| # taz.de -- Genderpaygap in der Lokalpolitik: Weniger Geld als die Männer | |
| > Eine badische Ex-Bürgermeisterin wurde schlechter bezahlt als Vorgänger | |
| > und Nachfolger. Nun klagt sie – und könnte einen Präzedenzfall schaffen. | |
| Bild: Weniger Geld wegen des Geschlechts: Eine Ex-Bürgermeisterin klagt gegen … | |
| Freiburg taz | Astrid Siemes-Knoblich war acht Jahre lang Bürgermeisterin | |
| in der Kleinstadt Müllheim, 19.000 EinwohnerInnen, südlich von Freiburg. | |
| Sie bemerkt, dass ihr männlicher Vorgänger und ihr männlicher Nachfolger | |
| [1][besser besoldet wurden als sie selbst]. Nun klagt sie gegen die Stadt | |
| auf mehr als 60.000 Euro Schadensersatz. Der Fall könnte zu einem | |
| Präzedenzfall des Antidiskriminierungsrechts werden. | |
| Die parteilose Unternehmerin Siemes-Knoblich war 2011 in Müllheim zur | |
| Bürgermeisterin gewählt worden. Sie absolvierte eine achtjährige Amtszeit | |
| und kandidierte dann nicht erneut. Heute arbeitet die 58-Jährige als | |
| Kommunikations- und Konfliktberaterin. | |
| Wie viel eine Bürgermeisterin konkret verdient, entscheidet in | |
| Baden-Württemberg zunächst der Gemeinderat. Er kann in der ersten Amtszeit | |
| zwischen einer höheren und einer niedrigeren Besoldungsstufe auswählen. | |
| Erst in der zweiten Amtszeit hat einE BürgermeisterIn Anspruch auf die | |
| höhere Stufe. | |
| Im Fall von Siemes-Knoblich entschied der Müllheimer Gemeinderat Ende 2011, | |
| dass sie in die untere Stufe eingruppiert wird. Dagegen wurde der Vorgänger | |
| René Lohs sofort in die höhere Stufe eingestuft, ebenso der Nachfolger | |
| Martin Löffler. Die Ex-Bürgermeisterin verlangt als Schadensersatz nun die | |
| Summe, die ihr über die Jahre entging, weil der Gemeinderat sie nicht | |
| ebenfalls in die höhere Stufe eingestuft hatte. | |
| ## Ein eindeutiges Muster | |
| Siemes-Knoblich beruft sich dabei auf das seit 2006 geltende [2][Allgemeine | |
| Gleichbehandlungsgesetz (AGG)]. Dieses gilt unter anderem im Arbeitsrecht | |
| und verbietet Diskriminierungen wegen acht Merkmalen, auch wegen des | |
| Geschlechts. | |
| Die AGG-Prüfung findet in zwei Stufen statt. In der ersten Stufe muss die | |
| Klägerin Indizien vorbringen, dass eine Diskriminierung vorliegt. Wenn ihr | |
| dies gelingt, dann kann die beklagte Stadt auf der zweiten Stufe die | |
| Vermutung einer Diskriminierung widerlegen. Dann hat aber die Stadt die | |
| Beweislast dafür, dass die Ungleichbehandlung andere Gründe hatte. | |
| Für Siemes-Knoblich liegt das Indiz für die Diskriminierung auf der Hand. | |
| Vorgänger und Nachfolger wurden besser eingruppiert, beide sind Männer. Die | |
| Vergleichsgruppe sei zwar klein, aber das Muster völlig eindeutig. | |
| Laut Stadt hat der Gemeinderat Siemes-Knoblich niedriger eingestuft, weil | |
| er über ihren Vorgänger Lohs verärgert war. Siemes-Knoblich solle sich erst | |
| mal bewähren, so die damalige Stimmung. | |
| ## Fall könnte durch die Instanzen gehen | |
| Die Stadt räumt ein, dass das wohl keine zulässigen Gründe waren. Laut | |
| Kommunalbesoldungsgesetz kommt es zum Beispiel auf die Größe der Kommune | |
| und die Schwierigkeit der Aufgabe an, aber sicher nicht auf die | |
| Enttäuschung des Gemeinderats über den Amtsvorgänger. Mit dem Geschlecht | |
| von Siemes-Knoblich habe das alles jedoch nichts zu tun, beteuert die | |
| Stadt. | |
| Jürg Düsselberg, der Anwalt von Siemes-Knoblich, hält dagegen: Solche | |
| rechtswidrigen und fadenscheinigen Begründungen seien „typisch für eine | |
| Lohndiskriminierung von Frauen gegenüber Männern“. Es sei auch | |
| symptomatisch, dass man gerade von einer Frau verlange, sie solle sich erst | |
| mal bewähren. Die Stadt habe also den Eindruck einer Diskriminierung nicht | |
| widerlegt. | |
| Nun muss das Verwaltungsgericht Freiburg entscheiden. Einen vergleichbaren | |
| Fall hat es vor Gericht wohl noch nie gegeben. Der Fall könnte durch die | |
| Instanzen gehen. | |
| 22 Mar 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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