# taz.de -- Phänomen Karoshi: Tod durch Arbeit | |
> Über hundert Japaner sterben pro Jahr durch "Karoshi", durch | |
> Überarbeitung. Nach dem Tod einer Mc-Donalds Mitarbeiterin haben | |
> Angehörige jetzt eine Entschädigung durchgesetzt. | |
Bild: Eine Filialleiterin starb - nach 80 Überstunden pro Monat. | |
In Japan erregte die Nachricht kaum Aufsehen: Die Arbeitsaufsicht der | |
Präfektur Kanagawa hat den Tod einer 41-Jährigen in Yokohama auf | |
Überarbeitung zurückgeführt. Die Leiterin einer Filiale von McDonalds war | |
bei einer Fortbildung zusammengebrochen und drei Tage später im Krankenhaus | |
gestorben. Ihre mehr als 80 Überstunden monatlich qualifizierten sie als | |
ein Opfer von "Karoshi", was wörtlich "Tod durch ein Übermaß an Arbeit" | |
bedeutet. Vor Gericht setzten die Angehörigen nun eine Entschädigung durch. | |
Karoshi ist in Japan weit verbreitet: Es gibt eine nationale | |
Telefon-Hotline für Karoshi, Buchratgeber, Selbsthilfegruppen und ein | |
Entschädigungsgesetz. So wurden im Februar den Angehörigen eines | |
33-jährigen Angestellten einer Kooperative in Hokkaido umgerechnet 750.000 | |
Euro zugesprochen. Der Mann war als Folge seiner Überarbeitung an | |
Depressionen erkrankt und hatte Selbstmord begangen. Im August verlangten | |
die Angehörigen eines 31-jährigen chinesischen Gastarbeiters die Einstufung | |
seines Todes als Karoshi. Der Metallarbeiter musste bis zu 150 Überstunden | |
monatlich leisten und war im Schlaf gestorben. | |
Jährlich werden rund 150 Karoshi-Opfer von den Arbeitsbehörden anerkannt. | |
Meistens starben sie an einem Herz- und Hirninfarkt oder töteten sich | |
selbst. Die Opfer sind in der Regel männlich, ledig und zwischen 30 und 40 | |
Jahre alt. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Laut einer Umfrage von Kelly | |
Services in 33 Ländern klagten drei von fünf Japanern, sie seien wegen | |
ihrer Arbeitsbedingungen schon einmal erkrankt. Weltweit meinte dies nur | |
jeder Fünfte. | |
Abgesehen von Korea kommt Japan weltweit auf die höchste Überstundenzahl, | |
den geringsten Jahresurlaub und die effektiv geringste Anzahl freier Tage | |
pro Woche. Die Regierung in Tokio versucht seit Jahren, die Arbeitszeit zu | |
verkürzen, etwa durch neue Feiertage. Aber sie ist damit nur mäßig | |
erfolgreich. In vielen Unternehmen verzichten die Angestellten freiwillig | |
auf die Hälfte ihres vierwöchigen Jahresurlaubs - oft als Reserve für eine | |
mögliche Erkrankung. | |
Überarbeitung hat Tradition in Japan. Angestellte opfern sich für ihre | |
Firma auf, im Gegenzug erhalten sie eine lebenslange Beschäftigung. | |
Zugleich arbeitet jeder dritte Japaner mit einem befristeten Vertrag und | |
setzt sich aus Sorge um dessen Verlängerung unter Leistungsdruck. Außerdem | |
werde gesellschaftlich anerkannt, wenn ein Mann seine Zeit eher in der | |
Firma als mit der Familie verbringt, erklärt die Tokioter Soziologin Yumiko | |
Ehara: "Daher können die Firmen von den Männern immer noch fordern, sehr | |
viele Überstunden zu machen." | |
29 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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