# taz.de -- Urteil zu Equal Pay: Frauen steht der gleiche Lohn zu | |
> Das Bundesarbeitsgericht gibt einer Frau recht, die ihren Ex-Arbeitgeber | |
> verklagte. Ein Mitarbeiter in gleicher Position verdiente 1.000 Euro | |
> mehr. | |
Bild: Langer Kampf um gleiche Löhne, hier beim Equal Pay Day 2014 in Berlin | |
BERLIN taz | Das Bundesarbeitsgericht hat am Donnerstag ein Grundsatzurteil | |
in Sachen Equal Pay gefällt: Für die gleiche Arbeit soll der gleiche Lohn | |
gezahlt werden. Konkret ging es um den Fall von Susanne Dumas, die zwischen | |
2017 und 2021 bei einer sächsischen Metallfirma in der Nähe von | |
[1][Dresden] gearbeitet hatte und ihren ehemaligen Arbeitgeber auf die | |
gleiche Bezahlung wie ihren kurz zuvor eingestellten männlichen Kollegen | |
verklagte. | |
Dumas’ Kollege hatte die gleichen Qualifikationen wie sie – und bei den | |
Gehaltsverhandlungen 1.000 Euro mehr in der Probezeit verlangt. Die bekam | |
er auch. Dumas fand das durch Zufall heraus und entschied sich, vor Gericht | |
zu gehen. Ihr ehemaliger Arbeitgeber, Photon Meissener Technologies GmbH, | |
begründete das höhere Gehalt des Kollegen damit, dass der männliche Kollege | |
besser verhandelt habe und bezog sich auf den Grundsatz der | |
Vertragsfreiheit. | |
Dumas, die mit der Unterstützung der [2][Gesellschaft für Freiheitsrechte | |
(GFF)] klagte, führte die Equal Pay-Vorgabe der Europäischen Union an, die | |
seit 1957 gilt: Gleiches Gehalt für die gleiche Leistung, so sieht es die | |
Entgeltdiskriminierung in Artikel 157 im Vertrag über die Arbeitsweise der | |
Europäischen Union (AEUV) vor. Verrichten Männer und Frauen gleiche oder | |
gleichwertige Arbeit, müssen Gehaltsunterschiede durch objektive | |
arbeitsbezogene Kriterien wie Berufserfahrung oder Qualifikation begründet | |
sein. | |
Das habe es in Dumas’ Fall nicht gegeben, befand das Gericht in Erfurt. Es | |
gab ihr recht und sprach ihr 14.500 Euro entgangenen Lohn sowie eine | |
Entschädigung in Höhe von 2.000 Euro zu. | |
## „Lasst euch niemals die Butter vom Brot nehmen“ | |
Wenn Frauen und Männer wie im verhandelten Fall bei gleicher Arbeit | |
unterschiedlich bezahlt würden, begründe das die Vermutung der | |
Diskriminierung wegen des Geschlechts, sagte die Vorsitzende Richterin Anja | |
Schlewing laut dpa. Diese Vermutung könnten Arbeitgeber nicht mit dem | |
Argument widerlegen, der Mann habe besser verhandelt oder er sei | |
perspektivisch für einen Leitungsjob vorgesehen, so die Richterin. | |
„Seit 1949 steht es im Grundgesetz, heute ist es endlich in der Arbeitswelt | |
angekommen: Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, sagte Dumas [3][in | |
einem Statement der GFF]. „Ich widme diesen Erfolg meinen beiden Töchtern | |
und stellvertretend allen Frauen in Deutschland. Seid mutig, seid laut und | |
lasst euch niemals die Butter vom Brot nehmen!“ | |
Auch die Rechtsanwältin Susette Jörk, die Dumas vor Gericht vertrat, zeigte | |
sich begeistert: „Auf Fortschritte durch den Gesetzgeber oder | |
Arbeitgeber*innen warten wir leider seit Jahren vergeblich. Der | |
heutige Durchbruch ist einmal mehr der Ausdauer einer mutigen Frau zu | |
verdanken, die den Rechtsweg nicht gescheut hat.“ | |
Tatsächlich kippte das Gericht die Entscheidungen der Vorinstanzen: | |
Zunächst unterlag die Klägerin 2019 in erster Instanz vor dem | |
Arbeitsgericht Dresden. Die Berufung wurde zwei Jahre später vom | |
Landesarbeitsgericht Sachsen zurückgewiesen. Nach der Revision zog die | |
Klägerin mit Unterstützung der GFF vor das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. | |
## Gefällt wurde ein Grundsatzurteil | |
Mit dem Urteil fällte das Bundesarbeitsgericht ein Grundsatzurteil mit | |
weitreichenden Auswirkungen: Fordert ein Arbeitnehmer mehr Lohn, muss der | |
Lohn für Arbeitnehmer_innen mit gleicher Qualifikation im gleichen Maße | |
steigen. Ist das nicht der Fall und betroffene Arbeitnehmer_innen ziehen | |
vor Gericht, können diese sich am Urteil im Falle Dumas orientieren. | |
Erst Ende Januar hatte das Statistische Bundesamt mitgeteilt, [4][dass der | |
Gender-Pay-Gap in Deutschland bei 18 Prozent liegt]. Frauen verdienen | |
durchschnittlich 20,05 pro Stunde – 4,31 Euro weniger als Männer (24,36 | |
Euro). Begründet wird das damit, dass Frauen eher in prekären Berufen und | |
in Teilzeit arbeiten, um Angehörige zu pflegen. Doch der sogenannte | |
bereinigte Gender-Pay-Gap, der unterschiedliche Qualifikationsgrade, | |
Ausbildungshintergründe und Alter herausrechnet, beträgt immer noch sieben | |
Prozent. | |
Die GFF macht auf Studien aufmerksam, die zeigen, dass Frauen mit den | |
gleichen Verhandlungsmethoden immer noch schlechter entlohnt werden als | |
Männer. „Männer, die geschickt verhandeln, verhandeln also immer für die | |
Frau ein Stück weit mit“, hieß es von der GFF Anfang der Woche. Das Urteil | |
bewertet die GFF als „Durchbruch bei [5][Equal Pay]“. | |
16 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /!s=dresden/ | |
[2] /Antidiskriminierung-an-Universitaeten/!5910986 | |
[3] https://freiheitsrechte.org/ueber-die-gff/presse/pressemitteilungen-der-ges… | |
[4] /Gender-Pay-Gap/!5911913 | |
[5] /Klima-Equal-Pay-und-Verzicht/!5865404 | |
## AUTOREN | |
Nicole Opitz | |
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