulturzentrums. Für Schlagzeilen sorgte zudem der | |
[2][Boykottaufruf gegen die Fusion] durch „Palästina spricht“ – einzig w… | |
das Festival das Existenzrecht Israels als rote Linie benannt hatte. In | |
Berlin wurden zuletzt sowohl der Club [3][About Blank als auch die | |
antideutsche Kneipe Bajszel mit roten Dreiecken beschmiert, einem | |
umstrittenen Symbol], mit dem auch die Hamas ihre Anschlagsziele markiert. | |
Auf der anderen Seite versuchten antideutsche Gruppen gerade erst eine | |
propalästinensische Demonstration in Halle zu verhindern. Bereits im | |
Oktober gab es einen Anschlag auf ein Leipziger BIPoC-Hausprojekt, dem | |
„Antisemitismus“ unterstellt wurde. | |
Ob das alles was bringt? Glauben wohl nur die Beteiligten. Auch die | |
„Scharni“ hat ihre – ironischen – Zweifel angemeldet: „Zum Glück | |
entscheidet sich der Nahost-Konflikt an unserer Fassade.“ | |
5 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Nahost-Konflikt-in-der-linken-Szene/!6007672 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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