# taz.de -- Entlastungen in der Energiekrise: Nachschlag für den Nahverkehr | |
> Das 29-Euro-Ticket soll bis März verlängert werden. Dies sieht der vom | |
> Berliner Senat beschlossene milliardenschwere Nachtragshaushalt vor. | |
Bild: Gemeinsamer Auftritt: Jarasch, Giffey und Lederer am Dienstag nach der Se… | |
Berlin taz | Der Senat übt sich, bereits zwei Monate vor Weihnachten, im | |
Päckchenpacken. Noch dazu sollen es „stimmige Pakete“ sein, die die | |
rot-grün-rote Landesregierung am Dienstag eingewickelt hat. Gut versteckt | |
darin: die Widersprüche zwischen einzelnen Senator*innen, die zuletzt für | |
Schlagzeilen sorgten. Aber der Reihe nach. | |
In seiner Sitzung am Dienstag hat der Senat [1][dem Entwurf für den | |
Nachtragshaushalt] von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) zugestimmt. Das | |
Paket sieht Mehrausgaben von knapp 2,6 Milliarden Euro vor; knapp eine | |
Milliarde betrifft die Mitfinanzierung des Entlastungspakets des Bundes. | |
Mit den restlichen 1,6 Milliarden Euro will das Land selbst zahlreiche | |
versprochene Maßnahmen zur Entlastung der Berliner*innen in der | |
Energiekrise finanzieren, darunter Hilfen für Energiekosten von | |
Verkehrsunternehmen und Schulen, aber auch für Privathaushalte, etwa durch | |
einen eigenen Härtefallfonds und stark verbilligte Nahverkehrstickets. Nun | |
muss sich das Abgeordnetenhaus mit dem Entwurf beschäftigen; [2][bereits in | |
zwei Wochen soll es ihn in einer Sondersitzung] beschließen. | |
Der Nachtragshaushalt kommt laut Wesener ohne neue Kredite aus. Zu | |
verdanken ist dies der jüngsten Steuerschätzung, die Montagabend bekannt | |
wurde. Danach kann Berlin 2022 auf gut 1,3 Milliarden Euro Mehreinnahmen | |
hoffen. Das sind deutlich mehr als noch im Mai erwartet. | |
Allerdings ist die Steigerung nach Einschätzung von Finanzsenator Wesener | |
in guten Teilen auf die Inflation zurückzuführen, die zwar für höhere | |
Einnahmen sorge, aber perspektivisch eben auch für höhere Ausgaben. | |
Für das kommende Jahr ergeben sich laut der Schätzung nur noch | |
Mehreinnahmen von knapp 500 Millionen Euro; zudem sei angesichts der zu | |
erwartenden Rezession in Deutschland mit stark steigenden Ausgaben des | |
Staats zu rechnen, so Wesener. Überhaupt gebe es angesichts der politischen | |
Lage viele Unwägbarkeiten: „Nie war eine Steuerschätzung so unsicher wie | |
diese. Wir können nicht absehen, wie die Entwicklung 2023 verlaufen wird.“ | |
## Die Regierung will zeigen, dass sie handlungsfähig ist | |
Angesichts dessen sei der Nachtragshaushalt „die Grundlage, um die | |
Berlinerinnen und Berliner gut durch die Krise“ zu bringen, erklärte die | |
Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Die Landesregierung | |
halte ihre Zusagen gegenüber der Bevölkerung ein. Und vor allem sei der | |
Sonderetat ein Zeichen, dass Rot-Grün-Rot weiter handlungsfähig sei – | |
egal, ob das Landesverfassungsgericht wie allgemein erwartet am 16. | |
November eine Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl 2021 anordnen werde. | |
An dieser Handlungsfähigkeit der Regierung hatte es in der vergangenen | |
Woche große Zweifel gegeben. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts, | |
wonach die Sperrung der Friedrichstraße für Autos derzeit rechtswidrig sei, | |
hatte zu einem offenen Disput zwischen Giffey und [3][der Verkehrssenatorin | |
Bettina Jarasch (Grüne) geführt.] Das wurde weithin als Signal gewertet, | |
dass der Wahlkampf längst begonnen hat – schließlich ist die | |
Friedrichstraße eines der Vorzeigeprojekte der Grünen, das Jarasch | |
ausweiten will. | |
Am Dienstag zeigten die beiden Alpha-Frauen im Senat demonstrative Nähe. | |
„Die Verkehrssenatorin wird prüfen, wie mit diesem Urteil umzugehen ist“, | |
sagte Giffey; bis kommenden Dienstag brauche es eine gemeinsame Position. | |
Jarasch kündigte eine Prüfung in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Mitte an, es | |
seien noch viele Fragen offen, bis ein „stimmiges Gesamtpaket“ stehe. | |
Derweil ist der größte Batzen im Nachtragshaushalt ein Signal in Richtung | |
Verkehrswende – und damit ein Erfolg für die Verkehrssenatorin. 500 | |
Millionen Euro, also mehr als ein Fünftel der Gesamtsumme, will der Senat | |
für die Subventionierung des ÖPNV nutzen. Es sei ein Paket mit mehreren | |
Bausteinen, so Giffey. So soll das von Berlin im Alleingang als | |
Verlängerung des bundesweiten 9-Euro-Tickets [4][beschlossene | |
29-Euro-Ticket über den 31. Dezember hinaus] verlängert werden. Denn Giffey | |
geht zwar davon aus, dass das vom Bund mitfinanzierte 49-Euro-Ticket kommen | |
werde, aber nicht zum 1. Januar, wie von vielen erhofft. | |
Da sich die Billigtickets laut Giffey aber „als absolut erfolgreiches | |
Entlastungsinstrument“ für die krisengebeutelten Berliner*innen | |
erwiesen hätten und soziale Teilhabe ermöglichen, wolle man die Berliner | |
Brückenlösung fortsetzen. Ab Januar werde zudem das Sozialticket statt wie | |
bisher für 27,50 Euro für 9 Euro angeboten; auch der Kreis der möglichen | |
Nutzer*innen werde auf 680.000 Berechtigte erweitert – ein Erfolg vor | |
allem der Linkspartei. Und so lobte auch Kultursenator Klaus Lederer | |
(Linke) den Nachtragshaushalt. Dieser sei zwar ein „hartes Stück Arbeit“ | |
gewesen. Die Art und Weise, wie man sich verständigt habe, zeige indes, | |
dass man „gemeinsam an einem Strang“ ziehe. Etwa beim Schnüren von Paketen. | |
1 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Nachtragshaushalt-fuer-Berlin/!5891348 | |
[2] /Finanzierung-des-Entlastungspakets/!5887634 | |
[3] /Vize-Regierungschefin-will-kaempfen/!5889817 | |
[4] /29-Euro-Ticket-in-Berlin/!5885028 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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