# taz.de -- Bund-Länder-Konferenz zum Ampel-Paket: Verschoben und verärgert | |
> Die Bundesländer sollen Entlastungen bezahlen, die die Ampel ohne sie | |
> beschlossen hat. Ein klärendes Gespräch mit Scholz ist verschoben – wegen | |
> Corona. | |
Bild: Olaf Scholz will die Ministerpräsident*innen lieber treffen, wenn er wie… | |
BERLIN taz | Die Ministerpräsident*innen der Länder müssen sich noch | |
länger gedulden. Am Montagmorgen konnten sie noch davon ausgehen, in dieser | |
Woche endlich in Berlin mit Olaf Scholz zusammenzutreffen. Am Nachmittag, | |
die Corona-Erkrankung des Kanzlers war gerade publik geworden, sah es | |
zumindest noch nach einer gemeinsamen Videokonferenz aus. Am Dienstag | |
folgte dann aber die Absage: Der Kanzler will den Regierungschef*innen | |
lieber in die Augen schauen, wenn er mit ihnen über das dritte | |
Entlastungspaket verhandelt. | |
Nicht wie geplant am Mittwoch, sondern erst am kommenden Dienstag wird die | |
Bund-Länder-Runde stattfinden – ganze viereinhalb Wochen, nachdem sich die | |
Ampel in Berlin [1][auf die Eckpunkte des Pakets] geeinigt hat. Viel zu | |
spät aus Sicht vieler Landesregierungen: Sie wollen dringend über den | |
Anteil der Kosten sprechen, die Länder und Kommunen tragen sollen – und | |
über die Frage, ob sie dafür eine Kompensation erhalten. | |
Von einem Gesamt-Volumen in Höhe von 65 Milliarden Euro sprachen | |
Ampel-Vertreter*innen, nachdem sie sich Anfang September auf das Paket | |
geeinigt hatten. Da das ganze ohne neue Steuern oder Kredite funktionieren | |
sollte, konnte diese Summe aber nur unter Einberechnung von Maßnahmen zu | |
Stande kommen, deren Kosten der Bund nicht oder nicht alleine trägt. Nach | |
einer aktuellen Aufschlüsselung des Finanzministeriums entfallen auf ihn | |
nur knapp 36 Milliarden Euro; auf Länder, Kommunen und Sozialversicherungen | |
dagegen zusammen über 20 Milliarden Euro. | |
Was viele der Ministerpräsident*innen parteiübergreifend verärgert | |
hat: Richtig abgesprochen war das nicht. Viele der Maßnahmen aus dem Paket | |
fielen zwar nicht vom heiteren Himmel. So rechnete die Ampel auch hinein, | |
dass Renten künftig nicht mehr doppelt besteuert werden – eine Reform, die | |
das Bundesverfassungsgericht ohnehin vorgegeben hatte und die | |
Mindereinnahmen sowohl für den Bund als auch für Länder und Kommunen zur | |
Folge hat. | |
## Milliarden für Steuersenkungen | |
Andere Maßnahmen zurrte die Ampel dagegen erst während des | |
Koalitionsausschusses fest, ohne zwischendurch nochmal in den | |
Landeshauptstädten anzurufen – so etwa den Ausgleich der kalten Progression | |
bei der Einkommenssteuer, den die FDP vorangetrieben hatte und von dem am | |
stärksten Gutverdienende profitieren. Mit Kosten in Höhe von 10,12 | |
Milliarden Euro handelt es sich laut Finanzministerium um den teuersten | |
Einzelposten des Pakets. Mehr als die Hälfte davon müssten Länder und | |
Kommunen tragen. | |
Neben solchen Mindereinnahmen bei der Einkommenssteuer sind sie auch noch | |
betroffen von den Mehrwertsteuersenkungen auf Gas (Gesamtkosten rund 8,5 | |
Milliarden Euro) und für die Gastronomie (knapp 3 Milliarden Euro). Dazu | |
kommt die [2][Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket], für die der Bund | |
weitere 1,5 Milliarden Euro von den Ländern veranschlagt. | |
Mittlerweile hat das Bundeskabinett die ersten Maßnahmen schon zur | |
parlamentarischen Beratung in den Bundestag eingebracht. Hinter den | |
Kulissen laufen sogar schon Gespräche über ein viertes Paket inklusive | |
einer Ersatzlösung für die unbeliebte Gasumlage. Dass währenddessen mit den | |
Ländern noch nicht mal die Finanzierung der letzten Runde geklärt wurde, | |
facht dort den Unmut weiter an. | |
„Es geht einfach nicht, dass der Bund meint, er müsse die Länder nur über | |
seine Beschlüsse informieren und ihnen dann die Rechnung präsentieren“, | |
sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann am | |
Wochenende auf dem Landesparteitag seiner Grünen. Seine Drohung in Richtung | |
Berlin: So werde das nicht funktionieren. | |
## Gestörte Kommunikation | |
Der Ärger richtet sich zu einem großen Teil gegen Scholz persönlich. Der | |
SPD-Kanzler, so die Kritik aus mehreren Ländern, schere sich generell viel | |
weniger um eine gute Abstimmung mit ihnen als in den vergangenen Jahren | |
seine Vorgängerin Angela Merkel. Holprig ist ein Jahr nach der | |
Bundestagswahl aber offensichtlich auch noch die interne Koordination bei | |
den Grünen: Sie sind nicht nur an der Ampel im Bund beteiligt, sondern auch | |
an einer Vielzahl von Landeskoalitionen. Hand in Hand arbeiteten beide | |
Ebenen – siehe Kretschmann – allerdings auch bei ihnen nicht zusammen. Der | |
FDP als dritter Koalitionspartei im Bund kann man an dieser Stelle weniger | |
einen Vorwurf machen. Sie ist schließlich nur noch an zwei | |
Landeskoalitionen mit insgesamt drei Minister*innen beteiligt. | |
Neben Fragen von Kommunikation und Stil geht es aber natürlich auch darum, | |
ob die Verteilung der Kosten inhaltlich gerechtfertigt ist. Finanzminister | |
Christian Lindner (FDP) meint stellvertretend für die Ampel im Bund: | |
natürlich. Es sei normal, dass „jeder Teil der staatlichen Gemeinschaft | |
seinen Beitrag“ leiste, sagte er unlängst. Die Länder seien dazu auch in | |
der Lage. | |
Im Bund sind die Ampel-Partner damit ausnahmsweise mal auf einer Linie. | |
„Die Länder haben dauerhaft höhere Steuereinnahmen als der Bund“, sagt au… | |
der Bundestagsabgeordnete und Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler. | |
„2021 hat der Bund im Coronakrisenjahr ein dreistelliges Milliardendefizit | |
gemacht, während die Länder einen Überschuss erwirtschaftet haben. Die | |
Verantwortung für die Krisenbewältigung muss jetzt gemeinsam von Bund und | |
Ländern getragen werden.“ | |
Die Landesregierungen verweisen dagegen auf unsichere Prognosen und | |
steigende Kosten. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte im | |
Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung dass die Ausgaben | |
der Länder durch die Inflation künftig überproportional steigen würden, | |
allein schon „wegen unserer großen Personalkörper“. | |
Die Kommunen prognostizieren sich trotz aktuell steigender Steuereinnahmen | |
ohnehin Defizite für die kommenden Jahre. Viele Gemeinden, Städte und | |
Kreise seien in den nächsten Jahren „gezwungen, wieder Investitionen | |
einzuschränken“, kündigten die kommunalen Spitzenverbände schon im August | |
an. Die Kosten des Entlastungspakets kommen jetzt obendrauf. | |
## Verhandlungsmasse vor dem Termin | |
Anders als die Kommunen haben die Länder zumindest ein echtes Druckmittel: | |
Viele Maßnahmen aus dem Entlastungspaket müssen noch durch den Bundesrat, | |
theoretisch könnten die Landesregierungen sie also dort noch platzen | |
lassen. Gut möglich allerdings, dass entsprechende Drohungen aus den | |
Ländern in erster Linie dazu dienen, vor dem verschobenen Gespräch mit | |
Scholz den Verhandlungsdruck zu erhöhen. Die Dramatik steigender Preise, | |
die Staatsräson und zum Teil auch die Loyalität zu Parteikolleg*innen | |
im Bund sprechen dagegen, das ganze Entlastungspaket platzen zu lassen. | |
Wahrscheinlicher ist da schon, dass sich die Regierungschef*innen der | |
Länder einen Teil der Kosten an anderer Stelle vom Bund zurückholen wollen. | |
Am Mittwoch werden sie sich voraussichtlich trotz der Scholz-Absage schon | |
mal untereinander beraten und versuchen, eine gemeinsame Linie für den | |
Nachholtermin in der nächsten Woche abzustecken. | |
Ein Stichwort, das von verschiedenen Ministerpräsident*innen immer | |
wieder fällt, ist dabei die Unterstützung bei sogenannten | |
flüchtlingsbezogenen Kosten. Vor allem durch die Aufnahme von Menschen aus | |
der Ukraine sind bei Ländern und Kommunen zuletzt höhere Ausgaben | |
angefallen, die sie jetzt gerne vom Bund kompensiert hätten. Ähnlich sieht | |
es in der Krankenhausfinanzierung aus, die in den vergangenen Monaten in | |
erster Linie durch höhere Energiekosten schwierig geworden ist. | |
Und auch der ÖPNV könnte ein Ansatzpunkt sein: Mehrere Länder fordern, dass | |
der Bund mehr Geld zum Betrieb von Regionalbahnen zuschießt, damit die | |
Einführung eines möglichen 9-Euro-Nachfolgetickets am Ende nicht zulasten | |
des Angebots geht. | |
27 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Entlastungspaket-der-Bundesregierung/!5879841 | |
[2] /Nachfolgeregelung-fuer-9-Euro-Ticket/!5879561 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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