| # taz.de -- Afrikastein in Berlin-Neukölln: In Stein gehauene Taten | |
| > Der „Afrikastein“ in Neukölln ehrt Täter des Genozids an den Herero und | |
| > Nama, nicht die Opfer. Nach Jahrzehnten der Kritik soll sich nun etwas | |
| > ändern. | |
| Bild: Völkermord, Opferzahlen, Täter: Kann man auf dem Herero-Stein nicht mal… | |
| Berlin taz | Am nordöstlichen Rande des Friedhofs Columbiadamm liegt | |
| versteckt im Schatten der Mauer ein Findling aus rotem Granit. Die mit | |
| Vogeldreck bekleckerte Inschrift zeichnet den eineinhalb Meter hohen Klotz | |
| als Gedenkstein aus: Hier werden sieben deutsche Soldaten geehrt, die „in | |
| der Zeit vom Januar 1904 bis zum März 1907 am Feldzuge in Süd-West Afrika | |
| freiwillig teilnahmen“ und dort den „Heldentod“ starben. Nichts Besondere… | |
| werden viele sagen, schließlich ist der ehemalige Soldatenfriedhof im | |
| Berliner Stadtteil Neukölln voll von Kriegsgräbern und -denkmälern. Und | |
| doch ist der Findling seit Jahrzehnten Anlass für Streit. | |
| Dass mit dem [1][„Hererostein“ oder „Afrikastein“], wie er genannt wird, | |
| die Täter eines Genozids geehrt werden, während es für die Opfer bis heute | |
| keinen Gedenkort in der Hauptstadt gibt, stößt afrodiasporischen und | |
| postkolonialen Initiativen seit Langem auf. Genauer seit 1973, als der | |
| Stein von einem Kasernengelände auf den Friedhof verlegt wurde – auf | |
| Initiative des Afrikakorps sowie des Traditionsverbands ehemaliger Schutz- | |
| und Überseetruppen. Auch deren Embleme, eine Palme auf eisernem Kreuz sowie | |
| ein Krempenhut mit schwarz-weiß-roter Kokarde, prangen seither auf dem | |
| Stein. | |
| ## Kein Wort von Völkermord | |
| Jedenfalls: Vor knapp 20 Jahren erreichte die Kritik die lokale Politik und | |
| man beschloss die Aufstellung einer Gedenktafel für die Opfer des Genozids. | |
| Nach fünf Jahren Diskussion (sic!) wurde 2009 eine schwarze Platte vor den | |
| Stein gelegt. „Zum Gedenken an die Opfer der deutschen Kolonialherrschaft | |
| in Namibia 1884–1915 insbesondere des Kolonialkrieges von 1904–1907“, hei… | |
| es darauf. | |
| Die Kritiker*innen waren entsetzt: Kein Wort von Völkermord, keine | |
| Opferzahlen, keine Erwähnung der Herero und Nama. Dies war wohl der | |
| Einmischung des Auswärtigen Amtes geschuldet, das damals aus Furcht vor | |
| Reparationsforderungen nicht von „Genozid“ sprechen mochte. | |
| Noch heute ärgert sich Christian Kopp von der Initiative „Berlin | |
| postkolonial“ über die Gedenkplatte, die in seinen Augen die ganze Sache | |
| fast noch schlimmer gemacht hat – zumal mit dem Wilhelm-von-Humboldt-Zitat | |
| am Schluss: „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft.“ Kopp sagt: | |
| „Das ist schon zynisch angesichts der Verharmlosung der deutschen | |
| Verbrechen auf dieser Platte, die den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts | |
| mit über 80.000 ermordeten Herero und Nama nicht beim Namen nennt.“ | |
| Nun kommt erneut Bewegung in die Sache: Das rot-grün regierte Rathaus von | |
| Neukölln strebt die „Umgestaltung des kolonialhistorischen | |
| Gedenkensembles“ an, heißt es in der Koalitionsvereinbarung. Die Frage | |
| ist nur: Wie? | |
| Das weiß auch der neue Direktor des Neuköllner Stadtmuseums, Matthias | |
| Henkel, noch nicht. Aber dass etwas geschehen muss, ist für ihn klar: „Der | |
| Stein reproduziert eine zutiefst koloniale Perspektive auf die historische | |
| Faktenlage.“ Henkel möchte das Thema im Dialog mit der engagierten | |
| Zivilgesellschaft angehen. Für 2023 arbeitet er an einer Ausstellung. | |
| Arbeitstitel: „Stein des Anstoßes“. | |
| „Wir werden darin den Versuch unternehmen, die verschiedenen Perspektiven | |
| sichtbar zu machen“, verspricht er. „Das Museum soll zu einem Labor für die | |
| Entwicklung einer zukunftsgewandten Erinnerungskultur werden.“ Am Ende, so | |
| hofft er, könnte eine Idee entstanden sein, wie man mit Hererostein und | |
| Gedenkplatte umgehen kann. | |
| ## Dem Leninkopf hinterher | |
| Manche sähen es wohl am liebsten, beides würde der Zitadelle Spandau | |
| übergeben. In der alten Festung am Rande Berlins stehen Denkmäler, deren | |
| Aufstellung im öffentlichen Raum nicht mehr opportun scheint oder ist. | |
| [2][Wie der Leninkopf,] der – damals noch mit Körper – am Kran durch den | |
| Film „Good bye, Lenin!“ schwebte. Aber das ist eine andere Geschichte. | |
| 7 Aug 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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