| # taz.de -- Landesparteitag der Linken in Berlin: Zwischen Krise und Krisen | |
| > Die Linke kritisiert Rechtsausleger in den eigenen Reihen und die | |
| > Bundesregierung. Sie bekommt Unterstützung von einem prominenten | |
| > Ex-Mitglied. | |
| Bild: Hat keinen Platz für Schwurbeleien: Berlins Linken-Chefin Katina Schuber… | |
| Berlin taz | Es kommt selten vor, dass ein [1][gerade ausgetretenes | |
| Mitglied] einen derart prominenten Auftritt auf einem Parteitag erhält – | |
| und auch noch viel Applaus bekommt. Ulrich Schneider ist der dritte Redner | |
| auf dem Treffen der Berliner Linken an diesem Samstagmorgen; er weiß um | |
| seine Besonderheit. Und so beginnt der Hauptgeschäftsführer des | |
| Paritätischen Gesamtverbands seinen Gastbeitrag mit einem Blick zurück. Er | |
| sei wirklich hart in der Sache und „kein Kind von Traurigkeit“, betont | |
| Schneider. „Aber was ich im Bundestag zu hören bekam, war zu viel, da war | |
| Schluss.“ | |
| Schneider hatte kurz nach dem [2][Auftritt von Sahra Wagenknecht in der | |
| Bundestagsdebatte Anfang September] sein linkes Parteibuch aus Protest | |
| zurückgegeben. Am Samstag begründet er das mit der „verächlich machenden | |
| und verachtenden Sprache, mit der man auf niemanden mehr zugehen kann“. | |
| Kurz darauf betont er: „Ich bleibe immer Linker, ob in der Partei oder | |
| außen.“ Denn die Notwendigkeit für eine solidarische Politik sei nie so | |
| groß gewesen wie derzeit: „Wir befinden uns in der allergrößten Krise in | |
| Deutschland seit 1945. Aber das haben noch nicht alle verstanden.“ | |
| Schneider umreißt damit [3][das Themenspektrum dieses Parteitags] zwischen | |
| Krise (in der Partei) und Krisen ([4][von Corona bis Energie]). Dabei gilt | |
| der Berliner Landesverband als relativ immun gegen die rechtspopulistischen | |
| Positionen Wagenknechts. Seit 2002 regiert man mit kurzer Unterbrechung im | |
| Land mit, an der Spitze standen und stehen stets Unterstützer*innen | |
| eines pragmatischen Kurses. Auf dem Parteitag selbst gibt es zwar auch | |
| Russland-Fans, aber sie bilden eine überschaubare Minderheit. | |
| Und dennoch hat Wagenknecht mit ihrer Rede, in der sie von einem | |
| „Wirtschaftskrieg gegen Russland“ gesprochen hatte, den die Ampelregierung | |
| „vom Zaun gebrochen“ habe, auch viele Berliner Linken in die Verzweiflung | |
| getrieben. Man weiß: die bundespolitischen Fehltritte könnten der in | |
| Hauptstadt bisher weitgehend stabilen Linken schaden. | |
| ## Applaus für Schirdewan | |
| So ist die Spannung groß, wie Co-Parteichef Martin Schirdewan mit dem | |
| Affront parteiöffentlich umgehen wird. Es ist seine erste Rede überhaupt | |
| auf einem Landesparteitag, seit er im Juni in Erfurt an die Linkenspitze | |
| gewählt wurde. Auf dem 47-Jährigen ruhen viele Hoffnungen, [5][die Linke im | |
| Bund raus aus den innerparteilichen Querelen zu führen]. | |
| Schirdewan versucht, das soziale Profil der Partei in den Vordergrund zu | |
| stellen, fordert noch zur Bewältigung der Energiekrise eine | |
| Übergewinnsteuer, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine | |
| Vermögensabgabe für Superreiche, einen Strom- und Gaspreisdeckel. „Die | |
| Ampelregierung lässt die Leute im Stich, aber wir nicht.“ | |
| Erst am Ende kommt Schirdewan zur zweiten K-Frage. Man brauche die | |
| Energiewende, um Putin „die Rote Karte zeigen zu können“. Als er vom | |
| „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ spricht, diesen [6][Reizworten für d… | |
| Wagenknecht-Flügel], blickt er ein bisschen bang in die Reihen vor ihm. | |
| Aber auch er bekommt Applaus. | |
| ## Die Irrtümer der Wagenknecht-Linken | |
| Zuvor hat Berlins Landeschefin Katina Schubert vom „imperialistischen Krieg | |
| Russlands“ gesprochen und betont: „Wer jetzt meint, mit der Inbetriebnahme | |
| von Nord Stream 2 und der Aufhebung von Sanktionen gegen den Angreifer | |
| Russland würde alles wie früher, irrt.“ Und während die Bundesregierung in | |
| der Energiekrise die „Armen schlicht im Regen stehen lässt“, handle die | |
| Berliner Landesregierung, an der die Linke beteiligt ist. | |
| Bis zu 1,5 Milliarden Euro aus Landesmitteln stünden bereit, um Vorsorge zu | |
| treffen und Härten abzufedern. „Wir haben – als erstes Bundesland überhau… | |
| – ein [7][wirksames Entlastungspaket] verhandelt.“ Was die Linke nicht | |
| anhalten werde, Proteste auf der Straße – von links – zu unterstützen und | |
| sich daran zu beteiligen. | |
| Das sei auch dringend nötig, folgt man den Befürchtungen von Ulrich | |
| Schneider. Er warnt davor, dass Deutschland an und in diesen Krisen | |
| zerbrechen könnte. Und appelliert eindringlich, die Krisen nicht einzeln | |
| oder gegeneinander, sondern gemeinsam zu bewältigen. „Sorgt dafür, dass | |
| diese Krisen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die schönste | |
| Rentenreform nutzt nichts, wenn die Lebensgrundlagen flöten gehen.“ | |
| Damit spielt er – wie mehrere Redner*innen – auf die erfolgreichen | |
| Proteste von Fridays for Future am Vortag an. Auch Schneider mahnt, | |
| ökosozial zu denken – was die Linke, wie selbst interne Kritiker*innen | |
| meinen, erst mühsam lernen muss. Auch der Parteitag am Samstag sei ein | |
| Beispiel dafür: Über einen Großteil der eingereichten Anträge zu diesem | |
| Thema würde nicht debattiert, kritisieren Redner*innen. | |
| 24 Sep 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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