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# taz.de -- Erinnerung an Bremer Brechmittel-Opfer: Langsam mahlende Gedenk-Mü…
> Mit einem Denkmal soll in Bremen an das Brechmittel-Todesopfer Laye Alama
> Condé erinnert werden. Künstler*innen können nun ihr Interesse
> bekunden.
Bild: Nicht das einzige Opfer staatlich sanktionierter Zwangsmaßnahmen: ein Po…
Bremen taz | 2020 wurde von der bremischen Bürgerschaft die Errichtung
eines Mahnmals beschlossen, um der Opfer der rassistischen Polizeipraxis
der zwangsweisen Brechmittelvergabe in Bremen zu gedenken. Wie das Mahnmal
aussehen wird, das soll ein künstlerischer Wettbewerb ergeben, der sich
aktuell in seiner ersten Phase befindet: [1][Kurz vor Jahresende lobte der
Senat ihn aus], bis zum 31. Januar haben Künstler*innen weltweit nun die
Möglichkeit, ihr Interesse auszusprechen.
Das Budget für das Kunstwerk – inklusive Honorar – beträgt 60.000 Euro. D…
Ausschreibung richtet sich gerade auch an Blacks, Indigenous und People of
Color (BIPoC). Der Bau der Gedenkstätte ist für Herbst dieses Jahres
vorgesehen.
Das Vorhaben ist vor allem zivilgesellschaftlichem Druck zu verdanken, für
den insbesondere die Initiative in Gedenken an [2][Laye Alama Condé] immer
wieder sorgt. Der damals aus Sierra Leone Geflüchtete war Ende 2004 unter
dem Verdacht des Drogenhandels festgenommen worden. Er wurde von der
Polizei gefesselt, über eine Nasensonde wurden ihm Brechmittel verabreicht.
Condé verlor das Bewusstsein und fiel ins Koma.
Am 7. Januar 2005 starb der 35-Jährige an den Folgen dieser Prozedur, die
seit 2006 als rechtswidrig und menschenunwürdig gilt. An diesem Samstag
jährt sich sein Tod zum 18. Mal, auch dieses Jahr wird in Gestalt einer
Kundgebung daran erinnert (Sa, 13 Uhr, Goetheplatz).
## Der Standort der Gedenkstätte steht fest
Wie auch immer sie am Ende aussehen wird, der Standort der Gedenkstätte in
Bremen steht längst fest: Innenstadt, neben dem Gerhard-Marcks-Haus, in
Sichtweite einer großen Polizeiwache. In einem Dokument mit Überlegungen
zum Gedenkort betont die Initiative die Bedeutung dieser zentralen Lage des
Ortes: Auch „das System Brechmittel“ sei ja mitten in der Stadt verortet
gewesen.
Nicole Nowak, Sprecherin der Bremer Kulturbehörde, bezeichnet das Vorgehen
als bundesweit einzigartig. Worauf sie anspielt, ist die Bildung einer –
wohlgemerkt ehrenamtlich arbeitenden – Auswahlkommission, die darüber
entscheiden soll, welcher Mahnmals-Entwurf realisiert wird. Zur Mitwirkung
hat die Behörde insbesondere Bremer*innen mit Rassismus- oder auch
anderen Diskriminierungserfahrungen aufgerufen.
Bereits in der Vergangenheit hat die Initiative das Vorgehen zur Errichtung
des Mahnmals gelobt; sie steht auch jetzt hinter der Zusammensetzung der
Auswahlkommission. Die setze sich aus zehn bis zwölf Personen zusammen,
darunter einige von Diskriminierung Betroffene, sagt Gundula Oerter von der
[3][Gedenk-Initiative].
Eine aktive Teilnahme an der Kommission hat die Initiative bewusst
abgelehnt; ihre jahrelange Arbeit würde von der Behörde allerdings
wahrgenommen und berücksichtigt, so Oerter weiter.
## Forderung nach mehr als nur Symbolen
Im Jahr 2017 schuf die Initiative selbst eine mobile Gedenkstätte – zu
einem Zeitpunkt also, zu dem das Thema von allen Zuständigen blockiert
wurde; dieses Denkmal rotiert noch heute durch die Stadt und wird das auch
weiter tun, bis zur Errichtung des offiziellen Mahnmals: Nach einem Jahr an
der Hochschule Bremen zieht die Stätte jetzt an den Goetheplatz, wiederum
für ein Jahr. Mit einer Unterstützung des mobilen Projekts hat die
Initiative Oerter zufolge nie gerechnet – das sei eben Teil des politischen
Aktivismus, der sich nun auszahle.
Die jetzt geplante dauerhafte Gedenkstätte stellt da einen wichtigen Anfang
dar – aber auch nicht mehr als das: Bei allem Lob unterstreicht die Ini die
Forderung nach mehr als nur symbolischem Handeln. Der langjährige Kampf –
und so einer sei es, betont Gundula Oerter – sei längst nicht vorbei.
Zum anstehenden Todestag Laye Alama Condés fordert die Ini keine
öffentlichkeitswirksame Entschuldigung bei allen von Brechmittelvergabe
betroffenen Menschen. Einen Anfang immerhin würde eine echte Bitte um
Verzeihung machen.
Weiter auf dem Tisch liegt die Forderung der Initiative, jene zu
entschädigen, die Opfer der menschenverachtenden staatlichen Praktiken
wurden. Die Behörden verstecken sich Oerter zufolge hinter Ausreden:
Angeblich erschwere etwa die unzureichende Aktenlage es, Betroffene
ausfindig zu machen. Dabei gebe es längst Modelle, um Geschädigte zu
erreichen, sagt Oerter, „zum Beispiel bei Missbrauchsfällen die Fonds
‚Heimerziehung‘“.
## Eine Frage des politischen Willens
Angesprochen auf die bisher unterbliebenen Entschädigungszahlungen seitens
der Stadt sagt Behördensprecherin Nowak: „Anderweitige Entschädigungen
werden passieren“ – sie seien unter anderem Kriterium der Auswahlkommission
für die Errichtung des Gedenkortes. Eine Aufarbeitung werde „aus
unterschiedlichsten Instanzen“ erfolgen, „ressortübergreifend, also nicht
nur vom Kulturressort ausgehend“. Wie diese Maßnahmen konkret aussehen
werden, ist offen. Auf Nachfragen verweist Nowak auf die Einzigartigkeit
des laufenden Prozesses.
Überhaupt nicht einzigartig sind der strukturelle Rassismus und die
Diskriminierung, die dem Brechmitteleinsatz zugrunde lagen – und die
Weigerung der Behörden, Verantwortung zu übernehmen über halbgare
Entschuldigungen hinaus. Das zeigt auch der direkte Vergleich mit Hamburg:
Dort starb, Ende 2001 bereits, der damals 19-jährige Achidi John an
gewaltsamer Verbreichung von Brechmitteln; die verantwortlichen Stellen
erkennen das bis heute nicht an.
Das Leid Condés, aber auch weiterer Betroffener, die teils noch immer in
Bremen leben, bedürfen umfassender Aufarbeitung, Überlebende und Betroffene
müssen entschädigt werden. Zwar ist Bewegung in der Sache durchaus
erkennbar, aber weiterhin nur sehr zäh. Dass es auch anders ginge, davon
ist Gundula Oerter überzeugt: „Es ist, wie immer, eine Frage des
politischen Willens.“
6 Jan 2023
## LINKS
[1] https://www.senatspressestelle.bremen.de/pressemitteilungen/gedenkort-fuer-…
[2] /Laye-Conde/!t5023381
[3] https://brechmittelfolter-bremen.de/
## AUTOREN
Ann-Christin Dieker
## TAGS
Polizei Bremen
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Laye Condé
Brechmittel
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