# taz.de -- Bezahlung in der Kommunalpolitik: Bürgermeisterin diskriminiert | |
> Astrid Siemes-Knoblich wurde schlechter besoldet als ihr Vorgänger und | |
> Nachfolger im Amt, beides Männer. Nun bekommt sie Schadenersatz. | |
Bild: Astrid Siemes-Knoblich hat erfolgreich gegen die ungleiche Bezahlung gekl… | |
FREIBURG taz | Auch in der Kommunalpolitik gibt es Verstöße gegen den | |
Grundsatz von Equal Pay. Astrid Siemes-Knoblich, die ehemalige | |
Bürgermeisterin von Müllheim in Südbaden, bekommt 52.216 Euro | |
Schadenersatz, weil sie als Frau bei der Bezahlung vermutlich diskriminiert | |
worden war. Die Stadt Müllheim konnte jedenfalls nicht das Gegenteil | |
beweisen. Zu einem entsprechenden Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg | |
von Anfang März liegt seit diesem Dienstag die Begründung vor. | |
Astrid Siemes-Knoblich war von 2012 bis 2020 Bürgermeisterin in der | |
Kleinstadt Müllheim mit rund 19.000 Einwohner:innen. 2020 trat die | |
parteilose Unternehmerin nicht erneut an. Heute arbeitet die 58-Jährige als | |
Kommunikationsberaterin. Siemes-Knoblich wurde vom Müllheimer Gemeinderat | |
2011 in die Besoldungsstufe B3 eingestuft. Dabei hatte ihr Vorgänger René | |
Lohs zum Schluss seiner Amtszeit B4 erhalten. Als Siemes-Knoblich erfuhr, | |
dass auch der Nachfolger Martin Löffler B4 erhielt, [1][sah sie sich als | |
Frau diskriminiert und verlangte die Differenzsumme als Schadenersatz.] | |
Die Stadt bestritt eine geschlechtsbezogene Diskriminierung. Vielmehr habe | |
der Gemeinderat Siemes-Knoblich niedriger eingestuft, weil man mit dem | |
Vorgänger unzufrieden war und sich die neue Bürgermeisterin erst bewähren | |
sollte. Die Stadt räumte ein, dass diese Überlegungen rechtswidrig waren, | |
denn die Einstufung bezieht sich auf die Bedeutung und Anforderungen des | |
Amtes und nicht auf die Person und schon gar nicht auf Ärger über den | |
Vorgänger. Allerdings hätten die rechtswidrigen Gründe nichts mit | |
Siemes-Knoblichs Geschlecht zu tun, so die Stadt. | |
Vor dem Verwaltungsgericht Freiburg erhielt Ex-Bürgermeisterin Astrid | |
Siemes-Knoblich nun dennoch Recht. Und das hat mit den Besonderheiten des | |
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu tun, auf das sie sich | |
berief. Dabei hat der Beklagte die Beweislast, dass keine Diskriminierung | |
vorliegt – allerdings nur, wenn die Klägerin zunächst Indizien präsentieren | |
kann, die für eine Diskriminierung sprechen. Das AGG gilt im Zivilrecht und | |
im Arbeitsrecht. Es verbietet unter anderem eine nicht gerechtfertigte | |
Schlechterbehandlung wegen des Geschlechts. | |
## Eindeutige Indizien für Diskriminierung | |
Im konkreten Fall sah das Verwaltungsgericht in der Besserbezahlung der | |
männlichen Vorgänger und Nachfolger eindeutige I[2][ndizien für eine | |
Diskriminierung]. Eventuell hätte schon die Schlechterbehandlung gegenüber | |
dem Vorgänger genügt. Diese Vermutung habe die Stadt nicht widerlegen | |
können, so das Verwaltungsgericht. Die Einstufung von Siemes-Knoblich in | |
Besoldungsstufe B3 erfolgte 2011 ohne jede offizielle Begründung. | |
Spätere Äußerungen einzelner Gemeinderäte und des Hauptamtleiters zum Ärger | |
über den Vorgänger und die notwendige Bewährung der neuen Bürgermeisterin | |
seien dem Gemeinderat als Gremium nicht zuzurechnen und daher kein | |
ausreichender Gegenbeweis. Die Stadt kann gegen das Urteil noch Berufung | |
beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim einlegen. | |
28 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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