| # taz.de -- Mutmaßliche Polizeigewalt in Hamburg: Falsch verstandene Tradition | |
| > Hamburgs Polizei schafft es nicht, ihre Taktik den realen Erfordernissen | |
| > anzupassen. Sie muss sich immer prügeln. | |
| Bild: Haben vielleicht auch nicht immer Bock, aber die Tradition ruft: Hamburge… | |
| Hamburg taz | Der 1. Mai lebt von Traditionen und Folklore. Einerseits ist | |
| das gut: Viele, die am Kampftag der Arbeiter*innen auf die Straße | |
| gehen, tun dies, weil man eben [1][am 1. Mai demonstrieren] geht. Wo die | |
| Zwänge von Kapitalismus, Patriarchat und Klimazerstörung an 364 Tagen im | |
| Jahr nicht ausreichen, um die Menschen aus ihren Sofaecke hoch zu treiben, | |
| da genügt an diesem einen Tag die Besinnung auf die Tradition. Erster Mai, | |
| da ist frei, da geht man demonstrieren. | |
| Andererseits ist es aber auch bescheuert. Dann, wenn Linken nichts Neues | |
| mehr einfällt, wenn Politgruppen bei Stalins UdSSR hängen bleiben oder | |
| linke Straßenfeste zu Sauf-und-Kauf-Märkten verkommen. Oder wenn sich | |
| Krawall-Kids mit Polizist*innen durchs Viertel jagen, einfach weil es | |
| am 1. Mai dazugehört. Wobei, wenn sie es brauchen… | |
| Allerdings scheint auch die Polizei diese Tradition zu brauchen, zumindest | |
| die Hamburger. Und das ist nicht nur bescheuert und irgendwie egal, denn | |
| Polizist*innen sind eben keine aufgekratzten Jugendlichen, die sich | |
| beweisen müssen, sondern verbeamtete Erwachsene, die Waffen tragen. Wie sie | |
| sich verhalten, ist niemals egal, weil es tödliche Konsequenzen haben kann. | |
| Dennoch schafft es die Hamburger Polizei nicht, ohne Prügelei, ohne | |
| feindselige Auseinandersetzungen, ohne die Schikanierung linker | |
| Demonstrant*innen durch den Einsatz am 1. Mai zu kommen. Das hat die | |
| Polizeiführung dieses Jahr mal wieder bewiesen. Mit einem Großaufgebot | |
| inklusive Wasserwerfern und Räumpanzern rückten die Hundertschaften schon | |
| mittags zur kinderwagentauglichen Großdemonstration an. | |
| ## Proteste kriminalisieren, schikanieren, kontrollieren | |
| Als es, wie erwartet, keinen Grund gab, das schwere Gerät einzusetzen, | |
| drangsalierten die Polizist*innen den schwarzen Block innerhalb der | |
| ansonsten schwarz-bunt gemischten Demo. Erst störte sich die Polizei an den | |
| Schlauchschals und Sonnenbrillen der Teilnehmer*innen, dann an schwarzen | |
| Coronamasken. Eine Stunde lang stand die Demo still, obwohl zu keinem | |
| Zeitpunkt ein Gewaltpotenzial seitens der Teilnehmer*innen bestand. | |
| Bei der anarchistischen Demo am Nachmittag ging die Schikane noch deutlich | |
| weiter. Ganze zwei Stunden lang hinderte der Einsatzleiter die Demo am | |
| Loslaufen. Schuld war erst die Vermummung, dann das eine, dann das andere | |
| Transparent, dann wieder die Vermummung und schwupps – waren zwei Stunden | |
| um und die Demo ging gar nicht mehr los. | |
| Einfach zum Punkkonzert ins Schanzenviertel gehen sollten die | |
| Teilnehmer*innen aber auch nicht, sie mussten da schon eskortiert | |
| werden, mit vier Polizist*innen pro Demonstrant*in, als ob es gegolten | |
| hätte, eine Gewaltorgie zu verhindern. Dabei hatte die kurz vorher | |
| stattgefunden – und zwar dergestalt, dass ein Polizist einen Demonstranten | |
| mit voller Wucht umschmiss, sodass dieser [2][schwerverletzt ins | |
| Krankenhaus kam]. | |
| Es ist verheerend, dass die Hamburger Polizei nicht in der Lage ist, das | |
| Gefahrenpotenzial von Situationen realistisch zu bewerten und ihre Taktik | |
| anzupassen, sondern auf Gedeih und Verderb bei ihrer Traditionslinie | |
| bleibt. Die gibt vor: Proteste kriminalisieren, klein halten, schikanieren, | |
| zu jedem Zeitpunkt kontrollieren, und wenn jemand ausbricht: draufhauen. | |
| Erster Mai, das geht nicht ohne Prügelei. Aber wie wäre es zur Abwechslung | |
| mal damit: Erster Mai, da mach ich – Polizist*in – frei? Wer sich | |
| prügeln will, kann ja ins Boxstudio gehen. | |
| 4 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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