# taz.de -- Kritik am Entlastungspaket des Bundes: Viel zu wenig für zu viele | |
> Das Entlastungspaket des Bundes sorgt für scharfe Kritik in Berlin. Die | |
> Inflation zehre das meiste wieder auf, warnt die Caritas. | |
Bild: Wird in der Inflation zum Luxusprodukt: Die Butter auf dem (auch nicht bi… | |
Berlin taz | Das [1][dritte Entlastungspaket des Bundes] stößt in der | |
Berliner Landespolitik und bei Sozialverbänden auf geteiltes Echo. „Es geht | |
gezielt an die ran, für die ein harter Winter an die Substanz geht. Das ist | |
richtig. Gießkannenpolitik sieht anders aus“, twitterte | |
Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel. Allerdings, sagte sie auf | |
taz-Nachfrage, müsse man als rot-grün-rote Koalition in Berlin „jetzt | |
gezielt schauen, wer trotzdem in die Armut rutscht“. Wo der Bund „Lücken“ | |
gelassen habe, müsse das Land sie nun schließen: „Wir ackern daran, dass | |
niemand im Gaskrisenwinter runterrutscht.“ | |
Eine Aufstockung des bisher 380 Millionen Euro schweren Härtefallfonds des | |
Landes, der vor allem Menschen mit geringem Einkommen, aber auch soziale | |
Träger bei den steigenden Energiepreisen im Winter helfen soll, hatten die | |
Spitzen von SPD, Grünen und Linke bereits Ende August beschlossen. Strittig | |
innerhalb der Koalition ist aber noch, um wie viel nachgesteuert werden | |
soll. | |
SPD-Fraktionschef Raed Saleh [2][drängt auf 1 Milliarde Euro]; die Grünen – | |
zuvorderst ihr Finanzsenator Daniel Wesener – sind da bisher deutlich | |
zurückhaltender. Nicht zuletzt hatte man auch erstmal darauf gewartet, was | |
der Bund am Wochenende noch beschließen würde. | |
Durchaus unzufrieden mit dem Ergebnis zeigte sich Linken-Sozialsenatorin | |
Katja Kipping: „Schon vor der Explosion der Energiepreise hätten die | |
Hartz-IV-Sätze um 200 Euro im Monat höher ausfallen müssen“, sagte Kipping. | |
Nun komme lediglich eine Erhöhung um 50 Euro, wenn ab Januar das neue | |
Bürgergeld die alten Hartz-IV-Regelsätze ersetzt. „Armutsfeste | |
Sozialleistung geht anders. Das Entlastungspaket enttäuscht“, kritisierte | |
Kipping. | |
„Die wesentlichen Eckpfeiler dieses Entlastungspakets sind unzureichend“, | |
sagt auch Kai-Gerrit Venske, bei der Berliner Caritas unter anderem für | |
Wohnungslosenhilfe und Existenzsicherung zuständig. „Der neue Regelsatz für | |
Sozialhilfeempfänger ist immer noch zu viel zu knapp bemessen – das zehrt | |
die Inflation sofort auf.“ | |
Die Lebensmittelpreise sind im August laut Landesamt für Statistik im | |
Vergleich zum Vormonat um 18 Prozent gestiegen, insbesondere Butter und | |
Sonnenblumenöl sind teuer geworden. Die Abschläge für Heizöl und Gas | |
stiegen im Durchschnitt um das Doppelte, so die Statistiker. | |
„Die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel müsste abgesenkt werden“, fordert | |
Venske von der Caritas. In die Suppenküche des Franziskaner-Klosters in | |
Pankow zum Beispiel kämen nun zunehmend auch Menschen, die sich vorher noch | |
selbst versorgen könnten. Diese Beobachtung machen auch andere | |
[3][Sozialverbände und die Berliner Tafel seit Wochen öffentlich]. | |
## Überlastete Sozialberatungen | |
Wichtig sei auch, sagt Venske, die zunehmend überlasteten Anlaufstellen in | |
der Krise weiter auszubauen: In den unabhängigen Beratungsstellen der | |
Caritas finanziere das Land rund 1,5 Stellen pro Bezirk, sagt Venske. Damit | |
könne man kaum etwas bewirken. | |
Für Montagabend hat die Linke bundesweit zu einer Demo nach Leipzig | |
mobilisiert; deren Motto: „Preise runter – Energie und Essen müssen | |
bezahlbar sein!“ Dass es, trotz Entlastungspaket, ein heißer Herbst bleiben | |
wird, glaubt auch die Berliner Linken-Landeschefin Katina Schubert: „Es | |
gibt ein paar vernünftige Ansätze, etwa die Anhebung und Ausweitung beim | |
Wohngeld – aber insgesamt reicht das nicht“, sagt sie der taz am Montag. | |
In zwei Wochen werde man nun in der rot-grün-roten Koalition sehr genau | |
schauen müssen, „wo wir nachsteuern müssen“. Konkret nannte Schubert einen | |
„Sozialstromrabatt“ als Möglichkeit – eine Art Strom-Sozialtarif für | |
Menschen mit geringem Einkommen. Staatliche Beihilfe zu den Stromkosten | |
gibt es bisher für Hartz-IV-Empfänger*innen, anders als bei den Heizkosten, | |
nicht. Unklar ist auch noch, wie die geplante Strompreisbremse des Bundes | |
finanziert werden soll. | |
5 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.spd.de/aktuelles/entlastungspaket/ | |
[2] /Halbjahresbilanz-zum-Haushalt/!5873417 | |
[3] /Inflation-und-Armut-in-Berlin/!5862270 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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