# taz.de -- Kritik am Entlastungspaket: Bundesländer fordern Lindner heraus | |
> Lindner bekommt Kritik für angebliche „Nacht-und-Nebel-Aktion“. | |
> Niedersachsen will eine Milliarde beisteuern, wenn die SPD die Wahl | |
> gewinnt. | |
Bild: Bundesfinanzminister Christian Lindner: Harte Überzeugungsarbeit in der … | |
BERLIN/HANNOVER taz | Eigentlich hat sich Christian Lindner als FDP-Chef am | |
Montag in Berlin vor die Presse gestellt, um zu erklären, was die liberal | |
geführten Bundesministerien machen sollen, damit das Land gestärkt aus der | |
Krise kommt. Ein Planungsturbo soll her zum Beispiel, oder die Entfesselung | |
der Wirtschaft. | |
Aber nach seiner Rede wurde Lindner dann doch lieber zu anderen Dingen | |
befragt: Er ist ja auch noch Bundesfinanzminister. Am Wochenende hatten | |
einige [1][Bundesländer ihren Unmut über das dritte Entlastungspaket] | |
kundgetan und mit einem Nein im Bundesrat gedroht. | |
Unter anderem werfen Bayern, Bremen, Sachsen-Anhalt und das Saarland der | |
Bundesregierung vor, eine milliardenschwere Länderbeteiligung an den Kosten | |
für die Entlastungsmaßnahmen beschlossen zu haben. Ohne Rücksprache. Von | |
dem 65 Milliarden Euro schweren Entlastungspaket sollen die Länder nach | |
eigenen Angaben 19 Milliarden Euro aufbringen. Hessens Ministerpräsident | |
Boris Rhein (CDU) kritisierte dieses Vorgehen als „Nacht-und-Nebel-Aktion“ | |
an den Ländern vorbei. CSU-Chef Markus Söder polterte am Sonntag auf | |
Twitter, dass die Länder „von der Ampel durch finanzpolitische Tricksereien | |
vorgeführt werden“. Woraufhin SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert Söder | |
„politischen Größenwahn auf Kosten von Millionen Menschen“ vorwarf. | |
Finanzminister Christian Lindner kann das [2][Gebaren der Länder] nicht | |
nachvollziehen, beteiligte sich aber nicht beim verbalen Wettrüsten. Er | |
wolle Gesprächen mit den Ländern nicht vorgreifen, betonte aber, der Abbau | |
der kalten Progression entlaste Menschen bei der Lohn- und Einkommensteuer. | |
Es sei klar, dass die Länder ihren Beitrag leisten müssen, da die Steuer | |
gemeinsam mit dem Bund eingenommen werde. Lindner ist zudem davon | |
überzeugt, dass die Länder dazu die finanziellen Möglichkeiten haben. | |
„Anders als der Bund“ hätten [3][viele Länder 2022 die Schuldenbremse] | |
nicht ausgesetzt. Und ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse im Bund | |
bleibt für Lindner Ultima ratio. Am 28. September ist ein | |
Bund-Länder-Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geplant. | |
## Opposition kritisiert das Paket als zu klein | |
Derweil ist Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der gerade | |
darum kämpft, seine dritte Amtszeit antreten zu dürfen, am Montag | |
vorgeprescht und hat im Falle seiner Wiederwahl ein Sofortprogramm von | |
„mindestens einer Milliarde Euro“ angekündigt. Es sei offensichtlich, dass | |
die bisherigen Unterstützungsmaßnahmen nicht ausreichten, sagte Weil. Das | |
Land müsse einspringen, um bleibende Schäden zu verhindern, da die | |
Maßnahmen des Bundes möglicherweise zu spät griffen. | |
Am Beispiel der Bäcker habe man gesehen, dass vielen kleinen und | |
mittelständischen Betrieben zum Jahresbeginn – wenn alte | |
Energielieferverträge ausliefen – die Puste auszugehen drohe. Darauf müsse | |
man vorbereitet sein. Auch in anderen Bereichen wie Krankenhäusern, | |
sozialen Einrichtungen, Kultur- und Sporteinrichtungen, Kitas und Schulen | |
will Weil zuschießen, bis der Bund nachgesteuert habe. | |
200 Millionen Euro sollen über die landeseigene NBank als Wirtschaftshilfen | |
für kleine und mittlere Unternehmen bereitgestellt werden. Die Kriterien | |
und Bedingungen dafür sind noch vollkommen unklar. Mit eingepreist in das | |
Sofortprogramm sind auch eine Reihe von Hilfspaketen, die längst verkündet | |
und auf den Weg gebracht waren: Zuschüsse für die Tafeln etwa, der | |
Landesanteil für das Nachfolgemodell beim 9-Euro-Ticket oder die | |
gestiegenen Baukosten der Krankenhäuser. Die bisher auf dem Tisch liegenden | |
Vorschläge belaufen sich insgesamt auch nur auf 970 Millionen Euro. | |
Noch gäben die Steuereinnahmen einen entsprechenden Nachtragshaushalt her, | |
sagte Weil. Der könnte in einer Sondersitzung im November oder der | |
Landtagssitzung im Dezember beschlossen werden. Die Landtagswahl in | |
Niedersachsen findet am 9. Oktober statt. | |
Die Opposition kritisierte das Paket prompt als zu klein und zu kurz | |
gesprungen. Man sei jederzeit bereit, entsprechende Lösungen auch noch vor | |
der Wahl auf den Weg zu bringen, hieß es von FDP und Grünen. Vor allem die | |
Grünen hätten lieber 2,8 Milliarden Euro aus dem Corona-Sondervermögen, die | |
bisher nicht ausgegeben wurden, umgewidmet. Dafür benötigen sie im Landtag | |
jedoch eine Zweidrittelmehrheit, die aktuell als unwahrscheinlich gilt. | |
19 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
Nadine Conti | |
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