# taz.de -- Entlastungspaket für Berliner*innen: Senat hilft mit 1,5 Milliarde… | |
> Rot-Grün-Rot erhöht die Hilfsgelder. Mieter*innen sollen geschützt, | |
> Firmen unterstützt werden. Dafür müsse der Bund die Schuldenbremse | |
> aussetzen. | |
Bild: Billiger ÖPNV ist eine Entlastung für Viele | |
Berlin taz | Die rot-grün-rote Koalition hat sich auf ein weitreichendes | |
Entlastungspaket für die Berliner*innen in der Energiekrise geeinigt. | |
Am Montag verkündeten die Spitzen der Koalition, bis zu 1,5 Milliarden Euro | |
aus Landesmitteln zur Verfügung zu stellen. Die Regierende Franziska Giffey | |
(SPD) sprach vor der Presse von einer „Spannbreite von 800 Millionen bis | |
1,5 Milliarden Euro“, auf die man sich geeinigt habe. | |
Wie viel man genau für konkrete Maßnahmen investieren könne, hänge jetzt | |
maßgeblich vom Bund ab, betonte Giffey. Entscheidend sei, dass [1][der Bund | |
die Schuldenbremse in 2023 aussetze], so die Regierende. „Auf diese | |
Forderung haben wir uns in der Koalition geeinigt.“ | |
Damit schließt sich Berlin vor der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch | |
[2][Forderungen aus Bayern und NRW] an. Bundesfinanzminister Christian | |
Lindner (FDP) sieht diese Möglichkeit derzeit nur als Ultima Ratio. | |
Klar sei aber auch, betonte Giffey, das man nicht allein auf den Bund | |
warten wolle. Man sei „in einer der schwierigsten Notlagen seit Ende des | |
Weltkriegs“. Entscheidend sei, dass insbesondere kleine und mittlere | |
Einkommen entlastet werden. Dafür ist ein Nachtragshaushalt vorgesehen, der | |
die bereits mit dem letzten Haushalt beschlossene 380 Millionen Euro | |
Energierücklage ergänzen soll. Soziale Träger sollen von Zuschüssen zu | |
Heizkosten und Strom profitieren, aber auch Leistungsempfänger*innen. Wer | |
genau in welcher Höhe anspruchsberechtigt ist, soll jetzt eine Kommission | |
auf Senatsebene klären, sagte Giffey. | |
## Kündigungsmoratorium für Mieter | |
Entlastet werden sollen Privathaushalte auch durch ein Kündigungsmoratorium | |
bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften: Wer seine Energiekosten | |
nicht mehr bezahlen kann, soll vor Kündigung geschützt werden. „Wir wollen | |
jetzt genau schauen: Gibt es Menschen, die in den mittleren und unteren | |
Einkommensbereichen durchs Rost fallen?“, sagte Giffey. Für die rund | |
100.000 Berliner Unternehmen soll es ebenfalls Energiekosten-Soforthilfen | |
geben, die – wie [3][bei den Corona-Soforthilfen] – über die | |
Investitionsbank Berlin ausgezahlt werden sollen. | |
Der Grünen-Vorsitzende Philmon Ghirmai betonte, wie wichtig es sei, dass | |
der Bund die Schuldenbremse aussetze: „Es geht darum, das Land Berlin zu | |
befähigen, die Kosten für die Hilfen auch zu tragen.“ | |
Linken-Landeschefin Katina Schubert sagte zu einem billigeren | |
ÖPNV-Sozialticket, das derzeit 27,50 Euro kostet, das sei „noch nicht mit | |
dem VBB geeint“. Man arbeite aber daran. Schubert betonte, der Fokus auf | |
die kleineren Einkomen „hat auch etwas damit zu tun, dass wir den Konsum | |
einigermaßen stabil halten wollen. Die Menschen sollen weiterhin einkaufen | |
und in die Kneipe gehen. Die Stabilisierung der kleinen und mittleren | |
Haushalte ist lebensnotwendig für die soziale und wirtschaftliche Struktur | |
der Stadt.“ | |
## Paket war lange angekündigt | |
Das Berliner Entlastungspaket, das Lücken schließen soll, die der Bund mit | |
seinen Hilfen noch offen lässt, war lange angekündigt worden. Bereits vor | |
der parlamentarischen Sommerpause hatte Finanzsenator Daniel Wesener | |
(Grüne) einen [4][Energie-Nothilfefonds] in Aussicht gestellt. | |
Doch die Details blieben unklar – auch weil man zunächst warten wollte, was | |
der Bund an Entlastungen beschließen würde. Die Ampelkoalition im Bund | |
hatte sich Anfang September schließlich auf ein 65 Milliarden Euro schweres | |
Paket geeinigt, das die Bürger*innen durch den Herbst und Winter bringen | |
soll: Neben einer 300 Euro Einmalzahlung für Rentner*innen und 200 Euro | |
für Studierende wird unter anderem der Kreis der | |
Wohnberechtigungsschein-Berechtigten ausgeweitet. Wohngeldempfänger | |
bekommen jetzt außerdem einen Heizkostenzuschuss. Auch das Kindergeld wurde | |
erhöht. | |
Und ab 1. Januar soll [5][ein neues Bürgergeld das alte Hartz IV ersetzen] | |
– mit einem um 50 Euro leicht erhöhten Regelsatz. Trotz der detaillierten | |
Maßnahmen – insgesamt sind es weit über 20 Einzelposten – und dem | |
Rekordvolumen von 65 Milliarden Euro wurde in den Ländern allerdings auch | |
schnell Kritik laut: Die Maßnahmen seien nicht ausreichend, vor allem aber | |
seien sie nicht nachhaltig genug. Sie würden höchstens kurzfristige | |
Entlastung bringen. | |
Berlins linke Sozialsenatorin Katja Kipping sagte: „Armutsfeste | |
Sozialleistung geht anders. Das Entlastungspaket enttäuscht.“ Man müsse | |
„jetzt gezielt schauen, wer trotzdem in die Armut rutscht“, formulierte die | |
grüne Co-Fraktionschefin Silke Gebel etwas diplomatischer. Auch von | |
Sozialverbänden kam Kritik: Die Einmalzahlungen und die leichte Erhöhung | |
der Regelsätze für Sozialhilfeempfänger*innen würden von der | |
Inflation gleich wieder aufgezehrt. | |
19 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Rolle-der-FDP-in-Ampelkoalition/!5846612 | |
[2] /Kritik-am-Entlastungspaket/!5879491 | |
[3] /Corona-Soforthilfe-in-Berlin/!5688783 | |
[4] /Energiekrise-in-Berlin/!5877891 | |
[5] /Abschied-von-Hartz-IV/!5878162 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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