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# taz.de -- Informeller EU-Gipfel in Prag: Scholz haut auf den Deckel
> Deutschland blockiert einen europäischen Gaspreisdeckel. Beim Treffen der
> EU-Chef:innen gibt es aber einen Kompromissvorschlag.
Bild: Fast am Rand: Ursula von der Leyen (rechts) mit der neuen Europäischen P…
Prag/Brüssel taz | Auf dem gemeinsamen Klassenfoto der 43 Staats- und
Regierungschef:innen steht Olaf Scholz ganz hinten. Das hat
protokollarische Gründe. Die Damen und Herren sind nach Amtszeit sortiert
und Scholz ist mit seinen 10 Monaten als Bundeskanzler noch ein Jungspund
in der Europäischen Politischen Gemeinschaft.
Dieser neue Gesprächskreis aus EU-Ländern und Partnern traf sich am
Donnerstag zum ersten Mal. Eingeladen hatte Tschechien, das die
EU-Ratspräsidentschaft hat, die Idee dazu kam im Mai von Frankreichs
Präsidenten Emmanuel Macron. Kleinster gemeinsamer Nenner: irgendwie gegen
Putin. Es gab keine Tagesordnung, verschriftlicht wurde nichts.
Aber gerade das war wohl das Geheimnis für den Erfolg des
Gründungstreffens: Regierungschef:innen, die noch nie zusammensaßen
oder es erst nach langen Anläufen getan hätten, konnten wie auf einer Party
miteinander reden. Die Regierungschefs Aserbaidschans und Armeniens, zweier
Länder, die zurzeit Krieg führen, standen mit Macron zusammen, Scholz traf
sich mit dem serbischen Präsidenten und dem Premier des Kosovo, das von
Serbien als abtrünnige Provinz betrachtet wird. Und auch die britische
Premierministerin Liz Truss, die eigentlich nichts mit EU am Hut hat, war
nach Prag gereist und habe dort, so heißt es aus deutschen
Regierungskreisen, sehr freundlich mit dem Kanzler über Windparks und
gemeinsame Energieprojekte gesprochen.
Der zweite Tag in Prag war dann ungemütlicher für Scholz. Beim informellen
Treffen der EU-Regierungschef:innen stand das Thema Energieversorgung im
Mittelpunkt. Seit dem russischen Angriffskrieg fehlt ein erheblicher Teil
des Gases aus Russland auf dem Weltmarkt und das knappe Angebot treibt die
Preise in die Höhe.
## Belgien, Italien und Polen machen einen Vorschlag
Im Ziel – die Preise müssen runter – sind sich die 27 EU-Länder einig,
nicht jedoch bei der Frage, wie. 15 Länder wünschen sich einen gemeinsamen
Preisdeckel für Gas, Deutschland ist dagegen. Man befürchtet, dass die
Schiffe mit dem begehrten Flüssigas abdrehen und andere Häfen anlaufen,
sobald die EU einen Preisdeckel verhängt. Die Niederlande teilen die
Bedenken.
Doch dass die Deutschen einen Höchstpreis für die EU blockieren, die absurd
hohen Marktpreise aber nun mit einem 200-Milliarden-Paket für die eigenen
Verbraucher und Unternehmen subventionieren wollen, empörte sogar Länder
wie Estland oder Litauen, die Deutschland sonst wohlgesinnt sind.
Deutschland, mit seinem prallen Geldbeutel, könne der heimischen Industrie
Vorteile erkaufen und so den Binnenmarkt verzerren, lautet der Vorwurf.
Scholz wollte das nicht auf sich sitzen lassen, konterte bereits zwei Tage
vor dem Gipfel beim Besuch in Spanien: Alle Länder hätten Hilfen auf den
Weg gebracht, um Bürger und Unternehmen zu entlasten. Was auch stimmt. Aber
wo ist der Kompromiss zwischen einem und keinem Preisdeckel?
In Prag präsentierten Belgien, Griechenland, Italien und Polen einen
gemeinsamen Vorschlag. Sie fordern einen Deckel, der allerdings nicht fix
sein soll. Vielmehr geht es um einen „dynamischen Korridor“, der
Abweichungen von 5 Prozent nach oben und unten zulässt. „Der Korridor würde
für alle Großhandelstransaktionen gelten, nicht beschränkt auf Importe aus
bestimmten Ländern und nicht beschränkt auf eine bestimmte Verwendung von
Erdgas“, heißt es in dem Entwurf.
## In zwei Wochen steht das nächste Treffen an
Damit setzen sich Belgien & Co vom Vorschlag der EU-Kommission ab, nur
einen Preisdeckel für russisches Gas einzuführen. Auch eine Obergrenze
allein für Pipeline-Gas wird verworfen. Im Fall einer Mangellage soll es
zudem möglich sein, den Deckel zu durchbrechen und höhere Preise zu zahlen.
Dies sollte es auch Deutschland möglich machen, dem Vorschlag zuzustimmen,
hofft die grüne belgische Energieministerin Tinne Van der Straeten.
Doch auch dieser Vorschlag überzeugt Deutschland nicht. Aus
Regierungskreisen heißt es, man könne sich eine Art europäische
Einkaufsgemeinschaft für Gas vorstellen. Ein Vorschlag, den der Grüne
Wirtschaftsminister Robert Habeck ins Spiel gebracht hatte. Ob ein solches
Käuferkartell juristisch haltbar ist, muss noch geprüft werden.
## Kritik auch beim Ratstreffen
Die Kritik am 200 Milliarden deutschen Doppelwumms wurde auch auf dem
informellen EU-Ratstreffen geäußert. Aber Scholz blieb dabei: „Was
Deutschland macht ist richtig.“ Es sei genau, das was jetzt getan werden
müsse, zur Entlastung der Bürger. Man sei das G7-Land mit der geringsten
Schuldenquote. Ergo: Deutschland kann es sich leisten. Und außerdem machen
andere Länder das gleiche. „Wir liegen im Mittelfeld dessen, was andere
Länder schon gemacht haben.“
Eine gemeinsame europäische Lösung, um die hohen Gaspreise zu deckeln,
kristallisiert sich auf dem informellen Treffen noch nicht heraus. Die
Energieminister sollen alle Vorschläge jetzt prüfen, beim EU-Gipfel in zwei
Wochen werde erneut beraten. Eine Möglichkeit deutete Scholz aber schon an:
Es gebe ja noch den EU-Recovery Funds der in der Corona-Pandemie als
Wiederaufbauprogramm wieder aufgelegt worden war. Eigentlich mit dem Ziel
Europa grüner, gesünder und digitaler zu machen. Doch von den 800
Milliarden Euro sind erst 200 Milliarden ausgeben. Die verbliebenen 600
Milliarden könnten also jetzt dazu genutzt werden um Gaspreise in Europa zu
subventionieren.
7 Oct 2022
## AUTOREN
Anna Lehmann
Eric Bonse
## TAGS
Schwerpunkt Emmanuel Macron
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