# taz.de -- Wahlwiederholung in Berlin: Bezirke sind wahlentscheidend | |
> Die Bezirke haben wenig Zeit, um Wahllokale zu finden und HelferInnen für | |
> die Wiederholungswahl zu rekrutieren. Sie gehen damit sehr | |
> unterschiedlich um. | |
Bild: Ran an die Urnen – hoffentlich gibt's am 12. Februar auch genug davon | |
Berlin taz | Die auf den 12. Februar angesetzte [1][Wiederholung der | |
Abgeordnetenhauswahl] ist für Berlin Neuland und wirft Fragen und | |
organisatorische Herausforderungen auf. Noch nie musste eine Wahl innerhalb | |
von 90 Tagen organisiert werden. Das heißt: Es gibt wenig Zeit, um | |
Wahllokale aufzubauen, Wahllisten zu drucken und Wahlhelfende zu finden. | |
Und es gibt auch inhaltliche Fragen, die noch nie anstanden. | |
Die wichtigste Frage: Wer wird eigentlich gewählt? Das sind die Mitglieder | |
des Abgeordnetenhauses und der zwölf Berliner | |
Bezirksverordnetenversammlungen, kurz BVV. Kurios mag es klingen, dass die | |
Mitglieder der Bezirksämter, also die BezirksbürgermeisterInnen und | |
StadträtInnen, hingegen im Amt bleiben – und zwar auch dann, wenn sich | |
durch die Wahlwiederholung die Mehrheitsverhältnisse im Bezirk verändern | |
sollten. | |
„Sie sind für die Dauer der Legislaturperiode gewählt, die durch die | |
Wahlwiederholung nicht beendet wird“, sagt Sabine Beikler, die Sprecherin | |
der Innenverwaltung, der taz. Nur mit Zweidrittelmehrheit im Bezirksamt, | |
so Beikler, könne ein für die Dauer der Legislaturperiode in den | |
Beamtenstand berufener Stadtrat abberufen werden – sodass die Position | |
danach neu besetzt werden kann. In diesem Fall, und auch wenn ein Stadtrat | |
oder eine Stadträtin freiwillig zurücktritt oder verstirbt, gibt es ein | |
Vorschlagsrecht für die Neunominierung eines Kandidaten. | |
Dieses Vorschlagsrecht ergibt sich aber aus den aktuellen | |
Mehrheitsverhältnissen in der BVV. Es liegt also nicht unbedingt bei der | |
Partei, die derjenige angehört, der aus dem Bezirksamt ausscheidet. Die | |
Bezirke werden sich aber Abwahlen gut überlegen: Dann stünden nämlich hohe | |
Versorgungsansprüche für die abgewählten Stadträtinnen und Stadträte bis | |
zum Ende der Legislaturperiode an. | |
Die Bezirke sind es auch, die für die [2][Wahlwiederholung organisatorisch | |
die meiste Arbeit stemmen müssen]. Sie müssen Personal bereitstellen, | |
Wahllokale unter Vertrag nehmen, WahlhelferInnen finden und die | |
Wählerlisten vorbereiten. Lichtenberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Spandau, | |
Reinickendorf und Marzahn-Hellersdorf haben Bürgerämter geschlossen, weil | |
sie das Personal für die Wahlvorbereitung brauchen. | |
In Reinickendorf betrifft das beispielsweise das Bürgeramt | |
Reinickendorf-Ost. 30 MitarbeiterInnen aus dem Bezirksamt, darunter die | |
komplette Besatzung dieses Bürgeramtes, seien seit Anfang November in das | |
Wahlamt abgeordnet und stünden damit für ihre eigentlichen Aufgaben nicht | |
zur Verfügung, teilt das Bezirksamt mit. Demnächst will Reinickendorf | |
darüber hinaus 40 externe Arbeitskräfte temporär einstellen. | |
## Treptow-Köpenick schließt kein Bürgeramt | |
Treptow-Köpenick geht nach Aussagen von Bezirksbürgermeister Oliver Igel | |
(SPD) einen anderen Weg: Der Bezirk stellt elf temporäre Dienstkräfte neu | |
ein und beschäftigt zudem 38 Auszubildende bei der Wahlvorbereitung. Die | |
Schließung eines Bürgeramtes werde dadurch nicht nötig, so Igel. | |
Wegen der langen Wartezeiten in den Wahllokalen 2021 hat das | |
Landesverfassungsgericht den Bezirken auch nahegelegt, mehr Wahlkabinen | |
bereitzustellen. „Die 2.256 Urnenwahllokale waren für durchschnittlich rund | |
1.085 Wahlberechtigte zuständig“, schreibt das Landesverfassungsgericht in | |
seinem Urteil. Dabei gab es große bezirkliche Unterschiede. In Pankow gab | |
es mit 1.312 Wahlberechtigten pro Wahllokal das schlechteste Verhältnis. Am | |
günstigsten sah es in Treptow-Köpenick aus, wo durchschnittlich 880 | |
Wahlberechtigte auf ein Wahllokal kamen. | |
Bezirksbürgermeister Igel sieht seinen Bezirk durch das Gerichtsurteil | |
bestätigt und will bei der Zahl und Auswahl der Wahllokale keine Änderungen | |
vornehmen. Ausnahmen gibt es: Die Briefwahl kann beispielsweise nicht wie | |
sonst im Rathaus stattfinden, weil dort gerade saniert wird. Der Bezirk | |
werde dafür externe Räume anmieten, sagt Igel. | |
Anders in Reinickendorf: Dort will der Bezirk nach Angaben des | |
stellvertretenden Bezirkswahlleiters Hauke Haverkamp das Gerichtsurteil so | |
umsetzen, dass in den Wahllokalen deutlich mehr Wahlkabinen aufgestellt | |
werden. Das bedeute, so Haverkamp, „dass in manchen Stimmbezirken andere | |
Wahllokale gesucht werden müssen“ die groß genug sind. Auch Pankow hat per | |
Pressemitteilung angekündigt, größere Wahllokale anzumieten, um mehr | |
Kabinen aufzustellen. Erst wenn alle Wahllokale feststehen, können die | |
Bezirke überhaupt damit beginnen, die WählerInnen anzuschreiben. Denn in | |
der Wahlbenachrichtigung muss stehen, wo man seine Stimme abgeben kann. | |
## Suche nach WahlhelferInnen läuft | |
Entspannter scheint die Suche nach WahlhelferInnen zu laufen. Berlin | |
braucht insgesamt 42.000 WahlhelferInnen, rund 8.000 mehr als 2021. Die | |
können nicht allein aus dem öffentlichen Dienst kommen, und darum hat | |
Berlin das steuerfreie „Erfrischungsgeld“ von 50 auf 240 Euro angehoben. | |
Das führt bereits zu mehr BewerberInnen. In Reinickendorf haben sich | |
beispielsweise schon 2.700 BürgerInnen beworben, 4.000 werden benötigt. | |
Was nicht nötig sein wird bei einer Wiederholungswahl: Die Parteien | |
brauchen keine neuen KandidatInnen zu nominieren. Es kandidieren exakt die | |
gleichen KandidatInnen wie am 26. September 2021. Allerdings gibt es | |
Ausnahmen: KandidatInnen, die zwischenzeitig ihre „Wählbarkeit verloren | |
haben“, wie es Axel Hunger, der Bezirkswahlleiter von Lichtenberg, | |
formuliert, seien aus den Listen zu streichen. Das betrifft verstorbene | |
KandidatInnen wie beispielsweise Marina Borkenhagen, die 2021 erfolgreich | |
für die Linke in Treptow-Köpenick kandidierte, aber keine drei Monate | |
später verstarb. | |
Gestrichen werden auch Personen, die gerichtlich verurteilt wurden und | |
deshalb die Wählbarkeit verloren haben, oder die inzwischen nicht mehr in | |
Berlin wohnen. Wer nur in einem anderen Bezirk gezogen ist, kann hingegen | |
in seinem alten Bezirk auf der Liste bleiben, so Hunger. Wer aus seiner | |
ursprünglichen Partei oder Fraktion ausgetreten ist, wird ebenfalls nicht | |
von den Listen gestrichen. | |
Das betrifft in Lichtenberg beispielsweise je einen Kandidaten für die AfD | |
und die Linke. Für solche Entscheidungen müssen die bezirklichen | |
Wahlausschüsse Extrasitzungen einberufen und über jeden Einzelfall beraten. | |
Erst danach können die Wahllisten überhaupt gedruckt werden. | |
2 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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