# taz.de -- Geplante Entlastungen der Ampelregierung: Wuchtiges und wolkiges Pa… | |
> Die Entlastungen sehen Einmalzahlungen für Studierende und RentnerInnen | |
> vor. Extraprofite von Stromkonzernen sollen abgeschöpft werden. Aber | |
> wann? | |
Bild: Nach 22-stündiger Verhandlung: Nouripour, Scholz, Lindner und Esken (v. … | |
BERLIN taz | Zweiundzwanzig Stunden haben die Ampel-KoalitionärInnen | |
verhandelt. Es war „lang und aufreibend“, so Omid Nouripour. Dafür wirken | |
die vier, Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner, SPD | |
Chefin Saskia Esken und Grünen-Chef Nouripour am Sonntagvormittag noch | |
recht frisch. Der Kanzler verspricht: „Wir kommen gemeinsam durch diese | |
Zeit.“ Nouripour beschwört „einen Winter der Solidarität“. | |
Wir haben alles im Griff, das ist Kernbotschaft. Immerhin funktioniert das | |
Kommunikationsmanagement der Ampel wieder. In den letzten zwei Wochen gab | |
es vor allem wegen Robert Habecks Gasumlagen-Flopps viel gegenseitiges | |
Anrempeln. Beim dritten Entlastungspaket drang hingegen nichts vorab nach | |
außen. Das soll, wie schon in den Koalitionsverhandlungen, zeigen: Keine | |
Krise. Es herrscht Vertrauen in der Ampel. | |
Manches in dem Programm ist neu, anderes wie erwartet. So bekommen | |
Studierende und RenterInnen, die beim letzten Paket nicht bedacht wurden, | |
einmalig Geld: 200, respektive 300 Euro. Auch die Wohngeldreform war | |
vorab klar. Sie verdreifacht den Kreis der BezieherInnen auf rund zwei | |
Millionen und stützt gezielt ärmere Haushalte. | |
Die Ampel hat nicht die eine Maßnahme – etwa 100 Euro pro Monat für alle im | |
Winter – beschlossen, sondern einen großen, bunten Strauß. Das Kindergeld | |
steigt um 18 Euro pro Monat, die Hartz-IV-Bezieher bekommen ab dem 1. | |
Januar um die 500 Euro Bürgergeld, 50 Euro mehr als derzeit. Das ist de | |
facto keine Erhöhung, sondern ungefähr der Inflationsausgleich. Alle loben | |
am Sonntag das Volumen des Pakets. Mit 65 Milliarden Euro ist es mehr als | |
doppelt so groß wie das letzte Entlastungspaket. Lindner hatte ein | |
wuchtiges Programm angekündigt. | |
## Der Weg für die Grünen war weiter | |
Wer hat es durchgesetzt? „Alle mussten einen weiten Weg gehen“, sagt | |
Grünen-Chef Nouripour. Für die Grünen war dieser Weg etwas länger als für | |
SPD und FDP. Denn die Erhöhung der CO2-Steuer, Herzensanliegen der | |
Ökopartei, wird es 2023, anders als geplant, nicht geben. Die SPD wollte | |
die Erhöhung für zwei Jahre aussetzen, ein Jahr ist nun der Kompromiss. | |
Auf der Habenseite steht bei den Grünen, dass es eine [1][Nachfolge für das | |
9-Euro-Ticket] geben soll. Die fällt allerdings erst einmal in die | |
Kategorie „Nur auf den ersten Blick gut“. Der Bund will 1,5 Milliarden Euro | |
lockermachen. Von den Bundesländern dürfte ein ähnlicher Betrag | |
hinzukommen. Das Ticket, das für den Nahverkehr in ganz Deutschland gelten | |
soll, wird damit zwischen 50 und 70 Euro kosten. | |
Die FDP verbucht auf ihrem Konto die Steuerentlastung. „Wir verhindern die | |
kalte Progression“, so Christian Lindner selbstbewusst. Die | |
[2][Steuerentlastung hatte er schon vor Wochen angekündigt]. Sie kostet | |
einen zweistelligen Milliardenbetrag. KritikerInnen hatten angemerkt, dass | |
davon [3][vor allem Gutverdiener], die viele Steuern zahlen, profitieren. | |
Lindner betonte nun, dass man nicht nur Sozialtransfer finanziere, sondern | |
„ein Signal für die arbeitende Mitte“ sende. Für Kanzler Scholz, der keine | |
Gelegenheit versäumt, die FDP zu loben, ist die Steuerentlastung „dringend | |
und nötig“. | |
## Schwammiges zu Übergewinnen | |
Ein überraschender Kernpunkt des Ampelprogramms betrifft den Strommarkt. | |
Das Ziel: die Extragewinne von Stromkonzernen abzuschöpfen. Die Idee | |
leuchtet ein: Im EU-Strommarkt bestimmt immer der teuerste Erzeuger, | |
derzeit Gas, den Preis. Alle anderen, etwas Erneuerbare und | |
Kohlekraftwerke, kassieren so Extraprofite, weil die Preise ihrer Produkte | |
an die des Gases gekoppelt sind. | |
Diese „Marktordnung ist paradox“, so Lindner. Die Ampel will diese | |
Schräglage mit einer Art umgedrehten EEG-Umlage korrigieren und den | |
Stromproduzenten ihre zufällig erzielten Profite wieder abnehmen. Damit | |
soll ein Basistarif für StromkundInnen finanziert werden. Scholz hält dies | |
für „eine dramatische Entlastung“ der StromkundInnen. | |
Doch wann das passiert, ist noch offen. Denn die Ampel will erst abwarten, | |
wie die EU in den Strommarkt eingreifen wird. In dem „Deutschland steht | |
zusammen“ betitelten Papier der Regierung heißt es, wenn die EU nicht bald | |
handelt, „wird die Bundesregierung diese Anpassungen im Strommarktdesign | |
zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher selbstumsetzen.“ Doch | |
wann dieser Mechanismus zur Gewinnabschöpfung konkret greifen wird, ist | |
vom Kanzler nicht zu erfahren. „Wir haben nicht das Gefühl von erst und | |
dann“, so Scholz recht wolkig. | |
Was fehlt? [4][Die Übergewinnsteuer], die SPD und Grüne gefordert hatten. | |
Damit sind sie am Widerstand von Scholz und Lindner gescheitert. Für den | |
Strommarkt hat die Ampel ein Konzept. Für den Gasmarkt die holprige | |
Gasumlage und die von 19 auf 7 Prozent abgesenkte Mehrwertsteuer. Die | |
Mineralölkonzerne, die die Krise für satte Preiserhöhungen genutzt haben, | |
bleiben weiter außen vor. | |
4 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Verkehrsminister-ueber-9-Euro-Ticket/!5878935 | |
[2] /Lindners-Plan-zum-Inflationsausgleich/!5870587 | |
[3] /Entlastungspaket-gegen-Inflation/!5874012 | |
[4] /Umgang-mit-explodierenden-Strompreisen/!5875190 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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