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# taz.de -- Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus: Machen wa dit Janze jetz von vo…
> Wird die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wegen zahlreicher Pannen
> wiederholt? In Teilen der Stadt könnte auch der Bundestag erneut gewählt
> werden.
Bild: 28. September 2021: Franziska Giffey gibt ihre Stimme in einem Berliner W…
1 Was war am 26. September 2021 in Berlin los?
Viel. Zu viel, um korrekt Wahlen abzuhalten, findet der Berliner
Verfassungsgerichtshof. Gleich drei Wahlen – zum Bundestag, zum
Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Bezirksparlamenten – fanden statt,
[1][dazu ein Volksentscheid], parallel zum Großereignis Berlin-Marathon,
der weite Teile der Innenstadt verstopfte. Und das Ganze unter
Coronabedingungen. Die Folge: Vor vielen Wahllokalen bildeten sich teils
stundenlange Schlangen, Stimmzettel fehlten oder waren fehlerhaft. Bereits
wenige Tage später trat die Landeswahlleiterin zurück. In diesem Sommer
attestierte eine vom Berliner Senat eingesetzte Expert*innenkommission, der
damals zuständige Innen- und heutige Bausenator Andreas Geisel (SPD) habe
die „logistische Hausforderung der Vierfachwahl massiv unterschätzt“. Für
10 Prozent der Wahllokale sind Pannen belegt.
2 Und darum soll gleich die ganze Abgeordnetenhauswahl wiederholt werden?
Damit rechnen in Berlin alle Parteien. Das Berliner Verfassungsgericht muss
über mehr als 30 Einsprüche gegen die Wahl entscheiden. Bei einer Anhörung
Ende September hatten die neun Richter*innen klar gemacht, dass sie die
bekannten Fehler nur für „die Spitze des Eisbergs“ halten, entsprechend von
einer hohen Dunkelziffer ausgehen, und dass zudem viele Fehler bei besserer
Vorbereitung vermeidbar gewesen wären. Sie schlossen sich damit weitgehend
der Analyse der Senatskommission an. Die Schlussfolgerung von
Gerichtspräsidentin Ludgera Selting: „Nur die vollständige Wiederholung der
Wahlen kann deren Verfassungskonformität wieder herstellen.“ Am 16.
November will das Gericht sein Urteil verkünden.
3 Berlin hat ja schon vieles gegen die Wand gefahren. Da dürften die
Parteien ja auf so eine harte Einschätzung gefasst gewesen sein.
Überhaupt nicht. Das Bundesverfassungsgericht hatte bisher zu weniger
schwerwiegenden Fällen strenge Vorgaben gemacht, wann eine Wahl wiederholt
werden müsse. Die Pannen müssten konkret benannt werden und zudem
„mandatsrelevant“ sein, also Auswirkungen auf die Verteilung der Sitze
haben. Sprich: Es muss sich um sehr knappe Ergebnisse in einzelnen
Wahlkreisen handeln. Die gibt es aber nur in drei der zwölf Wahlkreise. Das
Verfassungsgericht in Karlsruhe und der Berliner Verfassungsgerichtshof
vertreten somit juristisch sehr unterschiedliche Auffassungen.
4 Und die Politik in Berlin will das akzeptieren?
Laut Gesetz ist der Verfassungsgerichtshof in Berlin dafür zuständig, eine
mögliche Ungültigkeit einer Wahl zu erklären. Der Senat hat daher
angekündigt, ein entsprechendes Urteil zu akzeptieren – alles andere würde
dessen Legitimität unterminieren. Auch bei den Parteien geht man davon aus,
dass am 16. November der Wahlkampf beginnt. Die Kampagne sei fertig, heißt
es etwa aus der SPD, die 2021 stärkste Partei wurde und [2][seitdem
zusammen mit Grünen und Linken regiert].
Kritischer zeigt sich die Senatsverwaltung für Inneres. In einem Schreiben
von Mitte Oktober fordert sie die neun Richter*innen deutlich auf, die
vorläufige, also in der Anhörung geäußerte Rechtsauffassung noch einmal zu
„überdenken“. Einzelne Abgeordnete erwägen nach taz-Informationen zudem, …
Falle einer Entscheidung für die Wahlwiederholung von sich aus Karlsruhe
anzurufen. Dann müsste das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob es sich
des Falls annimmt.
5 Wann würde erneut gewählt?
Spätestens drei Monate nach dem Urteil muss die Wahl stattfinden, den
Termin legt der neue Landeswahlleiter fest. Er hat schon signalisiert, dass
es der 12. Februar 2023 wäre. Das gilt aber nur, sofern Karlsruhe nicht ins
Spiel kommt.
6 Und was ist mit der Bundestagswahl in Berlin? Die fand doch parallel
statt.
Hier kommt ziemlich sicher das Bundesverfassungsgericht ins Spiel. Zwar ist
für die Überprüfung der Gültigkeit erst mal das höchste deutsche Parlament
selbst zuständig. Am Donnerstag hat die Ampelkoalition mit ihrer Mehrheit
einem Beschluss zugestimmt, dass auch die Bundestagswahl in Berlin
wiederholt werden muss – aber lediglich in 431 von 2.256 Wahlbezirken. Der
Opposition geht das nicht weit genug, auch der Bundeswahlleiter hatte mehr
Handlungsbedarf gefordert. Deswegen wird davon ausgegangen, dass eine
Fraktion gegen diesen Beschluss vor dem Verfassungsgericht vorgeht.
Dahinter steckt auch politisches Kalkül: Die Linkspartei sitzt nur deshalb
in Fraktionsstärke im Bundestag, weil sie drei Direktmandate gewinnen
konnte, davon zwei in Berlin.
7 Wann würde die Bundestagswahl in Berlin wiederholt?
Das ist offen. In Berlin geht man derzeit jedenfalls von zwei Wahlterminen
aus.
8 Wie will die Berliner Landesregierung verhindern, dass es erneut ein
Chaos vor den Wahlurnen gibt?
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) lässt keinen
Anlass aus, zu betonen, man wolle das verlorene Vertrauen der
Wähler*innen zurückgewinnen: „Berlin kann Wahlen.“ Dafür wurden erste
Rechtsgrundlagen geändert – so dürfen Stimmzettel jetzt nicht erst am
Wahltag auf Korrektheit kontrolliert werden, das „Erfrischungsgeld“, also
die Entschädigung für Wahlhelfer*innen, wurde auf bis zu 240 Euro mehr als
verdreifacht, um deutlich mehr als die 38.000 Helfer*innen von 2021 für
die Aufgabe zu gewinnen. Außerdem findet im Februar kein Großereignis
parallel statt. Allerdings könnte es zu einem Volksentscheid kommen, wenn
die Initiative „Berlin 2030 klimaneutral“ die nötigen Unterschriften bis
Montag zusammenbekommt.
9 Welche Partei würde eine Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl in Berlin
voraussichtlich gewinnen? Derzeit regiert Rot-Grün-Rot.
Schwer zu sagen. In Umfragen liegen SPD, Grüne und CDU knapp unter 20
Prozent. Wie die Wahl ausgeht, wird auch davon abhängen, wie dramatisch
Inflation und Energiekrise im Winter werden. Und wie die Ampelregierung
dann dasteht: Der Rückenwind für Olaf Scholz 2021 hatte auch Franziska
Giffey entscheidende Punkte gebracht. Bei den Grünen hofft man, die knappe
Niederlage gegen Giffey in einen Sieg umzuwandeln; die Linke sorgt sich,
nicht zu stark für [3][die miserable Arbeit der Bundestagsfraktion]
verantwortlich gemacht zu werden.
11 Nov 2022
## LINKS
[1] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!5803072
[2] /Rot-Gruen-Rot-in-Berlin-startet/!5823993
[3] /Turbulenzen-in-der-Linksfraktion/!5882142
## AUTOREN
Bert Schulz
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