| # taz.de -- Genderstereotype in Mangas: Hauptsache, Jungs lieben dich | |
| > Viele japanische Comics sprudeln vor Klischees und Sexismus. Insbesondere | |
| > Frauen sollen stets schön, begehrenswert und passiv sein – damals wie | |
| > heute. | |
| Bild: Stapelweise Geschlechterstereotype und Klischees: Shōjo Mangas aus Japan | |
| Als Japanerin in Deutschland ist es fast unmöglich, an einem Klischee | |
| vorbei zu leben, ohne darauf angesprochen zu werden: [1][Manga] und | |
| [2][Anime]. Nicht selten lernte ich Menschen kennen, die für Japan | |
| schwärmen, weil sie diese Comics so sehr liebten. Oder mich aufgrund meiner | |
| Herkunft damit in Verbindung brachten. Selbst Besichtigungstermine für WGs | |
| habe ich bekommen, nur weil ich Japanerin bin. Die Zimmer blieben mir | |
| dennoch verwehrt, da die Bewohner:innen schnell feststellten, dass ich | |
| mit ihren heißgeliebten Comics nicht viel anfangen konnte. | |
| Dabei war ich als Kind durchaus nicht abgeneigt, mir ähnliche Bücher | |
| reinzuziehen. Die Geschichten waren Zufluchtsorte, an denen ich Sprache und | |
| Kultur verstand. Die meisten Mangas, die ich konsumierte, nannten sich | |
| Shōjo Mangas, also Comics, die für junge Mädchen geschrieben sind. Das | |
| Pendant dazu nennt sich Shōnen Manga, also Comics für Jungs. Darunter | |
| fallen bekannte Werke wie „Dragonball“, „One Piece“ oder „Naruto“. | |
| So sehr ich auch Spaß mit den Büchern hatte, hatten Shōjo Mangas eine | |
| unglückliche Nebenwirkung: Sie sind voller Geschlechterstereotype und | |
| Klischees. Die Stories haben fast alle dieselbe Handlung: Ein gewöhnliches | |
| Teenagermädchen [3][verliebt sich in den einen Jungen aus der Klasse, der | |
| die Perfektion in Person ist]. Und dann gibt es noch seinen besten Freund, | |
| der der Protagonistin in jeder Not beisteht. | |
| Am Ende liefern sich die beiden Jungs einen Kampf mit dem einzigen Zweck, | |
| das Mädchen für sich beanspruchen zu können. Die Besagte schaut übrigens | |
| voller Sorge dabei zu. Dass sie bei deren Aktion kein Mitspracherecht hat | |
| und als Trophäe missbraucht wird, scheint sie nicht zu stören. Hätte mich | |
| übrigens als Kind damals auch nicht gestört. | |
| ## Nur wenige autonome Frauen als Rolemodels | |
| Die meisten Shōjo Mangas handeln von monogamer Heteroliebe, | |
| Schönheitsnormen, Modeling, Film- und Musikindustrie, manchmal von Familie | |
| oder Freundschaft und selten von Sport. Rivalitäten gibt es trotzdem viele. | |
| In Form von hinterlistigen Klassenkameradinnen und eifersüchtigen | |
| Freundinnen suggerieren die Geschichten, dass Mädchen stets in Konkurrenz | |
| mit anderen Mädchen stehen und diese sich gegenseitig nichts gönnen. | |
| Seit ich klein bin, bin ich mit dieser Vorstellung von Weiblichkeit | |
| aufgewachsen – [4][Disneys Prinzessinnen als giftiges Sahnehäubchen] on | |
| top. Und Frauen, die heute Teenies sind, werden sich in 15 Jahren genauso | |
| mit solchen Idealen rumschlagen müssen. Denn ein Ausflug in mehrere | |
| Bücherläden zeigt, dass sich Shōjo Mangas seit dem nicht groß verändert | |
| haben. Nur in seltenen Fällen gibt es Ausnahmen, die nicht ausschließlich | |
| von Boys und Beauty handeln. | |
| Ein weltweit bekanntes Beispiel ist [5][“Sailor Moon“], in welcher die | |
| Protagonistinnen gegen Bösewichte kämpfen. Schön, schlank und begehrt sind | |
| die Kriegerinnen trotzdem. Bekannte Charaktere, die einen gewöhnlichen | |
| Alltag mit Familie thematisieren, sind Chibi Maruko Chan und Sazae san. | |
| Alle anderen Shōjo Mangas senden eine klare Botschaft an junge Mädchen: | |
| Seid begehrenswert. Koste es, was es wolle. | |
| ## Mangas für Jungs kommen weltweit besser an | |
| Abenteuer, Freundschaften und Gerechtigkeit, wie sie häufig in Comics für | |
| Jungs zu finden sind, bleiben aus. Im Vergleich zu den Geschichten für | |
| Mädchen sind Shōnen Mangas auch weltweit beliebter. Die Stories sind kaum | |
| auf Romantik, dafür umso stärker auf Gruppenzusammenhalt ausgerichtet. | |
| Aber auch hier ist die Darstellung der Frau sehr einseitig: In den meisten | |
| Geschichten sind Frauen Nebencharaktere und das schöne Objekt der Begierde. | |
| Manchmal sind sie schlau oder schlagfertig, aber in Notsituationen müssen | |
| sie von ihren männlichen Begleitern gerettet werden. Ihre Körper sehen aus, | |
| als hätten sie mehrere Schönheitsoperationen hinter sich. Insbesondere die | |
| Brüste. | |
| Die Adultversion von Frauen als Lustobjekt zeigt sich in pornografischen | |
| Mangas. Die meisten werden ausschließlich für ein männliches Publikum | |
| geschrieben und verraten, was sie beim Sex von Frauen erwarten: Sie soll | |
| passiv und selbstopfernd sein. Von den monströsen Körperidealen brauche ich | |
| gar nicht erst anfangen. | |
| ## Vergeudetes Potenzial | |
| Aufgrund vieler solcher Bücher, ob nun für Teenies oder Erwachsene, haben | |
| Mangas in kultivierten Kreisen Deutschlands eher einen schlechten Ruf. | |
| Hinzu kommt, dass Comics ein Kinderimage haben: Erwachsene sollen schön | |
| „richtige“ Bücher mit vielen Buchstaben lesen und ihre Zeit nicht mit | |
| Bildern vertrödeln. | |
| Dabei haben Mangas durchaus einen großen Vorteil: Sie können komplizierte | |
| Sachverhalte mit Bildern anschaulich darstellen. Nicht selten werden Mangas | |
| als Lehrmaterial genutzt, um Kindern Mathe, Englisch oder Biologie zu | |
| erklären. | |
| Ähnliche Angebote gibt es auch für Erwachsene. Egal ob Wirtschaft, | |
| Geschichte oder Politik: In Buchhandlungen gibt es stets Mangas, die einem | |
| Themen wie Steuererklärung, den Ersten Weltkrieg oder den Aktienmarkt | |
| verständlich wiedergeben. Leser:innen können dadurch die Inhalte nicht | |
| nur schneller verschlingen, sondern haben auch oft Spaß beim | |
| Wissen-Ansammeln. Das ist bei einer Steuererklärung keine | |
| Selbstverständlichkeit, sondern eine große Kunst. | |
| 9 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Shoko Bethke | |
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