Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Lob der Margarine: Die Butter kriegt ihr Fett weg
> Die Butterpreise explodieren, der Absatz von Margarine steigt. Das ist
> nicht nur für das Klima und die Tiere eine gute Nachricht.
Bild: Laut den Verkaufszahlen ist Butter beliebter – dabei spricht vieles fü…
Margarine hat keinen guten Ruf: Sie ist als Arme-Leute-Streichfett
verschrien, angeblich ungesund und geschmacklich unterlegen. Doch
angesichts der [1][massiven Preissteigerungen bei Butter] greifen immer
mehr Menschen in Deutschland zu Pflanzenfett. Der Absatz von Januar bis
November 2022 ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,7 Prozent
gestiegen, so das Marktforschungsunternehmen GfK auf Anfrage der taz.
Gleichzeitig sei 9,6 Prozent weniger Butter und Butterschmalz als vor einem
Jahr verkauft worden.
„Bei hohen Butterpreisen wird gerne auf die günstigeren Varianten
zurückgegriffen“, schrieb die Firma der taz. GfK wertet jeden Monat die
Einkaufsbons Tausender VerbraucherInnen aus. Deutschland isst also weniger
Butter. Ist das jetzt gut oder schlecht – und was heißt das für unsere
Gesundheit?
Zeit für ein Margarine-Porträt.
## Sie schützt das Klima
Die „gute Butter“ kommt bodenständig und natürlich daher. Wie kann schlec…
sein, was schon Urgroßmutter sich auf die Stulle schmierte? Was viele nicht
ahnen: [2][Das traditionelle Streichfett ist eines der klimaschädlichsten
Lebensmittel überhaupt.] Ein Kilogramm Butter verursacht in der
konventionellen Variante 9 Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalente, so eine
Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu).
Das ist mehr als durch die Produktion von Trinkmilch, Käse oder
Schweinefleisch entsteht. Vollfettmargarine dagegen kommt auf nur 2,8
Kilogramm CO2-Äquivalente.
Sie besteht hauptsächlich aus pflanzlichen Ölen wie Raps-, Sonnenblumen-
oder Kokosöl. Dabei hat das ifeu auch einkalkuliert, dass zum Beispiel für
die Zutat Palmöl Wälder gerodet worden sein könnten, etwa in Indonesien.
Die schlechte Klimabilanz der Butter ist vor allem darauf zurückzuführen,
dass für ein Kilogramm des teuren Fetts sage und schreibe 25 Liter frische
Milch benötigt werden. Milchkühe stoßen das besonders klimaschädliche
Methan aus, wenn sie ihr Futter verdauen. Für Biobutter fällt absurderweise
sogar noch mehr Treibhausgas an, weil im Ökolandbau die Erträge pro Tier
und Hektar meist niedriger sind und deshalb mehr Böden bewirtschaftet
werden müssen. Und das, obwohl Biobauern ihre Kühe üblicherweise auf der
Weide und nicht nur im Stall halten.
## Sie gefährdet Regenwälder
Margarine soll sich gut streichen lassen. Deshalb enthalten fast alle
Produkte Palm-, Kokos- und/oder Sheafette, die bei Zimmertemperatur fest
bleiben. Sie alle stammen aus Plantagen in tropischen Ländern. Nicht selten
werden für diese Plantagen Wälder zerstört. Das vernichtet Lebensräume für
Pflanzen und Tiere und setzt große Mengen Kohlendioxid frei. Für Palmöl
soll das Siegel des Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) verhindern,
dass weitere schützenswerte Gebiete gerodet werden. Die Umweltorganisation
Greenpeace kritisiert aber, dass solche Zertifizierungssysteme
Schwachstellen hätten. Kokos sei zudem kaum zertifiziert.
Ilka Petersen, Landnutzungsreferentin vom WWF, rät dennoch, der schlechten
Klimabilanz halber, von Butter ab und empfiehlt als Alternative
Biomargarine. Das Ökosiegel gewährleiste, dass sich feststellen lässt, wo
die Rohstoffe herkommen. Auch Butter kann übrigens zur Vernichtung von
Regenwald oder anderen wertvollen Biotopen beitragen: Denn Milchkühe werden
oft mit Soja gefüttert, das auf gerodeten Flächen in tropischen Breiten
angebaut wird.
## Sie schützt Tiere
Butter ist kein Fleisch, aber auch für sie leiden und sterben Tiere. Damit
Kühe Milch liefern, müssen sie Kälber zur Welt bringen. Ungefähr die Hälfte
der Kälber sind männlich, als Milchproduzenten ungeeignet und werden daher
nach wenigen Monaten geschlachtet. Die Milchkühe selbst werden
geschlachtet, sobald ihre Produktivität zurückgeht.
Margarine dagegen kommt meist ohne tierische Produkte aus. Es ist zwar nach
EU-Recht erlaubt, dass Margarine einen geringen Teil tierische Fette
enthalten darf, doch laut dem staatlichen [3][Bundeszentrum für Ernährung]
besteht Margarine heute „normalerweise nur aus pflanzlichen Fetten“.
## Sie schont den Geldbeutel
Wer sich für Margarine entscheidet, spart mehr als die Hälfte.
Typischerweise rund 3,40 Euro kostet derzeit ein Kilogramm konventionelle
Margarine, mit knapp 8 Euro schlägt die gleiche Menge Butter zu Buche.
Während der [4][durchschnittliche Butterpreis im November 42 Prozent höher
war als ein Jahr zuvor], betrug die Steigerung bei Margarine nur 35
Prozent, so das Statistische Bundesamt.
## Sie ist besser als ihr Ruf
Margarineprodukte waren lange berüchtigt für Transfettsäuren, die das
ungünstige Cholesterin im Blut erhöhen. Das ist vorbei, stellt die
Stiftung Warentest fest. „Unser jüngster Test Margarine (test 8/2017)
bestätigt, dass Transfettsäuren in Margarine heute kaum noch eine Rolle
spielen.“ Das liege vor allem an verbesserten Produktionsmethoden.
Heute habe das Streichfett „im Vergleich zu Butter einen höheren Gehalt an
ungesättigten Fettsäuren und damit eine bessere
Fettsäurenzusammensetzung“, schreibt die Deutsche Gesellschaft für
Ernährung (DGE). Gemeint sind zum Beispiel [5][Omega-3- und
Omega-6-Fettsäuren, die laut Stiftung Warentest nachweislich positiv auf
Bluthochdruck, Blutgerinnung und die Herzgesundheit wirken]. Die DGE
empfiehlt deshalb: „Bevorzugen Sie die pflanzlichen Öle und Fette.“
Gruseliges Detail: Alle getesteten Margarinen enthielten die
Fettschadstoffe Glycidyl-Ester, die bei der Produktion entstehen und das
menschliche Erbgut verändern können. Allerdings in sehr geringen Mengen,
relativiert die Stiftung. Beunruhigend auch dieses Ergebnis: Die
Zeitschrift Öko-Test fand Mineralölbestandteile in Margarine, vermutlich
aus Produktion und Verpackung. Allerdings auch in fast allen untersuchten
Butterprodukten.
Noch eine gute Nachricht in Sachen Fett: Sowohl Butter als auch
Vollfettmargarine liefern viel Energie: mindestens 720 Kilokalorien pro 100
Gramm. Die DGE rät daher, täglich nicht mehr als 15 bis 30 Gramm dieser
Streichfette zu essen.
## Sie ist gesund
Zwar finden sich in Biomargarine in der Regel keine chemisch-synthetischen
Pestizide. Aber in der Untersuchung der Stiftung Warentest von 2017 war die
beste Biomargarine nur „befriedigend“ – unter anderem wegen lediglich
„ausreichender“ ernährungsphysiologischer Qualität.
Auch in der Öko-Test-Ausgabe vom November 2021 schnitt „Bio“ schlechter ab.
Die Fettzusammensetzung war weniger günstig als bei der konventionellen
Konkurrenz. Das liegt daran, dass Bio verstärkt auf bei Zimmertemperatur
streichfestes Kokos- oder Sheafett setzt. Diese Fette sind aber reich an
gesättigten Fettsäuren. Vor allem langkettige gesättigte Fette erhöhen das
ungünstige LDL-Cholesterin im Blut.
Immerhin: Selbst die Biomargarinen lagen in puncto Fettqualität vor der
Butter. Die fünf getesteten Produkte enthielten „etwa 40 bis 50 Prozent
gesättigte Fettsäuren. Das ist immer noch günstiger in der Zusammensetzung
als Butter, die typischerweise etwa 60 Prozent gesättigte Fettsäuren
enthält“, sagt Katja Tölle, Vize-Chefredakteurin von Öko-Test, der taz.
## Sie schmeckt
Gerade wenn Margarine nicht in einem Plastikbehälter, sondern wie Butter in
Folie verpackt daherkommt, dürften viele KonsumentInnen den Unterschied gar
nicht bemerken. In den letzten Untersuchungen von Stiftung Warentest zu
Butter und Margarine bekamen in beiden Produktklassen jeweils 47 Prozent
der getesteten Artikel die Note „gut“ für „Sensorik“ – also für Kat…
wie Aussehen, Textur, Geruch, Geschmack und [6][Mundgefühl]. „Sehr gut“
wurde nicht vergeben.
## Sie bäckt und brät
„Braten Sie mit Margarine“, rät die Stiftung Warentest. Sie bestätigt, da…
Braten mit allen geprüften Produkten gut bis sehr gut gelingt. Nur wenige
Fettspritzer gingen neben die Pfanne, wenn zum Beispiel eine Frikadelle
darin brutzelt. Auch Bratkartoffeln und Steaks ließen sich prima in
Margarine braten – solange ihr Fettgehalt hoch genug ist.
Das bedeutet Abschied von den Halbfettmargarinen: Diese haben nur 39 bis 41
Prozent Fett. „Mancher Fettexperte hält Margarine im Vergleich zu Öl sogar
für das bessere Bratfett. Ihr Wasseranteil von nahezu 20 Prozent leitet
die Wärme besonders schonend an das Bratgut weiter“, so die Stiftung.
Butter hingegen eigne sich schlecht zum Braten bei hohen Temperaturen, da
Bestandteile wie Milchzucker und Eiweiß verbrennen.
Und was das Backen angeht: Laut Packungsangaben sind fast alle von Stiftung
Warentest geprüften Produkte für die Röhre geeignet. Wer Kalorien sparen
will, greift zu fettreduzierten Varianten.
## Sie hat Geschichte
Butter wird meist nur aus Milch hergestellt. Margarine dagegen ist ein
künstliches Gemisch aus Fett und Wasser, das Emulgatoren wie Lecithin
braucht, um stabil zu bleiben. Dazu kommen heute oft Zitronensäure als
Säuerungsmittel und der Farbstoff Beta-Carotin. Margarine als Brotaufstrich
hat eine lange Geschichte: Sie wurde auf Initiative des französischen
Kaisers [7][Napoleon] III. erfunden und bereits 1869 als Patent angemeldet.
Der Imperator brauchte damals ein preisgünstiges und lange haltbares
Streichfett für seine Truppen.
## Sie bleibt zweite Wahl
Trotz alledem: Es geht noch immer mehr Butter als Margarine über die
Ladentheke. Von Januar bis November 2022 lag der Margarineabsatz laut GfK
bei 153.864 Tonnen, der von Butter bei 181.694 Tonnen. Wider alle
Vernunft.
16 Jan 2023
## LINKS
[1] https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/T…
[2] /CO-Bilanz-von-veganem-Essen/!5906966
[3] https://www.bzfe.de/lebensmittel/lebensmittelkunde/margarine-und-mischfette/
[4] https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/T…
[5] /Archiv-Suche/!5780183&s=Omega+3&SuchRahmen=Print/
[6] /Wassersommelier-ueber-Sprudel/!5790104
[7] /Erzaehltes-Sachbuch-ueber-das-Jahr-1816/!5855530
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Ernährung
Zukunft
Podcast „Vorgelesen“
Butter
GNS
wochentaz
Butter
Öl
Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
IG
CO2-Emissionen
Butter
Lebensmittel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klimakiller kostet immer mehr: Butter teurer? Esst Margarine!
Butter hat sich um 29 Prozent verteuert. Das ist gut für Klima und Vieh.
Denn billigere Margarine verursacht weniger Treibhausgase und kein
Tierleid.
Öl als Brotbelag: Schmeckt wie geschmiert
Butter? Margarine? Nee, Öl muss aufs Brot. Doch die Auswahl der richtigen
Sorte erfordert etwas Experimentierfreude. Ein Erfahrungsbericht.
Öko- versus konventionelle Lebensmittel: Inflation bei Bio geringer
Der Preisabstand zwischen zahlreichen Öko- und herkömmlichen Lebensmitteln
verringert sich. Ein Grund ist der Verzicht auf teure Kunstdünger.
Cem Özdemir zum Umbau der Landwirtschaft: „Ich habe harte Gegner“
Sein Einfluss sei begrenzt, sagt Bundesagrarminister Cem Özdemir. Vorzeitig
nach Baden-Württemberg wechseln will der Grünenpolitiker trotzdem nicht.
CO₂-Bilanz von veganem Essen: Veganuary lohnt sich
Den Januar nutzen viele, um vegane Ernährung auszuprobieren. Diese hat
nicht nur niedrigere Emissionen, sondern trägt auch zur CO₂-Bindung bei.
Die Fettration: Alles in Butter
Mit Harissa oder Wasabai mischen, in die Soße rühren oder aufs Brett
schmieren: Butter ist nicht nur im Land des Abendbrots essenziell.
Nährwertkennzeichnung für Lebensmittel: Zu wenige Produkte mit Nutri-Score
Nur 40 Prozent der untersuchten Nahrungsmittel trügen die
Nährwertkennzeichnung, so die Verbraucherzentralen. Das Siegel müsse
Pflicht werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.