# taz.de -- Turbulenzen in der Linkspartei: Banalitäten als Provokation | |
> Die Linksfraktion beschließt mehrheitlich Selbstverständlichkeiten. Für | |
> das Wagenknecht-Lager ist das aber schon eine Majestätsbeleidigung. | |
Bild: Hat einigen Beratungbedarf: Linksfraktionschef Dietmar Bartsch übt sich … | |
Wer wissen will, in welchem Zustand sich die Linkspartei befindet, braucht | |
sich nur anzuschauen, was ihre Bundestagsfraktion nach rund dreistündiger | |
Diskussion am späten Dienstagnachmittag beschlossen hat. Nein, Dietmar | |
Bartsch, Amira Mohamed Ali & Co. haben nichts Skandalöses verabschiedet, | |
ganz im Gegenteil. Ihr „Beschluss über die Arbeitsweise der Fraktion“ | |
enthält eigentlich nur Selbstverständlichkeiten. | |
Doch in der Linkspartei ist eben nichts mehr selbstverständlich. Weswegen | |
das Wagenknecht-Lager seine Zustimmung zu der Feststellung von Banalitäten | |
verweigert hat. Das zeigt, [1][wie tief die Zerrüttung ist]. | |
Die zentralen Punkte des beschlossenen Papiers: Für die Mitglieder der | |
Linksfraktion bilden das Partei- und Wahlprogramm, sowie die Beschlüsse der | |
Parteitage die Grundlage ihrer Arbeit. Grundsätzlich sollen Redner:innen | |
im Bundestag die Mehrheitsmeinungen der Fraktion vortragen, über die | |
Zuteilung von Redezeiten für davon abweichende Positionen entscheide die | |
Fraktion. Außerdem sollen die Linken-Abgeordneten ihre Pflichten | |
wahrnehmen, was insbesondere die Teilnahme an Fraktions-, Bundestags- und | |
Ausschusssitzungen bedeute. | |
Das ist nicht mehr als die Definition von Grundstandards parlamentarischer | |
Zusammenarbeit, über die in anderen Fraktionen gar nicht erst diskutiert | |
werden muss. Bei der Linksfraktion schon. Vier Abgeordnete stimmten | |
dagegen, einer enthielt sich. Sahra Wagenknecht stimmte nicht mit. Und | |
Sevim Dağdelen, eine ihrer treuesten Verbündeten, glänzte mal wieder durch | |
Abwesenheit. | |
Dass der Fanclub der nur per Video zugeschalteten Wagenknecht schon | |
Selbstverständlichkeiten als Majestätsbeleidigung begreift, ist ein Beleg | |
dafür, wie wenig in der Fraktion noch zusammengeht. Trotz aller wortreichen | |
Appelle zum Zusammenhalt, die es auf der Sitzung gegeben hat. Es hat also | |
nichts genützt, dass der Fraktionsvorstand eine eigene Vorlage eingebracht | |
hat, die gegenüber dem – zurückgezogenen – [2][Antrag des Kreises um den | |
bewegungslinken Ex-Parteichef Bernd Riexinger] deutlich entschärft war, | |
weil nicht mehr Ross und Reiter genannt wurden. | |
## Wagenknechts bedingungsloses Grundeinkommen | |
Für Außenstehende ist dadurch die Provokation des Beschlusses nicht einmal | |
wirklich erkennbar. Wer weiß schon, dass Wagenknecht ihren | |
parlamentarischen Pflichten schon lange nicht mehr ernsthaft nachkommt. Sie | |
lässt sich kaum im Bundestag blicken, sitzt in keinem einzigen Ausschuss | |
und zu Fraktionssitzungen kommt sie auch nur selten. Im Grunde nimmt sie | |
für sich bereits – wenn auch weitaus höher dotiert – jenes bedingungslose | |
Grundeinkommen in Anspruch, über das in der Linkspartei gerade per | |
Mitgliederentscheid abgestimmt wird. | |
Zudem wäre [3][eine Rede, wie die Wagenknechts], in der sie der | |
Bundesregierung vorgeworfen hat, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg | |
gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun“ gebrochen zu haben, | |
auch weiterhin möglich. Die Fraktion müsste sich nur zuvor mehrheitlich | |
dafür aussprechen, ihrer umstrittenen Ex-Fraktionschefin die entsprechende | |
Redezeit einzuräumen. | |
Da allerdings wird es spannend. Bislang wird die Linksfraktion dominiert | |
von einem rein machttaktisch begründeten Bündnis der „Reformer:innen“ um | |
Fraktionschef Dietmar Bartsch mit den Wagenknechtianer:innen. Das | |
ermöglichte einen solchen deutschnationalen [4][Auftritt wie den | |
Wagenknechts am 8. September]. Doch für Bartsch wird der Gegenwind selbst | |
aus den eigenen Reihen immer stärker. Und er scheint langsam zu begreifen, | |
was die Stunde geschlagen hat. | |
Dass Bartsch und seine Unterstützer:innen gemeinsam mit dem Kreis um | |
Bernd Riexinger gestimmt haben, ist ein Hoffnungsschimmer. Es ist auch eine | |
Stärkung der Parteivorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler. | |
Bisher war das alleinige Bestreben von Bartsch darauf gerichtet, die 39 | |
Abgeordneten, die derzeit noch für die Linkspartei im Bundestag sitzen, | |
irgendwie zusammenzuhalten. Das ist einerseits nachvollziehbar. Treten nur | |
drei aus, ist der Fraktionsstatus futsch. Andererseits: Zusammenhalten | |
lässt sich nur, was sich nicht schon zur Trennung entschieden hat. Wer sich | |
aber nicht mehr auf Selbstverständlichkeiten der Zusammenarbeit | |
verständigen will, ist [5][dabei, seinen Abschied vorzubereiten]. Da helfen | |
auch keine Appelle mehr. | |
21 Sep 2022 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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