# taz.de -- Linke drängt auf Enteignung: Angriff und Verteidigung zugleich | |
> Die Linke startet eine Kampagne für ein Enteignungsgesetz. Sie braucht | |
> das für ihre Glaubwürdigkeit, aber das Risiko sollte sie nicht | |
> unterschätzen. | |
Bild: Das Volk feiert den Volksentscheid: am Samstag vor der Volksbühne in Ber… | |
An diesem Montag ist es genau ein Jahr her, dass fast 60 Prozent der | |
Berliner*innen [1][beim Volksentscheid für die Enteignung großer | |
Wohnungsbestände gestimmt haben]. Die Linke hatte die Initiative voll und | |
ganz unterstützt, als einzige der drei Senatsparteien. Auf [2][ihrem | |
Parteitag am Samstag] hat sie nun eine Kampagne gestartet für die baldige | |
Umsetzung des Entscheids, denn, so die Argumentation, „Wohnen gehört in die | |
öffentliche Hand“. Die Kampagne ist Angriff und Verteidigung zugleich. | |
Denn natürlich muss sich auch die Linke fragen lassen, warum bisher nichts | |
aus dem Entscheid gefolgt ist – obwohl die Angebotsmieten seitdem noch mal | |
gestiegen sind und massive Renditen der Wohnungsunternehmen die Aktionäre | |
jubeln lassen, während Mieter*innen kaum Geld fürs Heizen haben. Seit | |
[3][Sommer tagt eine Kommission aus von Senat und Initative benannten | |
Expert*innen], doch kaum jemand erwartet, dass die Gruppe sich für ein | |
entsprechendes Enteignungsgesetz ausspricht. | |
Die Sorge, der Senat unter SPD-Führung verschleppe den Willen der | |
Bevölkerung, ist weit verbreitet. Davon muss sich die Linke absetzen; daher | |
die Unterstützung von Parteiführung, Abgeordneten, sogar Justizsenatorin | |
Lena Kreck für die Kampagne. Man will zudem mindestens „Eckpunkte“ eines | |
Enteignungsgesetzes erarbeiten, hieß es am Samstag, um im April, wenn die | |
Expert*innenkommission ihre Empfehlung ausspricht, nicht mit leeren | |
Händen dazustehen. | |
## Koalition unter Druck | |
Die massive Kampagne stärkt indes die Fliehkräfte in der rot-grün-roten | |
Koalition. Zwar haben auch Teile der Grünen erklärt, es gehe nicht mehr | |
darum, ob es ein Gesetz gebe, sondern nur noch, wie dieses aussehe. Auch | |
die SPD-Basis hat [4][sich dieser Position angeschlossen] – zum Entsetzen | |
weiter Teile der Parteiführung und Bausenator Andreas Geisel. So harsch die | |
Linke auf Enteignung drängt, so deutlich lehnen die SPD-Oberen sie ab. | |
Dabei stehen Franziska Giffey, Raed Saleh und Co. durch [5][die jüngsten | |
Umfragezahlen unter Druck]. Die SPD ist danach nur noch drittstärkste | |
Partei, hinter den Grünen und der CDU. Noch schlimmer: Die Zustimmung für | |
die Arbeit der Regierungschefin ist von 40 Prozent im März auf gut 30 | |
Prozent gesunken. Giffey kommt auch bei den Berliner*innen immer | |
weniger an, nachdem schon die Genossen sie bei ihrer Wiederwahl mit einem | |
miserablen Ergebnis brüskierten. Das sorgt für Nervosität. | |
Dabei können es sich beide Seiten nicht leisten, die Koalition platzen zu | |
lassen. Nach dem Niedergang im Bund und der wieder aufgeflammten Debatte | |
über die Positionen von Sahra Wagenknecht braucht die Linke jede | |
Regierungsbeteiligung, die sie hat, um zu zeigen, dass sie Politik für die | |
Menschen machen kann. Die SPD würde wohl bei einer Neuwahl – nach | |
derzeitigem Stand und ohne den Scholz-Boom des letzten Jahres – das Rote | |
Rathaus verlieren, es wäre das Ende der politischen Karriere der beiden | |
Parteichefs in Berlin. Doch ein Ausweg aus diesem Patt ist nicht in Sicht. | |
25 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Volksbegehren-Deutsche-Wohnen-enteignen/!t5764694 | |
[2] /Parteitag-in-Berlin/!5879949 | |
[3] /Enteignungskommission/!5856821 | |
[4] /Streit-um-A-100-in-Berlin/!5861933 | |
[5] /SPD-in-Umfrage-auf-Abwaertskurs/!5883431 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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