| # taz.de -- Tattoos an öffentlichen Orten: Nörgeln über Anker im Wasser | |
| > In Japan hat Tinte auf der Haut einen schlechten Ruf. Unsere Autorin hat | |
| > trotzdem Tattoos – und ist genervt, wenn sie vom Baden ausgeschlossen | |
| > wird. | |
| Bild: Ob Anker, Blumen oder Eulen: in Japan haben Tättowierte nur eingeschrän… | |
| Das Schild im Eingangsbereich ist nicht zu übersehen. „No Tattoos“ steht | |
| da. Auf Englisch, damit es auch alle Touris verstehen. Auf Japanisch ist | |
| der Satz etwas höflicher formuliert: „Den Eintritt von Personen mit | |
| Tätowierungen lehnen wir ausdrücklich ab.“ Für mich heißt es also: auf der | |
| Stelle kehrt machen und den Rest des Abends fluchen. Die Freude am Baden | |
| ist damit passé. | |
| Solche Schilder sind in Japan keine Seltenheit. Am Eingang von Onsen | |
| (heißen Quellen), Hotel-Bädern, Vergnügungsparks, Schwimmbädern, | |
| Fitnesshallen oder gar auf manchen Spielplätzen gibt es Schilder mit | |
| Zeichnungen von tätowierten Menschen, die dick und fett rot durchgestrichen | |
| sind: ein unübersehbares Verbotszeichen. Diese [1][Abneigung gegen Tattoos] | |
| hat mehrere Gründe. | |
| Unter anderem werden Tattoos häufig als unhygienisch betrachtet – als ob | |
| sich die Tinte durch die heiße Quelle von der Haut lösen und das Badewasser | |
| schwarz färben würde. Ein weiterer verbreiteter Grund ist, dass im 17. und | |
| 18. Jahrhundert alle, die als kriminell verurteilt worden sind, mit Tinte | |
| markiert wurden. Ein Blick in japanische Geschichts- und Kunstbücher zeigt | |
| aber, dass Tinte auf der Haut immer wieder aus unterschiedlichen Motiven | |
| gestochen wurde: aus Ästhetik- oder Trendgründen oder auch als Zeichen der | |
| Zuneigung Prostituierter gegenüber ihren Freiern. | |
| Nur leider nützt mir dieses Wissen nichts, wenn ich am Empfang einer | |
| Wellnessoase stehe und dem Personal erkläre, dass meine Körperbemalung | |
| nichts mit einer Mitgliedschaft irgendeiner Mafia zu tun hat. Manche | |
| Betriebe kommen Tätowierten entgegen und bieten an, dass sie ihre | |
| Körperkunst mit einem Pflaster oder Sticker überkleben können. In meinem | |
| Fall wäre allerdings eine meterlange Verbandsrolle sinnvoller. Als halbe | |
| Mumie darf ich nur leider auch nicht ins Wasser. | |
| ## Im letzten Jahrhundert stecken geblieben | |
| Das Ministerium für Infrastruktur und Tourismus führte im Jahr 2015 eine | |
| Umfrage bei Hotels mit einer heißen Quelle durch. Das Ergebnis ist zum | |
| Haareraufen: 56 Prozent verbieten tätowierten Gästen das Baden komplett, 13 | |
| Prozent erlauben es nur mit Bedingungen wie Überkleben oder abweichenden | |
| Badezeiten. Darüber hinaus wurde auch gefragt, ob es beim Eintritt von | |
| Gästen mit Tattoos überhaupt Komplikationen gab – 78 Prozent verneinten. | |
| Eine nähere Definition zu den „Komplikationen“ gibt es nicht. Alle Annahmen | |
| von laut Singen bis hin zu Shampoo klauen oder mit einem Gummiball Gäste | |
| abwerfen bleiben offen. Beschweren tun sich untätowierte Gäste trotz | |
| mehrheitlich friedlicher Lage: 47 Prozent meckern über Pusteblumen, | |
| Schmetterlinge und Anker im Wasser. | |
| In jeder Gesellschaft gibt es Menschen, die andere aufgrund ihres Aussehens | |
| ausschließen. Die Kriterien sind dabei recht willkürlich: Jungs mit langen | |
| Haaren, die in der Schule gemobbt werden, bis hin zu Firmen, die | |
| Übergewichtige bei Bewerbungsgesprächen als undiszipliniert abstempeln. | |
| Dabei macht gerade unterschiedliches Aussehen unsere Individualität aus. | |
| Nicht wenige toben sich kreativ an ihrem Körper aus und nutzen ihn als | |
| Mittel, um die Persönlichkeit nach Außen zu tragen. Eine Befragung unter | |
| Japaner:innen ergab überdies, dass einige Tattoos gar nicht so abwegig | |
| finden – aber sie die eingeschränkte Teilnahme an öffentlichen Orten davon | |
| abhält. Wirklich schade. | |
| 21 Sep 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Shoko Bethke | |
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