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# taz.de -- SPD in Umfrage auf Abwärtskurs: In Versuchung geführt
> Ein Jahr nach der Wahl sind die regierenden Sozialdemokraten in Berlin
> nur drittstärkste Kraft. Das stellt sie in der Krise auf eine harte
> Probe.
Bild: Autos fand sie schon immer toll: Giffey bei der „Babylon Berlin“-Prem…
Fragt man bei Berliner Linken und Grünen, was sie so ganz allgemein über
ihren „großen“ Koalitionspartner sagen können, lautet die Antwort oft: �…
SPD ist einfach immer im Wahlkampf!“ Zumindest erklären sich Linke und
Grüne so die regelmäßigen Nickligkeiten, mit denen die Sozialdemokraten die
Beziehung der drei untereinander nie langweilig werden lässt. Etwa, wenn
die Parteichefs Franziska Giffey und Raed Saleh mal nebenbei [1][ihren Plan
für eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets öffentlich machen], ohne ihn mit
jemandem abgesprochen zu haben.
Das bewährte Koalitionsmantra vom „Man muss auch mal Gönnen können“, spr…
die anderen Parteien im Bündnis Punkte machen lassen, galt für Berlins SPD
schon lange nicht mehr. In den nächsten Wochen und Monaten sind weitere
solcher kleiner Schläge unter die Gürtellinie zu erwarten. Denn die SPD,
die am 26. September 2021 mit Giffey [2][die Wahl zum Abgeordnetenhaus
gewinnen] und damit die lange in Umfragen führenden Grünen noch abfangen
konnte, ist laut einer am Mittwoch veröffentlichen Umfrage wieder hinter
Grüne und sogar CDU zurückgefallen.
17 Prozent der Berliner*innen würden die SPD derzeit noch wählen, ergab
die Erhebung von Infratest dimap im Auftrag der rbb24-Abendschau und der
Berliner Morgenpost. Das sind drei Prozentpunkte weniger als bei der
letzten Erhebung im März und sogar vier Prozentpunkte weniger im Vergleich
zum Wahlergebnis. Profitieren konnten die Grünen. Sie liegen mit 22 Prozent
der Stimmen knapp vor der CDU, die auf 21 Prozent kommt; beide verbesserten
sich um einen Prozentpunkt. Die Linke verharrte bei 12 Prozent.
Grund zur Panik ist das für die SPD eigentlich nicht. Alle drei Parteien
sind nah beisammen, die Gewinne und Verluste überschaubar und – wenn man
will – auch mit der Fehlerquote solcher Umfragen zu erklären. Eklatant ist
hingegen die stark zurückgegangene Zufriedenheit mit der Arbeit der
Regierenden Bürgermeisterin: Nur noch 31 Prozent der Befragten zeigten sich
zufrieden, im März waren es 40 Prozent. Auch wenn in der jüngsten
Vergangenheit die Berliner Regierungschefs nie besonders hohe Werte in
dieser Hinsicht einfuhren: Franziska Giffey müsste das zu denken geben.
Sie hat in diesen ersten neun Monaten im Amt – der Senat wurde kurz vor
Weihnachten gewählt – zwar kaum große Akzente setzen können. Das ist aber
angesichts der Überlagerung vieler Krisen und Herausforderungen nicht
unbedingt verwunderlich. Abgesehen davon regiert sie weitgehend fehlerfrei.
Zudem besetzt sie drängende politische Themen wie den [3][Umgang mit
Geflüchteten] aus der Ukraine oder eben das 9-Euro-Ticket gerne selbst und
vermittelt – anders als ihr SPD-Vorgänger Michael Müller – die
entsprechende Senatspolitik oft gemeinsam mit den Fachsenator*innen, etwa
in der wöchentlichen Pressekonferenz am Dienstag.
Doch ein Image als Macherin hat sie damit nicht gewonnen. Ein wenig
erinnert die Situation an den jüngsten Parteitag der SPD im Juni, als
Giffey von den Delegierten mit weniger als 60 Prozent im Amt der
Landesvorsitzenden bestätigt und zugleich düpiert wurde.
## Keine von „denen da oben“
Giffey legt viel Wert auf Bürgernähe, zumindest sind darauf viele ihrer
öffentlichen Auftritte ausgelegt. Sie versucht, sich den Menschen der Stadt
als eine von ihnen, als eine von 3,8 Millionen Berliner*innen zu
verkaufen. Sie will keine Politikerin sein, die abgehoben in ihrer Blase
unterwegs ist. Auf diese Nahbarkeit beruhte ihre Popularität als
Bundesfamilienministerin. Doch offenbar verfängt diese Strategie bei den
Berliner*innen nicht – oder nicht mehr –, egal wie viele hübsche
Bildchen sie von sich auf ihren vielen Instagram-Kanälen posten läst.
Das liegt sicher auch an der generellen Skepsis, ob es der Politik im Land
und im Bund gelingt, die Bevölkerung ohne gravierende Nachteile durch die
ökonomische Krise in diesem Winter zu bugsieren. Es dürfte zudem an der
bundesweit gesunkenen Popularität der SPD und ihrem Kanzler Olaf Scholz
liegen, dessen Hoch im vergangenen Sommer auch Giffey mit in ihr Amt trug.
Es liegt aber auch an der Regierenden selbst, die bisher kein eigenes
politisches Profil entwickeln konnte. Giffey macht nicht den Eindruck, in
Berlin wirklich angekommen zu sein.
Für die beiden SPD-Landeschefs bedeutet das: harte Arbeit. Und die Frage
ist: Können Saleh und Giffey der Versuchung zumindest meistens widerstehen,
sich auf Kosten ihrer Koalitionspartner in den Vordergrund zu spielen?
Gerade in Krisezeiten ist es wichtig, dass Koalitionen Einigkeit zeigen;
dass sie vermitteln, da zu sein für die Menschen, die sie gewählt haben und
auch für jene, die sie nicht gewählt haben. In Berlin gelang das in der
Hochphase der Coronapandemie gut. Im Bund gelingt das derzeit kaum.
Dabei zeigt ein Blick auf Kanzler Scholz, dass man auch als SPDler
[4][nicht immer gleich in Alarmismus verfallen] muss, nur weil die
Umfragewerte nicht stimmen. Scholz verfolgt kühl und nüchtern die eigenen
Ziele – wobei nicht immer klar ist, welche die sind.
24 Sep 2022
## LINKS
[1] /Nachfolger-fuer-9-Euro-Ticket-in-Berlin/!5877588
[2] /Die-Wahl-in-Berlin-in-Grafiken/!5803565
[3] /Giffey-und-Kipping-wehren-sich/!5843312
[4] /Scholz-ruft-Putin-an/!5881673
## AUTOREN
Bert Schulz
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Umfragewerte
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