# taz.de -- Turbulenzen in der Linksfraktion: Kein Bock auf Wagenknecht-Reden | |
> Wer für die Linke im Bundestag spricht, hat sich an die Beschlüsse der | |
> Partei zu halten. Das fordern acht Abgeordnete per Antrag an ihre | |
> Fraktion. | |
Bild: Erst Beifall klatschen, dann die Verantwortung abschieben: Linksfraktions… | |
BERLIN taz | Auf der Sitzung der Bundestagsfraktion der Linkspartei am | |
Dienstag könnte es eine Richtungsentscheidung geben. Mehrere Abgeordnete | |
haben einen Antrag eingebracht, mit dem erreicht werden soll, dass | |
umstrittene Bundestagsauftritte, wie unlängst der von Sahra Wagenknecht, | |
nicht mehr im Namen der Fraktion stattfinden können. Es dürfte hitzig | |
werden. | |
„Für die Außenwahrnehmung unserer Fraktion und Partei haben die Reden im | |
Plenum des Bundestags eine besondere Bedeutung“, heißt es in dem Antrag, | |
der der taz vorliegt. Daher solle der Fraktionsvorstand „sicherstellen“, | |
dass die Redezeit der Linksfraktion „für die Vertretung der gemeinsam | |
beschlossenen Positionen“ genutzt wird. Mitglieder der Fraktion, die | |
erklärten, nicht die gemeinsamen Positionen der Partei vertreten zu wollen, | |
sollen „auf die Möglichkeit der individuellen Wortmeldung bei der | |
Bundestagspräsidentin“ verwiesen werden. | |
Ein entsprechender Beschluss der Fraktion würde ganz auf der Linie des | |
Parteivorstandes liegen. „Wir sind eine plurale Partei und abweichende | |
Meinungen sind natürlich legitim“, sagte Linken-Chefin Janine Wissler der | |
taz. Wer aber in Parlamenten für die Linke spreche, müsse in der ohnehin | |
äußerst knappen Redezeit die Positionen der Partei vertreten. „Das zu | |
gewährleisten, dafür ist die Fraktionsspitze verantwortlich“, so Wissler. | |
Auf wen die acht Antragsteller:innen abzielen, daran lassen sie keinen | |
Zweifel: „Die Rede von Sahra Wagenknecht zum Einzelplan des | |
Bundeswirtschaftsministeriums hat zu erheblichen politischen Verwerfungen | |
bis hin zu Austritten aus der Partei geführt“, schreiben die | |
Linken-Abgeordneten Gökay Akbulut, Anke Domscheit-Berg, Ates Gürpınar, | |
Caren Lay, Cornelia Möhring, Martina Renner, Bernd Riexinger und Kathrin | |
Vogler. | |
## Auftritt sorgte für heftige Empörung | |
Wagenknecht hatte [1][in ihrer Rede am 8. September] der Bundesregierung | |
vorgeworfen, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren | |
wichtigsten Energielieferanten vom Zaun“ gebrochen zu haben. Entgegen der | |
Beschlusslage der Linkspartei forderte sie ohne Ausnahmen eine Aufhebung | |
der „fatalen Wirtschaftssanktionen“ gegen Russland. | |
Der Auftritt der Ex-Fraktionschefin [2][sorgte für heftige Empörung]. Unter | |
anderem erklärte Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des | |
Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, [3][seinen Austritt aus der Linken]. Er | |
könne und wolle nicht Mitglied einer Partei sein, deren Bundestagsfraktion | |
Wagenknecht mit ihren „sehr bekannten Thesen“ und ihrer diffamierenden | |
Sprache „ins Schaufenster“ stelle. | |
Aus Fraktionskreisen heißt es, dass Wagenknechts Rede eine „Entschädigung“ | |
für ihren verhinderten Auftritt auf der Leipziger Demonstration am 5. | |
September gewesen sei. Trotz aller Warnungen hätte die Fraktionsführung um | |
Dietmar Bartsch und vor allem Amira Mohamed Ali das so gewollt. | |
Dabei hätten die beiden auch hingenommen, dass Wagenknecht darauf bestanden | |
habe, ihre Rede so zu halten, wie sie das für richtig hält – egal, wie die | |
Parteibeschlusslage aussieht. Nur Nord Stream 2 habe sie nicht erwähnen | |
dürfen. Daran hat sie sich gehalten. | |
## Flunkert Dietmar Bartsch? | |
Bartsch schiebt die Verantwortung ab: „Der Vorschlag kam von den | |
Haushältern und nicht von der Fraktionsspitze“, sagte er der taz. Und er | |
fügte hinzu: „Niemand hat in der Fraktionssitzung den Antrag gestellt, dass | |
Sahra Wagenknecht nicht reden möge.“ | |
Dass es dort heftigen Widerspruch gab, den Mohamed Ali lautstark | |
abschmetterte, ließ er unerwähnt. Auch soll Bartsch selbst mit Verweis auf | |
die Außenwirkung darum gebeten haben, es nicht zu einer Abstimmung kommen | |
zu lassen. | |
Stutzig an der Darstellung von Bartsch machen zudem zwei schriftliche | |
Vorlagen der Parlamentarischen Geschäftsführung der Linksfraktion zur | |
Vorbereitung der Sitzungswoche, die der taz vorliegen. | |
Die erste wurde am 5. September vor der Fraktionsvorstandssitzung erstellt. | |
Dort ist zu lesen, dass bei der Aussprache im Bundestag zum Punkt | |
„Wirtschaft und Klimaschutz“ eine dreiminütige Rede des Haushälters Victor | |
Perli eingeplant war, die verbleibenden zwei Minuten waren noch offen: | |
„N.N.“ steht da nur. | |
Die zweite Vorlage wurde nur zwei Stunden später erstellt – unmittelbar | |
nach der Fraktionsvorstandssitzung, die zu einer wundersamen Änderung der | |
Redeliste geführt hat. Hier heißt es nun plötzlich: „DIE LINKE. 5 min/ | |
Sahra Wagenknecht“. Dieses Papier wurde der Fraktion vorgelegt. | |
Bartsch wolle einfach nur mal wieder seine Hände in Unschuld waschen, sagt | |
ein frustriertes Fraktionsmitglied. Erst mache der vermeintliche „Reformer“ | |
einen miesen Deal und dann versuche er die Schuld für das absehbare | |
Desaster auf andere abzuwälzen. | |
## Drohende Abspaltung | |
Die Stimmung unter den 39 Linken-Parlamentarier:innen ist so schlecht wie | |
noch nie. Nur Dietmar Bartsch gibt sich unerschütterlich. Die Frage, ob er | |
denke, dass die Linksfraktion in dieser Konstellation bis zum Ende der | |
Legislatur zusammen bleiben wird, beantwortete er der taz kurz und knapp: | |
„Ja.“ Außer ihm glauben das nicht mehr viele. | |
In der Linkspartei wird inzwischen [4][offen über eine Abspaltung] des | |
Wagenknecht-Lagers geredet. Die Frage sei nicht mehr, ob es gehen würde, | |
sondern nur noch, wann. Das sagen einige führende Linken-Politiker:innen | |
der taz hinter vorgehaltener Hand. Wagenknecht selbst beantwortet die | |
Frage, ob sie in der Partei bleiben werde, stets gleich sibyllinisch: | |
[5][„Aktuell bin ich Mitglied der Linken.“] | |
Er appelliere „an alle zu bleiben und nicht mit Spaltungsversuchen zu | |
spielen“, sagte Jan Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der | |
Linksfraktion. „Aber wer Fraktion oder Partei verlassen möchte, soll das | |
jetzt tun“, so Korte zur dpa. „Von allen, die bleiben, erwarte ich, dass | |
sie sich voll auf unseren gemeinsamen Job konzentrieren.“ | |
Auf der Fraktionssitzung am Dienstag wird es auch um die nur noch schwer zu | |
übersehenden Absetzbewegungen gehen. Denn der Antrag des Kreises um den | |
Ex-Parteivorsitzenden Bernd Riexinger hat noch eine weitere interessante | |
Passage. Beschlossen werden soll auch dieser Teil: „Die | |
Fraktionsversammlung weist Versuche, sich von der Partei abzuspalten und | |
alternative Wahlantritte (etwa zur Europawahl) vorzubereiten, als | |
unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion Die Linke | |
zurück.“ | |
Ob sich dafür noch eine Mehrheit in der Linksfraktion findet? | |
19 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Verstoerende-Rede-im-Bundestag/!5880882 | |
[2] /Zoff-in-der-Linkspartei/!5879197 | |
[3] /Nach-Wagenknecht-Rede-im-Bundestag/!5881326 | |
[4] /Streit-in-der-Linkspartei/!5881129 | |
[5] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100047784/s… | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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