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# taz.de -- Neue europäische Gemeinschaft: Allianz gegen Putin
> In Prag treffen sich die Regierungschef:innen aus 44 Ländern zur
> Gründung einer Europäischen Gemeinschaft. Das Teilnehmerfeld: heterogen.
Bild: Widersprüchlich: der türkische Präsident Erdoğan und Aserbaidschans P…
Brüssel/Prag taz | Für die EU ist es Lichtgeschwindigkeit. Im Mai schlug
der französische Präsident Emmanuel Macron vor, die EU und ihre Nachbarn
sollten enger zusammenrücken, er warf die Idee einer „Plattform für die
politische Koordinierung“ in den Raum. Und schwupps: Nur ein knappes halbes
Jahr später kommen am Donnerstag Regierungschef:innen aus 44 Ländern
zum Gründungstreffen auf der Prager Burg zusammen. Tschechien, das aktuell
dem EU-Ratsvorsitz innehat, richtet die Veranstaltung aus.
Das Interesse ist groß, die Plätze im Medienzentrum reichen nicht aus für
die über 1.000 Journalisten, aber auch das politische Interesse ist größer
als erwartet. So kommt auch Großbritanniens konservative Premierministerin
Liz Truss, die eigentlich nie wieder was mit der EU zu tun haben wollte;
nun soll sie sich aber nach Informationen des Onlinemagazins Politico sogar
bereit erklärt hat, das nächste Treffen auszurichten.
Der russische Angriff auf die Ukraine schweißt alle zusammen. So sieht es
jedenfalls Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der direkt aus Spanien kommt.
[1][Dort hatte er sich mit seinem sozialdemokratischen Freund, dem
Regierungschef Pedro Sánchez getroffen.] „Alle die hier zusammenkommen
wissen, der russische Angriff auf die Ukraine ist eine brutale Verletzung
der Sicherheits- und Friedensordnung, die wir in den letzten Jahrzehnten in
Europa hatten“, sagte Scholz bei seinem Eintreffen.
Ansonsten hat Berlin durchaus auch Bedenken gegen das neue Forum. Nach
anfänglichem Zögern hat Scholz Macrons Idee zwar begrüßt. Doch er will
nicht, dass die neue Gemeinschaft eine Alternative zur EU-Erweiterung und
der Aufnahme der Westbalkanstaaten ist. Also: Gern reden, aber keinen nett
eingerichteten Warteraum für die Ewigkeit einrichten.
## Konflikte minimieren
In diesem würde es wohl recht schnell, recht ungemütlich. Das
Teilnehmerfeld ist so heterogen wie widersprüchlich, mit Griechenland
und der Türkei treffen Länder aufeinander, die sich um Territorien
streiten, mit Aserbaidschan kommt ein Land, das gerade selbst sein
Nachbarland überfallen hat. Das Gründungstreffen ist denn auch so
organisiert, dass Konflikte minimiert werden sollen. Statt eines großen
Tisches, gibt es mehrere Thementische, etwa zum Thema Energie, an dem auch
der Bundeskanzler Platz nehmen wird.
Am Freitag hat Scholz dann Zeit, das Thema beim informellen Treffen des
Europäischen Rats zu vertiefen. Dort wird wohl auch ein europaweiter
Preisdeckel für den Einkauf von Gas diskutiert werden, eine Idee, die 15
EU-Staaten unterstützen und die Deutschland blockiert.
Nach Macrons Vorstellungen sollte das neue Forum allen Ländern offen
stehen, die „gemeinsam zur Sicherheit, zur Stabilität und zum Wohlstand“
Europas beitragen wollen. In Prag haben sich die Akzente allerdings
verschoben. Während es Macron noch darum gegangen war, Europa als
eigenständigen politischen Block zu präsentieren, der auch den USA oder
China die Stirn bieten könne, heißt das Motto nun: „Alle gegen Putin.“
Kleinster gemeinsamer Nenner also.
„Dieses Treffen ist eine Möglichkeit, nach einer neuen Sicherheitsordnung
ohne Russland zu suchen“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Zu
den Gästen gehören allerdings auch umstrittene Politiker. Der türkische
Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat die EU mit seiner Schaukelpolitik
zwischen Russland und der Nato verunsichert. Aserbaidschans Führung werden
im Krieg mit Armenien sogar Kriegsverbrechen vorgeworfen. Der EU ist es
nicht gelungen, diese Konflikte zu lösen. Sie hat es bisher auch nicht
geschafft, sich selbst zu reformieren, um außenpolitisch schlagkräftiger zu
werden und den Weg für neue Beitritte frei zu machen. Der Gründungsgipfel
in Prag wirkt denn auch wie eine Flucht nach vorn, die von eigenen
Problemen ablenken soll.
Ob die politische Gemeinschaft eine Zukunft hat, ist ungewiss. Ähnliche
Versuche, wie die ebenfalls von Frankreich angestoßene „Mittelmeerunion“,
sind nach in paar Treffen sanft wieder eingeschlafen. Immerhin geht der
Gipfel am Freitag weiter – mit einer Debatte über die Energiepolitik und
einen möglichen Gaspreisdeckel.
Allerdings müssen dann viele illustre Gäste draußen bleiben – das Treffen
an diesem Freitag ist „EU only“. Wie bei EU-Gipfeln üblich droht auch
wieder Streit. Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki kritisierte
die Bundesregierung scharf: „Es kann nicht sein, dass die Energiepolitik
der EU von Deutschland diktiert wird“, sagte er in Prag.
6 Oct 2022
## LINKS
[1] /Deutsch-spanische-Konsultationen/!5886303
## AUTOREN
Anna Lehmann
Eric Bonse
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