# taz.de -- Umgang mit berufstätigen Frauen: Keine Karriereleiter vorgesehen | |
> Offiziell sind in Japan Männer und Frauen gleichberechtigt. Die Realität | |
> sieht für viele arbeitende Frauen allerdings anders aus. | |
Bild: Shiori Itō wurde bekannt, als sie einen berühmten Fernsehjournalisten w… | |
Ist Japan ein attraktives Land, um dort zu arbeiten? | |
Als Kindergartenkind, das keine anderen Sorgen hat, als was als Nächstes in | |
meiner Lunchbox landet, hätte ich diese Frage definitiv mit Ja beantwortet. | |
Ein paar Jahre später muss ich mir die Frage dreimal durch den Kopf gehen | |
lassen. Insbesondere als Frau. | |
Als seien viele Probleme, die in der japanischen Berufswelt auf einen | |
warten, nicht schlimm genug, haben es Frauen in dieser Gesellschaft | |
besonders schwer. Denn auf sie kommt zusätzlich zu [1][Überarbeitung], | |
Mobbing und langen Arbeitswegen die Diskriminierung aufgrund des | |
Geschlechts hinzu. | |
Ein Beispiel bietet der Gender Pay Gap. Demnach erhalten Frauen nur wenig | |
mehr als 70 Prozent dessen, was ihre männlichen Kollegen ausgezahlt | |
bekommen. | |
## Immer nur Männer nach oben | |
Allgemein wimmelt es in der japanischen Privatwirtschaft nur von Männern: | |
Nur knapp über 8 Prozent der Führungspositionen werden von Frauen besetzt. | |
Im Vergleich liegt die Quote in Deutschland bei 29 Prozent. | |
Ein japanischer Bekannter erzählte mir einst von den Bewerbungsgesprächen | |
seines Unternehmens. Er erklärte mir, dass die jungen Frauen, die sich | |
bewerben, nicht nur qualifiziert, sondern auch attraktiv sein sollen. Meine | |
irritierte Nachfrage beantwortete er unkritisch. „Na, attraktive Frauen | |
heiraten früher und verlassen die Firma. So steigen sie nicht auf, | |
verstehst du?“ | |
Seine Einstellung ist kein Einzelfall. Von Frauen wird vielerorts erwartet, | |
dass sie ihren Job kündigen, sobald sie heiraten. Dafür gibt es sogar einen | |
eigenen Begriff: Kotobuki Taisha. Allerspätestens sollen Frauen aber dann, | |
wenn sie schwanger werden, die Firma verlassen. Wollen sie trotzdem ihrer | |
Tätigkeit weiter nachgehen, bekommen manche von ihnen „Maternity | |
Harassment“ zu spüren: Die Belästigung aufgrund von Schwanger- und | |
Mutterschaft. | |
Oft machen ihnen die – in der Regel männlichen – Vorgesetzten den Alltag | |
schwerer. So dürfen manche Schwangere beispielsweise nicht während ihrer | |
Arbeitszeiten zur klinischen Untersuchung fahren. Im Alltag sind japanische | |
Arbeitszeiten mit vielen Überstunden verbunden. Einen Slot zu finden, an | |
dem die Schwangere nicht mehr arbeiten muss, aber die Praxis geöffnet hat, | |
wird kein Kinderspiel. Anderen wird mit einer Kündigung gedroht, wenn sie | |
Elternzeit in Anspruch nehmen wollen. | |
Haben Frauen erstmal Kinder, sind sie meistens mit der Carearbeit auf sich | |
allein gestellt. Umfragen zufolge übernehmen Männer höchstens 30 Prozent | |
der Hausarbeit. Je älter das Paar ist, desto mehr fällt die Arbeitslast auf | |
die Frau. Insbesondere jüngere Frauen wehren sich zunehmend gegen die Rolle | |
als Mutter und Ehefrau, sodass Japan verstärkt mit einer niedrigen | |
Geburtenrate zu kämpfen hat. | |
## Im Zweifel immer für den Mann | |
Diejenigen, die kein Interesse an Eheschließung und Fortpflanzung haben, | |
dürfen sich derweil [2][mit sexueller Belästigung] rumschlagen. So erregte | |
im August der Fall der 22-jährigen Rina Gonoi landesweit Aufsehen. Die | |
ehemalige Soldatin der japanischen Selbstverteidigungsarmee „Jieitai“ wurde | |
berühmt, nachdem sie ihre Vorgesetzten wegen mehrfacher sexueller | |
Belästigung angezeigt hatte. | |
Als Gonoi im Internet nach Menschen suchte, die in der Armee ähnliche | |
Erfahrungen gemacht hatten, bekam sie einen Schwall an Rückmeldungen | |
zurück. Betroffene berichteten, dass man ihnen die Kleidung gegen ihren | |
Willen auszog oder dass Fotos von ihrem Intimbereich geschossen wurden. | |
Trotz medialer Aufregung wurde Gonois Fall von der japanischen Justiz | |
zurückgewiesen. Nur in seltenen Fällen, wenn eine Tat globale | |
Aufmerksamkeit bekommt, rappelt sich Japan auf, um mit einem halb | |
zugedrückten Auge das Problem zu beschnuppern – wie im Fall der | |
[3][Journalistin Shiori Itō]. Diese wurde bekannt, als sie einen berühmten | |
Fernsehjournalisten wegen Vergewaltigung verklagte. Doch sowohl die | |
japanische Justiz als auch Gesellschaft kehrten Itō schnell wieder den | |
Rücken zu, da ihr Täter eine Freundschaft zum damaligen Premierminister Abe | |
genoss. Aufgrund des öffentlichen Drucks sah sich Itō gezwungen, Japan zu | |
verlassen und im Ausland zu leben. | |
Man möchte meinen, das seien Extrembeispiele. Nicht jede Person erfährt | |
Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung oder Mobbing am Arbeitsplatz. | |
Natürlich könnte ich Glück haben und von all den Ungerechtigkeiten | |
verschont bleiben. Die Frage ist nur, ob ich wirklich verschont bleibe, | |
nur, weil es mich selbst nicht betrifft. | |
10 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Shoko Bethke | |
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