| # taz.de -- Streit um Termin des Klima-Entscheids: Wahl und Entscheid am gleich… | |
| > Klima-Aktivist*innen drängen auf einen Termin; laut Wahlleiter sei das | |
| > kaum zu organisieren. Auch in der taz läuft die Debatte. Ein Pro und | |
| > Contra. | |
| Bild: Wann wird über den Klimavolksentscheid abgestimmt – das ist hier die F… | |
| ## Pro | |
| Die Zukunftsprognosen für die Spezies Mensch und die von ihr errichtete | |
| Zivilisation sind düster. Wenn wir es nicht schaffen, die Erderwärmung zu | |
| begrenzen, dürfte vieles davon im wahrsten Sinne des Wortes untergehen. Es | |
| drohen soziale und politische Krisen, deren Ausmaß wir uns derzeit kaum | |
| ausmalen können. | |
| Der Kampf gegen die Klimakatastrophe ist das wichtigste Thema unserer Zeit. | |
| Ein Volksentscheid, dessen Ziel ein verstärkter Einsatz gegen diese | |
| Katastrophe ist, sollte alle Aufmerksamkeit bekommen, die er bekommen kann. | |
| Er muss daher parallel zur [1][Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl am 12. | |
| Februar] stattfinden. Das sind die Politiker*innen – egal, ob sie den | |
| von der Initiative vorgelegten Gesetzentwurf unterstützen oder nicht – der | |
| Bevölkerung schuldig. Denn wir alle werden vom Klimawandel betroffen sein. | |
| An einem separaten Termin nach der Wiederholungswahl [2][droht der | |
| Entscheid am Quorum von 25 Prozent zu scheitern]. Die Erfahrung mit der | |
| direkten Demokratie zeigt: Soloabstimmungen mobilisieren sehr viel weniger | |
| Abstimmungsberechtigte, da es ja lediglich um ein einzelnes Thema geht. | |
| Zudem könnten die Gegner*innen des Entwurfs – bisher alle demokratischen | |
| Parteien –, statt sich der Diskussion zu stellen, diese ignorieren, um dem | |
| Thema durch Nichtbeachtung noch weniger Aufmerksamkeit zukommen zu lassen | |
| und die Wahlbeteiligung noch mehr zu senken. Eine solche Taktik wäre | |
| peinlich angesichts der politischen Bedeutung dieser Abstimmung. | |
| Unbestritten erhöht es den Aufwand, parallel zu einer Wahl einen | |
| Volksentscheid zu organisieren. Doch vieles deutet darauf hin, [3][dass die | |
| Vorbereitung gut läuft,] auch dank des Einsatzes des neuen | |
| Landeswahlleiters. Nach kurzer Zeit haben sich bereits zwei Drittel der | |
| benötigten Wahlhelfer*innen gemeldet; die Wahlunterlagen sind offenbar | |
| auf einem guten Weg nach Berlin. Es wäre also – nach allem, was bekannt ist | |
| – herausfordernd, aber möglich, beide Termine zusammenzulegen. | |
| Angesichts der noch viel größeren Herausforderung durch die Klimakrise | |
| müssen sich Senat und Landeswahlleitung dieser Aufgabe stellen. Wie könnte | |
| man später jüngeren Generationen gegenüber rechtfertigen, dass man die | |
| zentrale Frage der Gegenwart als Nischenthema behandeln und den | |
| Berliner*innen eine umfassende Debatte darüber vorenthalten musste, | |
| bloß weil die Hauptstadt eines der reichsten Länder der Erde angeblich | |
| nicht in der Lage war, 2,5 Millionen Abstimmungszettel zu drucken und zu | |
| verschicken? | |
| Auf der [4][COP27 in Ägypten] haben die Staaten vor wenigen Tagen gezeigt, | |
| dass sie nicht in der Lage sind, entschlossen zu handeln. Natürlich ist der | |
| Weg auf dem 1,5- oder 2-Grad-Pfad sehr beschwerlich und entbehrungsreich. | |
| Aber wir müssen jetzt die Frage beantworten, welchen Weg wir gehen wollen. | |
| Und zwar möglichst alle. Bert Schulz | |
| ## Contra | |
| Am Wahltag auch via Volksentscheid über mehr Klimaschutz abstimmen? Klar, | |
| lieber in einem Aufwasch, der eine Zettel mehr in der Wahlkabine kann ja | |
| wohl … eben doch ein sehr großes Problem sein. | |
| Denn was so einfach klingt – nämlich beide Termine zusammenzulegen –, ist | |
| so einfach nicht. Sonst würde nicht schon eine Wahl zum Abgeordnetenhaus im | |
| Normalfall ein Jahr lang vorbereitet. Irgendwas muss da schon mehr dran | |
| sein, als nur ein paar Zettel auszuhändigen. | |
| Das gilt umso mehr, weil die Wahl am 12. Februar 2023 eben kein Normalfall | |
| ist: Eine Wiederholungswahl hatte Berlin, hatte Deutschland noch nie in | |
| diesem Umfang. Nur drei Monate inklusive Weihnachtsferien bleiben der | |
| Landeswahlleitung und ihren Zuarbeitern in den Bezirken für die | |
| Vorbereitung. Eine „Herkulesaufgabe“ nennt das Wahlleiter Stephan Bröchler, | |
| und wer sich darunter nichts vorstellen kann, der sollte mal bei Schwabs | |
| Sammlung griechischer Sagen nachlesen, wie immens eine solche | |
| Herausforderung ist. | |
| Mit diesem Vergleich hat Bröchler zudem allein den korrekten Ablauf der | |
| Wahlwiederholung gemeint, nicht etwa eine Kopplung mit dem Volksentscheid. | |
| Dafür hat er eine andere, klare Einschätzung: Eine zeitgleiche Abstimmung | |
| könnte die Wahl gefährden. Gefährden aber hieße: wieder Angriffsfläche für | |
| Klagen und Einsprüche bieten, sich wieder zum Gespött weltweit machen – | |
| erst die Flughafeneröffnung um acht Jahre verschieben und dann eine Wahl | |
| verbocken. | |
| Doch das ist gar nicht der zentrale Punkt: Eine erneut scheiternde Wahl | |
| würde das Vertrauen in die Demokratie weiter leiden lassen. Dieses Risiko | |
| darf der Senat auf keinen Fall eingehen – umso weniger, weil es ja beim | |
| Volksentscheid nicht um ein Entweder-am-Wahltag-oder-gar-nicht geht. Bis | |
| Ende März kommenden Jahres bleibt Zeit, über jenes Gesetz abzustimmen, auf | |
| dessen Basis Berlin schon bis 2030 und nicht wie vom Senat beschlossen 2045 | |
| klimaneutral werden soll. | |
| Natürlich ist es einfacher, nur an einem Sonntag ins Wahllokal gehen und | |
| nur einmal seine Stimmen abgeben zu müssen. Aber wo steht geschrieben, dass | |
| Demokratie, egal ob repräsentativ oder direkt, nicht auch fordernd sein | |
| darf? Wem wirklich etwas an dem Anliegen des Volksbegehrens liegt, der oder | |
| die wird auch an einem anderen Sonntag als dem 12. Februar den in Berlin | |
| selten langen Weg ins Wahllokal bewegen. | |
| Getrennte Termine heißt: die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den zwölf | |
| Bezirksparlamenten durch Konzentration aller Ressourcen absichern und | |
| Berlin rehabilitieren, ohne dem Volksentscheid zu schaden. Schaden können | |
| der direkten Demokratie nur jene, denen fürs große Ziel der Klimarettung | |
| schon ein kleiner Extraweg zu viel ist. Wem im rot-grün-roten Senat an | |
| beidem liegt, der wird eine Koppelung ablehnen müssen. Stefan Alberti | |
| 28 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
| Stefan Alberti | |
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