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# taz.de -- Deutsch-spanische Konsultationen: Ampel trifft Linksbündnis
> Die halbe deutsche Regierung reist zu Gesprächen nach Spanien. Im Fokus
> stehen Energie und Sicherheit – aber auch das Klima.
Bild: Deutsch-spanische Freundschaft: Vereint in Harmonie
Madrid/La Coruña taz | Das Ganze hatte etwas von einer Austauschreise unter
dem Motto: Deutsche Ampel trifft spanisches Linksbündnis. An Bord der
Regierungsmaschine, die am Mittwoch von Berlin nach La Coruña abhob, war
[1][neben dem Bundeskanzler] Olaf Scholz (SPD) die halbe Bundesregierung.
Und zwar alle in einem Flieger. Der Grüne Klimaminister Robert Habeck wird
sich [2][über die Klimabilanz] und FDP-Finanzminister Christian Lindner
über die Haushaltsdisziplin gefreut haben. Allein die Sicherheitsleute
werden schlecht geschlafen haben.
Spanien ist einer der engsten Verbündeten Deutschlands in der EU, man ist
in vielen Fragen einer Meinung, also zu Besuch bei Freunden. Der spanische
Ministerpräsident Pedro Sánchez war in diesem Jahr schon zweimal zu Besuch
in Deutschland, im Oktober hat sich das spanische Königspaar in Berlin
angesagt. „Es ist gewissermaßen ein deutsch-spanisches Jahr, und das ist
keine Übertreibung“, freute sich Olaf Scholz. Die Regierungen hatten viel
zu besprechen, von der Reduzierung von Torf im Gartenbau bis zum Austausch
von Studierenden. Im Vordergrund standen allerdings die aktuellen
Megathemen Energie und Sicherheit. Und da gibt es durchaus kleine
Differenzen.
15 Länder, also mehr als die Hälfte der Mitglieder, unterstützen einen
gemeinsamen [3][Einkaufsdeckel für Gas], auch Kommissionspräsidentin Ursula
von der Leyen ist mittlerweile offen dafür. Allein Deutschland mauert, und
zwar aus durchaus eigennützigen Motiven. Als wirtschaftsstärkstes Land der
EU ist man in der Lage, die „Mondpreise“, wie Habeck sie nannte, für Gas
auf dem Weltmarkt zu bezahlen, und nutzt das aus, um reichlich Flüssiggas
für den eigenen Bedarf zu bestellen. Weniger finanzstarke Länder können da
nicht mithalten.
## Draghi kritisiert 200-Milliarden-Euro-Spritze Deutschlands
Mit Missfallen wurde in der EU zudem registriert, dass [4][Deutschland 200
Milliarden Euro] dafür ausgeben will, um heimische Verbraucher und
Unternehmen von hohen Gaspreisen zu entlasten. Der scheidende italienische
Ministerpräsident Mario Draghi übte ungewöhnlich scharfe Kritik und warf
der Bundesregierung unsolidarisches Verhalten vor. Maßnahmen, die
Mitgliedsstaaten „je nach der Größe ihres finanziellen Spielraums
beschließen“, seien der falsche Weg. Die Befürchtung: Deutschland kauft
seinen Unternehmen Wettbewerbsvorteile, sprich günstige Energie.
Deutscher Egoismus also? Das wollte Scholz nicht auf sich sitzen lassen.
Die Entlastungspakete seien notwendig, um die Gaspreise zu senken, und
außerdem sei man ja nicht allein: „Spanien, Frankreich, die Niederlande –
[5][alle machen so etwas.“] Das stimmt, so haben Spanien und Frankreich
schon Gaspreise gedeckelt, als die Ampel in Deutschland noch über [6][den
Sinn solcher Deckel stritt].
Sánchez sprang seinem Freund Scholz bei: Er habe großes Verständnis für die
Situation, die Deutschland gerade erlebe. Manche Länder mit starker
Abhängigkeit von russischem Gas treffen die wirtschaftlichen Folgen des
Krieges in der Ukraine härter. Und: „Deutschland ist Europas größte
Volkswirtschaft, alle haben ein Interesse daran, dass es Deutschland gut
geht.“ Allerdings dürfe es auch nicht zu einer Verzerrung des europäischen
Binnenmarktes kommen. Eine sanfte Mahnung also, es nicht zu weit zu
treiben.
## Midcat-Pipeline auf der Agenda der EU-Staatschefs
Das Thema steht auch beim informellen Treffen der EU-Staatschefs am Freitag
auf der Agenda. Die beiden so verschiedenen Männer – der eine tritt groß
und gestikulierend auf, der andere sparsam in Mimik und Gestik – nehmen
dorthin auch ein gemeinsames Anliegen mit: Den Bau einer Pipeline über die
Pyrenäen nach Mitteleuropa. Durch die Midcat-Pipeline soll zunächst Gas,
später Wasserstoff fließen, und zwar schon ab 2025. Spanien hat große
Pläne. „Im Jahr 2030 wollen wir eine Wasserstoffmacht sein und 10 Prozent
des gesamteuropäischen Verbrauchs liefern“, lautet Sánchez' kühne Vision.
Doch hier stellt sich Frankreich quer. Die Franzosen wollen keine Pipeline
über ihr Territorium. Offiziell sagt Macron, gebe es dafür keine
Notwendigkeit. Inoffiziell hofft man wohl, Gas über eigene Pipelines zu
verkaufen.
Ein weiteres Streitthema sparte man aus, zumindest in der gemeinsamen
Erklärung. In Spanien stehen 40 Leopard-Panzer aus deutscher Produktion,
die Spanien an die Ukraine liefern wollte. Dann stellte sich aber heraus,
dass diese wohl besser für den Schrottplatz als für das Kampffeld geeignet
sind. Der Grüne Anton Hofreiter behauptet, dass Spanien die Panzer dennoch
gern liefern würde, aber Deutschland das untersagt.
Er habe da sehr belastbare Informationen aus der spanischen Regierung. Auf
einer Pressekonferenz wurde Sánchez gefragt, ob das mit den Panzern stimme.
Der ließ daraufhin nur seine Augenbrauen nach oben schnellen und verzog die
Mundwinkel nach unten. Da sei der Journalist wohl besser informiert, meinte
er. Es war nicht klar, ob er Hofreiter oder den Journalisten meinte, der
die Frage gestellt hatte.
## Ampel ist um Harmonie bemüht
Hofreiter war jetzt natürlich nicht mit in Spanien. Dafür aber
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Und der sah sich die Pressekonferenz
und Scholz' Auftritt gemeinsam mit den Kolleg:innen aus den
Zuschauerreihen von vorn bis hinten an. Einige murrten zwar, aber keiner
wollte das friedliche Bild zerstören. Spanien hat auch der Ampel ein paar
harmonische Stunden beschert.
Die Minister:innen flogen am Mittwochabend wieder zurück nach Berlin.
Kanzler Olaf Scholz dagegen reist am Donnerstag weiter nach Prag. Dort
treffen sich 44 Staaten inklusive der Ukraine, der Türkei und
Großbritannien zur Gründung einer europäischen politischen Gemeinschaft.
Eines neuen Megaclubs gegen Putins Russland.
6 Oct 2022
## LINKS
[1] /Entlastungspaket-der-Bundesregierung/!5882339
[2] /Energiepolitik-in-NRW/!5882363
[3] /Oekonom-Dullien-ueber-Gasumlage/!5871921
[4] /Bund-Laender-Konferenz-ohne-Ergebnisse/!5886127
[5] /Streit-in-EU-um-Energiepolitik/!5880547
[6] /Regierungsstreit-wegen-Energiekrise/!5880244
## AUTOREN
Anna Lehmann
Reiner Wandler
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