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# taz.de -- Kaum Inflation in China: Wo die Preise wenig steigen
> China ist stolz auf seine geringe Inflation. Dabei ist diese nur Ausdruck
> einer schwächelnden Wirtschaft.
Bild: Anders als im Rest der Welt steigen die Preise, etwa für Lebensmittel, i…
Peking taz | Mit einer gehörigen Portion Schadenfreude berichtet die
chinesische Staatspresse in diesen Tagen über die „Hyper-Inflation“ im
politischen Westen, allen voran in den Vereinigten Staaten. Diese stünde im
„starken Gegensatz“ zur Situation in China, wo die Regierung die
Teuerungsrate weiterhin unter Kontrolle habe.
Und tatsächlich ist die Volksrepublik derzeit eines der weltweit wenigen
Länder, in denen die Preise nicht rasant in die Höhe schießen. Derzeit
liegt der Anstieg der Verbraucherpreise im Reich der Mitte bei lediglich
2,7 Prozent. Das ist für heimische Verhältnisse der höchste Wert seit Juli
2020, und überhaupt wurde die Zweiprozentmarke in der letzten Dekade nur
selten überschritten. Im internationalen Vergleich ist dies die absolute
Ausnahme: In Deutschland beträgt die Inflation derzeit knapp 8 Prozent, in
den USA ist sie zeitweise auf über 9 Prozent gestiegen und auch Südkorea
hat mit Teuerungsraten von über 6 Prozent zu kämpfen.
Was Pekings Propaganda jedoch als Leistung der heimischen Volkswirtschaft
ausgibt, ist zumindest teilweise dem genauen Gegenteil geschuldet: Chinas
traditionell schwacher Binnenkonsum ist im Zuge der anhaltenden „Null
Covid“-Politik massiv eingebrochen. Die [1][ständigen Lockdowns] befeuern
die Sparquote der Chinesen und lähmen gleichzeitig ihre Kauflust, welche
derzeit auf einem Rekordtief stagniert. All dies bremst den Anstieg der
Verbraucher*innenpreise deutlich.
Gleichzeitig hat auch die zurückhaltende Geldpolitik der staatlich
kontrollierten chinesischen Zentralbank ihren Teil dazu beigetragen, dass
die Verbraucherpreise nicht allzu rapide in die Höhe schießen. Denn
Inflation ist in China ein überaus heikles Thema. Die Regierung, die immens
um die soziale Stabilität besorgt ist, weiß aus eigener Erfahrung, welch
gesellschaftlichen Sprengstoff eine hohe Teuerungsrate bereithält: Ende der
80er Jahre lag die Inflationsrate zeitweise bei knapp 20 Prozent – und war
mit ein Grund dafür, warum die Demonstrant*innen 1989 auf den Pekinger
Tiananmen-Platz marschierten. Neben dem Wunsch nach politischer
Mitbestimmung sorgte auch das rasant teuer gewordene Schweinefleisch für
Frust innerhalb der Bevölkerung.
## Günstiges Gas aus Russland
Nicht zuletzt ist Chinas Volkswirtschaft von vielen Faktoren, [2][die in
Europa zu steigenden Preisen führen], verschont geblieben. Die Energiekrise
betrifft das Land beispielsweise deutlich weniger, da Peking trotz des
Ukraine-Kriegs seinem Verbündeten Moskau die Treue hält und seine Öl- und
Gaslieferungen aus Russland nicht nur gesteigert hat, sondern seither auch
zu besonders vorteilhaften Konditionen beziehen kann.
Ein weiterer Faktor ist rein statistischer Natur: China bemisst seinen
Konsumentenpreisindex auf einer anderen Grundlage, als es etwa in vielen
westlichen Ländern der Fall ist. Lebensmittel werden stärker gewichtet als
etwa Transportkosten, die derzeit aufgrund der Energiekrise besonders stark
gestiegen sind. In China wird hingegen dem Schweinefleischpreis, der im
Zuge der Pandemie deutlich gesunken ist, eine überproportionale Bedeutung
beigemessen.
Doch schlussendlich könnte die Inflation auch in China in den kommenden
Monaten deutlich steigen. Denn angesichts der historisch hohen
Jugendarbeitslosigkeit von 20 Prozent in den Städten und wiederholt nach
unten korrigierter Wachstumsraten für das laufende Kalenderjahr, gerät die
Regierung immer stärker unter Zugzwang, ihr wirtschaftliches Stimuluspaket
deutlich zu erhöhen. Allerdings, und das hat Premier Li Keqiang mehrfach
betont, dürfe man es nicht übertreiben. Die Angst vor einer Inflation sitzt
schließlich stets im Nacken der Pekinger Parteikader.
7 Sep 2022
## LINKS
[1] /Null-Covid-Strategie-in-China/!5877098
[2] /Weltmarkt-im-Ungleichgewicht/!5875189
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Inflation
China
Konsum
Deflation
Weltwirtschaft
Silke Gebel
Ampel-Koalition
Energiekrise
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